Kinderporträt in Schwarzweiß: Ungestellt und natürlich

Die besten Porträts legen etwas Persönliches offen, sie fördern das Innere des Porträtierten zu Tage. Dazu braucht man weder eine teure Beleuchtungsausrüstung, noch ein Studio. Ein einfaches Fenster genügt schon.

Leserfoto: Klick für Vollansicht (© Stephan Bremicker).


Kommentar des Fotografen:

Der Frühling lag schon in der Luft, und auf einmal ist es wieder kalt und ungemütlich. Dies waren wohl die Gedanken meiner Tochter, als sie an diesem Samstag aus dem Fenster geschaut hat. Ich habe mit einer kontrastreichen s/w-Umwandlung versucht diese Emotionen noch besser zum Betrachter zu transportieren. Mich berührt das Bild und daher wäre ich sehr gespannt, was ein Profi dazu zu sagen hat und was man noch hätte besser machen können.

Profi Sofie Dittmann meint zum Bild von Stephan Bremicker:

In dem von mir viel zitierten Buch „On Being a Photographer“, das sich einem ausführlichen Dialog von Bill Jay und David Hurn widmet, spricht Bill Jay u.a. davon, daß für ihn die wirklich guten Porträts nicht unbedingt die technisch perfekten sind, sondern die, die etwas über den Porträtierten verraten.

Wenn ein Porträt sowohl dieses erreicht, aber auch technisch recht gelungen ist, ist das, als hätte man als Betrachter den Jackpot im Lotto gewonnen.

[textad]Das verwendete Objektiv hat eine extreme Lichtstärke, und so konnte hier bei weit offener Blende ohne Blitz fotografiert werden. Standardobjektive (vermute mal, daß das hier verwendet wurde) sind in dieser Hinsicht ideal, und ich verwende selbst gerne, nein, fast exklusiv, mein 50mm Objektiv für Porträts dieser Art.

Bei diesem Kinderfoto ging mir das Herz auf, als ich es sah. Es hat alles, was für mich ein gutes Porträt ausmacht. Ausdruck, Stimmung, und da ich kontrastreiche Fotos bevorzuge, fühlte ich mich natürlich sofort hingezogen.

Aus dreierlei Gründen.

1. Zur Pose: Wenn die Kleine auch etwas zu weit nach oben gerutscht ist, so stellt dieses Bild doch den vielbesprochenen unbeobachteten Augenblick dar. Sie sieht nachdenklich nach draußen, und es bleibt dem Betrachter überlassen, diesen Blick zu interpretieren.

2. Zur Beleuchtung: Natürliches Licht ist für mich immer noch die Meßlatte, an der sich auch Studiofotos messen lassen müssen. Die effektivsten Fotos sind meistens die, die wenigstens so wirken, als wären sie nur von einer Lichtquelle beleuchtet worden. Das ist hier voll gelungen.

3. Zur Nachbearbeitung: Das Bild in schwarzweiß zu verwandeln hat hier dazu beigetragen, den etwas melancholischen Ausdruck im Gesicht des Kindes noch zu verstärken. Daß der eine Teil der Jacke etwas wegsumpft, macht hier nichts, denn es paßt zum Foto und der Rest der Jacke weist genügend Einzelheiten auf.

Glückwunsch zu diesem Bild, und weiter so.

In der Rubrik “Bildkritik” analysieren Profi-Fotografen im Auftrag von fokussiert.com montags bis freitags jeweils ein Foto aus der Leserschaft.
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3 Kommentare
  1. Stephan
    Stephan sagte:

    So jetzt komm ich auch endlich mal dazu hier zu antworten.
    Vielen Dank für diese schöne und ausführliche Kritik und das Lob. Für mich als Hobbyknipser ist so etwas sehr wertvoll, zum einen zu wissen, dass man nicht völlig auf dem falschen Weg ist und zum anderen von einem Profi zu hören, was man noch verbessern kann. Das schöne ist, das das Original weder einen angeschnitten Kopf noch einen abgesoffenen Pulli hat. Somit werde ich mich noch mal dransetzten und die Kritikpunkte bei der Bearbeitung beachten. Ich bin sehr gespannt, wie sich das Ergebnis im Vergleich mit dem hier gezeigten macht.
    Danke noch mal und viele Grüße,
    Stephan

    Antworten
  2. Christian
    Christian sagte:

    Ich kann mir nicht helfen, aber irgendwie stört mich der angeschnittene Kopf, dabei ist in meinen Augen auch noch zu viel Pullover zu sehen, der ja, wie in der Kritik schon erwähnt, unten im Schwarz absäuft.
    Ansonsten gefällt mir das Bild sowie die Bearbeitung sehr gut, sehr schöne S/W Umwandlung!

    Grüße, Christian

    Antworten

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