Kölner Bahnhof: Die Bögen spannen

Bauten, die mit geschwungenen Bögen Lasten tragen, bieten Fotografen klare Kontraste zu den geraden Linien, welche die Architekturdominieren. Das Zusammenspiel schafft Spannung, wie in dieser Aufnahme.

© Ralf Joost – Canon 5D III, 1/200, F4, ISO 200, 70-200/130m. Korrekturen in Photoshop, freigestellt, gespiegelt

© Ralf Joost – Canon 5D III, 1/200, F4, ISO 200, 70-200/130m. Korrekturen in Photoshop, freigestellt, gespiegelt

Ralf Joost aus Bergneustadt: Der Kölner Hauptbahnhof von Süden aus gesehen. Mir gefiel das Zusammenspiel der Bögen, Formen und Flächen, dazu das Abendlicht. Ich bin mir nicht sicher, ob der Ausschnitt nicht doch zu eng gewählt ist. Was würde wohl Sofie dazu sagen?

Leider ist Sofie grade sehr beschäftigt, ich hoffe, Ralf nimmt auch mit meinen Beobachtungen Vorlieb.

In dieser Farbaufnahme sehen wir die Rundbögen zweier ineinander verschränkter Dachkonstruktionen aus Metall, die offensichtlich im Abend- oder Morgenlicht einen Bahnhof überdecken. Im Vordergrund spannt sich eine runde Treppe von der linken Bildhälfte in die Rechte, am rechten Bildrand ist eine Betonwand zu erkennen.

Auf den ersten Blick kann man sich als Betrachterin oder Betrachter dem Spiel der Linien, kleinen Flächen und der Bögen nicht entziehen. Über die Qualität des Motivs muss man hier wohl nicht diskutieren, und das geht sehr weit mit deiner Komposition einher – denn das Motiv ergibt sich aus Perspektive und die Bezüge, in die man die Linien mittels Standortwahl zueinander stellt. 

Linien und Kurven in der Beziehung der Fotografie.

Linien und Kurven in der Beziehung der Fotografie.

Hier sind die Beziehungen sehr gebündelt – von rechts springen viele Bögen in verschiedener Bildtiefe nach links oben und unten; sie treffen dort in der linken Bildhälfte auf eine Phalanx an Vertikalen, woraus sich die spannende Grundstruktur der Aufnahme ergibt. Nicht umsonst sprechen wir in der Musik, bei Texten und anderswo [amazon  B00JEEL2RI]in der Kunst vom „Spannungsbogen“:[/amazon] Die Kurve zwischen zwei Punkten erfüllt uns mit Erwartungen und wirkt ebenso aufregend wie harmonisch. Dein Ausschnitt hier schafft es, diese Spannung herzustellen.

Wenn Du die Frage nach der Beschränkung des Ausschnitts aufwirfst, kann ich nur annehmen, dass man vielleicht die Dachbogen vorne links noch mehr ins Bild hätte rücken können.

Aber erstens funktionieren die Linien so schon hervorragend, und zweitens wäre damit mehr von dem nicht sehr attraktiven strukturlosen Himmel in die Komposition geraten. In der gewählten Form bildet der Himmel ein Dreieck mit einem negativen Bogen und passt perfekt ins Gefüge.

Pixelweise Auflösung: Der Vordergrund ist aufgrund der offenen Blende und der Fokusdistanz unscharf.

Pixelweise Auflösung: Der Vordergrund ist aufgrund der offenen Blende und der Fokusdistanz unscharf.

Bei der ersten genauen Betrachtung war ich indes erstaunt über Deine Blendenwahl: Mit f/4 bei einem Tele-Ausschnitt von 130mm musstest Du damit rechnen, dass Bereiche ausserhalb der Fokuslänge in den Unschärfenbereich geraten, und das ist im Vordergrund passiert. Ich finde das insofern schade, als die Komposition hier aus dem Zusammenzug der Linien und Bögen in eine Ebene besteht, will heissen, Du schaffst einen zweidimensionalen Zusammenhang der Linien. Schärfentiefeneffekte schaffen die Illusion der dritten Dimension in einer Fotografie. Sie werden also gewissermassen zur gegenteiligen Wirkung dessen eingesetzt, was Du hier anstrebst. Hier hätte es sich gelohnt, die Hyperfokale Distanz und die entsprechenden Kameradaten zu ermitteln.

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So kommt den auch die Betonwand des Aufgangs rechts mit einer unscharfen Kante ins Bild, die nichts beiträgt (der Bildrand reicht als Begrenzung absolut aus), aber die Unschärfe des Vordergrunds unnötig betont, wie ich finde. Sie erfüllt allerdings einen Zweck, indem sie das kleine Stück Handlauf, das unten rechts noch zu sehen ist, vom Bildrand auf Distanz hält. Wenn ich die Aufnahme um die Betonwand beschneide, gelangt dieses Fragment leider so in die Bildecke, dass es zu einer Ablenkung wird, statt die Bögen weiter oben zu spiegeln.

Ich habe deshalb schliesslich einen Beschnitt gewählt, der zwar die Treppe mit den parallelen Horizontalen beibehält, aber die Ecke freimacht.  Ein Beschnitt von unten erwies sich als Frevel an dem abwärts weisenden Bogen des Treppenrands, der die Dachbögen aufgreift und nach unten führt – von ihm muss viel zu sehen sein.

Spiegelung – gute Idee?

Nicht ganz schlüssig bin ich mir, ob die Spiegelung eine gute Idee ist. Hier haben wir schon mehrfach lesen können, dass die westliche Kultur von links nach rechts liest und Aufwärts-Bewegungen nach rechts positiver wahrnimmt.

Da hast Du ja aber Glück gehabt, dass der Gleisabschnitt in Deiner Bildkomposition „A“ und nicht „B“ oder „C“ war – sonst wär’s mit der Spiegelung nichts geworden… Ich frage mich übrigens immer noch, ob die dem Bild einen Gewinn bringt. Und habe deshalb die Fotografie zurück gedreht. Fazit: Immer noch faszinierende Aufnahme.

Foto des Kölner Bahnhofs zurückgedreht.

Zurückgedreht: Was wirkt besser?

 

4 Kommentare
  1. Ingrid Steinmel
    Ingrid Steinmel sagte:

    Hallo Ralf, für weißgrauen Himmel, den wir leider in Mitteleuropa häufig haben, kenne ich auch bei Photoshop kein Heilmittel. Ich vermeide es mittlerweile, bei solchem Licht zu fotografieren oder versuche, möglichst wenig Himmel ins Bild zu nehmen, so wie du es auch gemacht hast. Früher habe ich dann den Himmel durch einen anderen ersetzt, was bei deinem Bild auch problemlos möglich gewesen wäre. Aber das habe ich schon länger nicht mehr gemacht, weil sich das für mich „gefälscht“ anfühlt. Dein Bild funktioniert auch so.
    Schönes Wochenende Ingrid

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  2. Ingrid Steinmel
    Ingrid Steinmel sagte:

    Hallo Ralf,
    das ist ein klasse Bild, gut gesehen! Als ich es zuerst gesehen habe, dachte ich, ich hätte es gespiegelt, um die Bogenkonstruktion in der oberen Hälfte aufsteigend von rechts nach links zu haben. Außerdem störte mich der weißgraue Himmel oben rechts. Habe erst beim Lesen gemerkt, dass es ursprünglich so war. Ich finde es in der Tat so besser, weil nun die nach rechts unten schwingende Treppe und die aufstrebenden Bögen oben den Raum dazwischen nach rechts öffnen. Außerdem ist so der weißgraue Himmel oben links in der Ecke, wo er mich weniger stört. Trotzdem: ich wäre froh, mir wäre so ein Bild gelungen.
    Beste Grüße
    Ingrid

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    • Ralf Joost
      Ralf Joost sagte:

      Hallo Ingrid,

      vielen Dank, Deine Sicht kann ich auch gut nachvollziehen. Der Blick kann ja auch von links oben den Dachbögen folgen, nicht unbedingt der Betonmauer
      abwärts. In den Himmel habe ich leider keine Struktur hineinbekommen. Jedenfalls nicht mit Lightroom.

      Grüße
      Ralf

  3. Ralf Joost
    Ralf Joost sagte:

    Hallo Peter,
    gerne nehme ich auch mit Deiner ausführlichen, positiven Kritik Vorlieb, vielen Dank. Stimmt, Blende 8 oder 11 wären hier sicherlich hilfreich gewesen, habe ich nicht bedacht. Die Betonmauer hatte ich als helle, aufsteigende
    Linie gesehen, die als Blickeinstieg dient und aufwärts zu den Bögen der Dächer führt. Vielleicht gibt es hier ja noch andere Meinungen. Bei der rechten Betonwand hatte ich auch länger überlegt…

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