Kurt Buchwald: Verstellte Sicht

Wenn die Sicht aufs Motiv verstellt ist, fuchtelt der Fotograf. Für Kurt Buchwald gehört der gestörte Blick zum Konzept.

Blende von links, Berlin 1992 (c) Kurt Buchwald

Mit der fotografischen Sicht und ihrer Störung beschäftigt sich der (Ost-)Berliner Kurt Buchwald schon viele Jahre. Dabei verbindet er die Fotografie mit Aktionskunst.

Alles begann am 10. Dezember 1984, als Kurt Buchwald vor seine Kamera trat und als schwarze Halbfigur das Bild abdeckte. Er tat das, was der Medienphilosoph Vilém Flusser propagierte: gegen das Prinzip der Maschine zu arbeiten. Nach Flusser ist der Mensch in der neuen Medienkultur nicht mehr Objekt oder Subjekt der Fotografie, sondern Projekt. Denn auf der letzten Stufe dieses Weges stehe das Designen und Entwerfen nicht nur von Bildwelten, sondern auch von Objekten und Körpern.

So beschäftigte sich der gelernte Ingenieur von 1990 bis 2000 mit Störungen der Kamerasicht, wie zur aktuellen Ausstellung mitgeteilt wird. Dazu wurden Scheiben in unterschiedlichen geometrischen Formen, mit Löchern, mit Spalten, in Schwarz und in Farbe vor die Kamera montiert. Diese Blenden baut er teils als meterhohe Wahrnehmungsinstrumente und schließlich baut er Fotoskulpturen. Er entwirft eine Systematik im Sinne eines „Algorithmus der Blenden“. So findet er neue Bildideen, untersucht das fotografische Medium. Im gleichen Sinne nutzt er die Grundidee des Dadaismus, die Verunsicherung und die Provokation. Er steht er für eine Verbindung von fototechnisch vermittelter und getragener Aktionskunst. Ganz im Sinne von Flusser inszeniert er sich selber als „Röhrenmensch“, der hat als Kopf ein Objektiv in Form einer Röhre aufweist.

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In der Aktion „Fotografieren verboten“ brachte er Aufkleber und Absperrungen vor berühmten Gebäuden an und deklarierte die folgenden Passantenäußerungen bis hin zur Polizeiaktion als Teil der Aktion. Mit unscharfen Portraits vertauschte er das „Unwichtige und das „Wichtige“. In den „Störplätzen und Stehplätzen“ bringt sich der Fotograf selbst stets mitten ins Bild bringt – als unscharfen, das Bild fast völlig besetzenden schwarzen Umriß. Und so entwickelte er seine „Porträts am senkrechten Spalt“, in denen deutlich sichtbar in der Mitte des Bildes ein schwarzer Rahmen auf das Zentrum, auf den Fokus des Bildes verweist. Mit der Serie „Stripes“ (2000) produziert aus Interferenzen Lichtbilder ohne Gegenständlichkeit. Wie ein Magnet verbiegt ein vors Objektiv gesetzter schwarzer Keil Farbstreifen. Damit ist er an einer Grenze des Bildermachens angekommen.

Bildstörungen, Bildverweise, Fotografierverbote, Wechselwirkungen von Wirklichkeit und Fotografie sind Mittel, die Kurt Buchwald (Jahrgang 1953) immer wieder einsetzt, um die Menschen dazu zu bringen, über Bilder nachzudenken – gar nicht so sehr über seine Bilder. Seine Bilder betrachtet er nur als Beispiele, als Hilfsmittel und Anregung, um Nachdenken über Wirklichkeit und Fotografien von Wirklichkeit in Gang zu setzen.

Wahrnehmung.de – so heißt auch die Website von Kurt Buchwald. Wir finden dort seine ganzen Projekte und Aktionen von 1984 bis heute. Und wir können sie in der aktuellen Ausstellung in der Gerlerie Photo Edition in Berlin sehen.

Kurt Buchwald – sichtabsicht
Bis 28. Februar
Photo Edition Berlin, Ystaderstraße 14a, D-10437 Berlin
+49 (0)30-41717831, contact@photo-edition-berlin.com
Geöffnet Mittwoch 14 – 20 Uhr, Samstag 12 – 18 Uhr und nach Vereinbarung

Kurt Buchwald
Galerie Photo Edition

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  1. […] „Die Schlitze erinnern ja ein bißchen an die von Uli Eberhardt hier schon vorgestellte Serie von Kurt Buchwald, das Gefängnisartig-Verhuschte an die Guantánamo-Bilder von Paolo […]

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