Konzertfoto: Zweite Reihe

Sich einem Motiv indirekt zu nähern, kann sehr spannend sein. So lassen sich Subjekt und Nebenaussage in einem Bild vereinen.

[textad]

Leserfoto: Klick für Vollansicht (© Linda Surber).

Kommentar des Fotografen:

Dieses Foto ist an einem kleinen Konzert entstanden. Als ich das Foto aufgenommen habe, stand ich eher weit von der Bühne entfernt. Dadurch musste ich mich oft bemühen, keine anderen Kameras im Bild zu haben. Dieses Bild ist eigentlich eher ein ungewolltes. Im Nachhinein gefällt es mir sehr gut, weil es nicht so ein typisches Konzertfoto ist.

Peter Sennhauser meint zum Bild von Linda Surber:

In dieser Farbaufnahme ist in der Tiefe der Unschärfe ausser einem offensichtlich hell erleuchteten Punkt ein paar Meter vor der Kamera nur der Teil eines Hinterkopfs, eine erhobene Hand mit einer Digitalkamera und davor ein paar weitere Kameras und Smartphones zu erkennen. Im LCD-Screen der Kamera indes wiederholt sich das eigentliche Motiv, der Sänger vorne auf der Bühne.

Anlässlich meines ersten Live-Konzerts seit ziemlich langer Zeit habe ich vor einem Monat festgestellt, dass das aktuelle Publikum offenbar weniger Musik hören, als Stars auf der Bühne mit dem Smartphone abfilmen will:

Dass die Bildqualität dabei weit hinter den Promotionsvideos auf Youtube zurück und das Konzertfeeling (namentlich für die hinten stehenden Zuschauer, die ausser Handys nichts mehr sehen) ganz auf der Strecke bleibt…nuja, hören wir auf mit dem Gemotze.

Jedenfalls schien mir die Idee einer solchen Fotografie sofort unausweichlich: Der Star auf der Bühne, nach hinten transportiert auf Tausenden kleiner Bildschirme, welche den direkten Blick auf das Ereignis des Abends verdecken: Die Bildaussage ist ziemlich klar, die Atmosphäre des Events wird deutlich, und der Charakter des Anlasses – das eigentliche Motiv – wird genau so indirekt/direkt geliefert wie am Event.

Du hast die Idee erst nach dem Ereignis auf Deinen Schnappschüssen entdeckt, und das merkt man dem Bild leider an. So ist hier der Hinterkopf des Zuschauers vor Dir eher störend im Bild, die Schärfe liegt auf seiner Hand und nicht exakt im Bildausschnitt seiner Kamera (auf die zu fokussieren eine Herausforderung werden kann). Ausserdem wäre der Sänger auf der Bühne, wie ich erst auf den zweiten Blick erkennen konnte, in Deiner Aufnahme durchaus noch zu sehen gewesen (wenn der Kopf nicht im Weg wäre. Und schliesslich hätten die unzähligen Wiederholungen des Bildes auf unzähligen, in der Tiefe unscharf werdenden Zuschauer-Handies einen tollen Zusatzeffekt ergeben.

Schliesslich zeigt sich in Deinem Bild noch ein Faktum: Mit Blitz aus dieser Position zu fotografieren bringt nur etwas, wenn Du Hinterköpfe und Hände der Vordermänner inszenieren willst. Bis zur Bühne und über das Bühnenlicht drüber reicht der Blitz doch nie (und für altertümliche Zuschauer wie mich ist das anhaltende, sinnlose Blitzlichtgewitter eine weitere Nervenprobe).

Hier hat er für einmal mehr oder weniger geklappt, auch wenn eine hohe Empfindlichkeit und nur schemenhafte Köpfe und Hände neben den hellen Bildschirm-Bildern wahrscheinlich deutlich reizvoller wären. Also: Nächstes Mal auf just dieses Bild konzentrieren, Blitz ausschalten, ISO hoch schrauben und ganz bewusst komponieren.

In der Rubrik „Bildkritik“ analysieren Profi-Fotografen im Auftrag von fokussiert.com montags bis freitags jeweils ein Foto aus der Leserschaft.
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