Kein Spass: Menschenleer

Bisweilen muss ein Motiv, um seine volle Wirkung entfalten zu können, inszeniert und allenfalls sogar (mit Menschen?) angereichert werden.

Leserfoto: Klick für Vollansicht (© S.F.).

Kommentar des Fotografen:

Ich gab dem Bild den Titel „No Fun!“. Bei dem Gebäude handelt es sich (wahrscheinlich) um eine Schießbude im Wiener Prater, die im Winter natürlich geschlossen ist. Besonders fasziniert haben mich die zur Umgebung kontrastierenden, starken Farben und der künstliche, blaue Himmel – der einzige Himmel, der an diesem Tag zu sehen war.

Peter Sennhauser meint zum Bild von S.F.:

Was fällt hier als erstes auf? Mir als fotografisch interessiertem Betrachter sticht zunächst die Vignettierung (der abgedunkelte Rand des Bildes, vielfach verursacht durch das Objektiv) ins Auge. Ich frage mich unweigerlich, was Du damit ausdrücken willst – denn dass der Effekt bewusst verursacht oder zumindest stehen gelassen wurde, ist offensichtlich.

Aber hier hast Du ein Problem: Die Vignettierung sorgt für einen „Tunnelblick“ und insinuiert einen Gemütszustand, eine Empfindung des Betrachters. Für mich steht eine Gefühlswelt, Einsamkeit, Abseitsstehen im Vordergrund. Das ist tatsächlich „No Fun“, aber es lenkt zugleich vom eigentlichen Motiv in Form des bunten Himmels an der Schiessbude ab.

Ich sehe zwei Möglichkeiten: Entweder, du konzentrierst Dich bei dieser Aufnahme voll und ganz auf den künstlichen Himmel in seinem knallbunten Umfeld und den Kontrast zum wahren Himmel. Das würde eine andere Perspektive verlangen. Zum Beispiel direkt unter dem Vordach nach oben, so dass der Kunst- und der echte Himmel das Bild ausfüllen und vielleicht die Äste des traurigen Baums im Nichts des echten Himmels die Farbenpracht der Budenwand ergänzen. Das würde eine recht abstrakte Aufnahme.

Die zweite Variante ist die vorliegende, in welcher der Kunsthimmel eine – wenn auch wichtige – Nebenrolle einnimmt. Hier fehlt mir ganz eindeutig etwas auf der linken Bildseite, das die Aussage komplettiert, Verlassenheit, Einsamkeit oder gar Trauer ausdrückt.

Den Fussspuren am Boden und den beiden Menschen weit im Hintergrund nach zu schliessen, gingen hier doch Personen an Dir vorbei. Es fällt Schnee, und so ist die Chance, dass eine vermummte Gestalt Dein Bild komplettieren könnte, ohne dass Du ein Modell aufbieten musst, mehr als intakt.

Denn selbst wenn der Betrachter in der Ich-Perspektive durch die Vignettierung die Gefühlswelt direkt überliefert erhält, braucht er eine Projektionsfläche im Bild, sei es nun eine Person oder ein Tier oder einen sonstigen „Avatar“, der sich mit dem Gefühl verbinden lässt. Ich kann mir vorstellen, dass dieses Bild mit einer auch nur schemenhaft sichtbaren Gestalt, vielleicht auch durch eine längere Verschlusszeit verwischt, eine enorme Intensität erhält.

So wie es vorliegt, wird die Stimmung angedeutet, aber nicht abgeschlossen umgesetzt. Schliesslich wirkt auch der Einbezug der Äste oben links mehr wie eine unumgängliche Notwendigkeit denn wie ein bewusster Kontrast zur Schiessbude.

Eine grossartige Location mit viel Potential, grade bei diesem Wetter, und vielleicht ein Grund, nochmals hinzugehen und ein paar Variationen zu probieren.

In der Rubrik “Bildkritik” analysieren Profi-Fotografen im Auftrag von fokussiert.com montags bis freitags jeweils ein Foto aus der Leserschaft.
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1 Kommentar
  1. Stefan
    Stefan sagte:

    Ohje… wusste gar nicht mehr, dass ich dieses Bild eingesendet hatte ;-)

    Von dem Bild gibt es seit geraumer Zeit eine de-vignettierte Version (http://www.flickr.com/photos/lensbert/3210401795/in/set-72157613414358459/). Nach längerem Betrachten hat sie nämlich auch mich gestört…

    Zur Location: War schon 2 Stunden im ärgsten Schneegestöber unterwegs und auf der GeLi hat sich schon ein Schnee/Eisgebilde aufgetürmt. Ich hätte es dort wohl keine 5 Minuten länger ausgehalten.

    Danke trotzdem für Deine Kritik, Peter!

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