Landschaftsfotografie: Komposition ohne Inhalt

Eine gute Komposition ist ein wesentliches Gestaltungsmerkmal einer Landschaftsfotografie – aber die abgelichtete Landschaft bleibt dabei das Motiv.

[textad]Leserfoto: Klick für Vollansicht (© Ezio Gutzemberg).

Kommentar des Fotografen:

Die Aufnahme entstand am westmecklenburgen Abschnitt der Elbe, früh am Morgen und in der Hoffnung das Licht des Sonnenaufgangs einzufangen, welches das gegenüberliegende Ufer gerade erreicht hat.

Peter Sennhauser meint zum Bild von Ezio Gutzemberg:

Ein kaum fliessender Arm eines Flusses ist in dieser Farbfotografie zu sehen, die im direkten Vordergrund rund ein Drittel des nahen Ufers, im Mittelgrund die Wasserfläche mit einer leichten Spiegelung des Morgenhimmels und im oberen Bildteil links und rechts die fernen Uferstrecken zeigt, davon das am rechten Bildrand in die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne getaucht.

Dein Ziel, das Ufer der Elbe im ersten Sonnenlicht zu fotografieren, hast Du jedenfalls erreicht. Die Frage ist, ob daraus ein gutes Bild geworden ist:

Ich bin der Ansicht, dass es nicht reicht. Es gilt die alte Landschaftsfotografen-Faustregel, wonach das Bild, das Du schiessen wolltest, meistens in dem, das Du geschossen hast, drinsteckt.

So auch hier, und Du sagst es ja sogar selber: Das rechte Ufer des Flusses mit den Büschen im ersten Sonnenlicht und der Spiegelung ist ein lohnendes Motiv.

Die anderen Bestandteile Deiner Aufnahme, obwohl ganz gut arrangiert und in der Komposition aufgeteilt, eher nicht.

Radikal anderer Ausschnitt: Das Bild war im Bild.Nehmen wir den Vordergrund: Er bietet eigentlich nichts, was sich anzuschauen lohnen würde. Da liegt etwas Geröll und dazwischen wachsen kleine Blümchen, von denen wir aber zu weit entfernt sind und denen die „Füsse“ abgeschnitten worden sind, um ein echter Vordergrund zu sein; ebenso bietet das linke Ufer, das offenbar künstlich in strömungsbremsender Art aufgeschüttet ist, kaum etwas, was mich als Betrachter zum Hinschauen bringt.

Du hältst Dich zwar an viele Regeln – Vorder-, Mittel- und Hintergrundschichtung, Bildrahmung, Drittelteilung etc – aber Du hast dabei ein bisschen vergessen, dass der Bildinhalt von der Komposition unterstützt werden soll und nicht umgekehrt.

Du hast hier ausserdem das Problem, dass der Himmel kein sonderlich spannendes Bild abgibt, das aber in der Spiegelung das Ufer mit den Büschen begleiten könnte.

Im bestehenden Bildausschnitt sehe ich wenig Möglichkeit, eine spannende Fotografie zu isolieren – allenfalls käme ein extremer Vertikal-Schnitt am rechten Rand in Frage, der das fragliche Ufer wider die Regeln direkt in die Hälftung stellt.

In der Rubrik “Bildkritik” analysieren Profi-Fotografen im Auftrag von fokussiert.com montags bis freitags jeweils ein Foto aus der Leserschaft.
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11 Kommentare
  1. Gerd Dörfler
    Gerd Dörfler sagte:

    Ich sagte ja auch „fast immer“. Was aber nicht heißen soll, dass man das so macht o.ä, sondern dass ich mir das irgendwie so angewöhnt habe. Weiß auch nicht wieso…

    @ reinhart: ja dein Beispiel wirkt tatsächlich besser im Querformat.

    Anbei dann auch mal zwei meiner Fotos, wo ich denke, dass Hochformat ganz gut wirkt.

    http://www.flickr.com/photos/gerddoerfler/4619504128/in/set-72157622973565970

    http://www.flickr.com/photos/gerddoerfler/5474664250/in/set-72157622973565970/

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  2. Reinhard Witt
    Reinhard Witt sagte:

    :-) Das Format einer Fotografie ist doch wohl immer ein (starkes) Mittel der Komposition. Auch oder grade in der Landschaft: Flussverläufe, Bäume, Berge – es gibt unzählige Objekte, für deren Ablichtung sich das Hochformat anbietet.

    Ich glaube, nix anderes habe ich gesagt… :-)

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  3. Peter Sennhauser
    Peter Sennhauser sagte:

    Absolute Aussagen werden in der Fotografie und in der Fotokritik meistens sofort Lügen gestraft. Und das ist gut so – man nennt es Diskussion…
    @Augi: Das Hochformat sieht an Deinem Querformatbildschirm meistens schlechter aus, weil das Bild viel kleiner ist – das ist alles. Ein grossformatiger Druck entschädigt für die Enttäuschung am Monitor…
    @Augie, Reinhard, Gerd: Das Format einer Fotografie ist doch wohl immer ein (starkes) Mittel der Komposition. Auch oder grade in der Landschaft: Flussverläufe, Bäume, Berge – es gibt unzählige Objekte, für deren Ablichtung sich das Hochformat anbietet.
    @Etzio: Auch die Offenblende findet ihren Platz in der Landschaftsfotografie. Kleine Vordergründe mit grandiosem Hintergrund im Bokeh zähle ich dabei auch zur Landschaftsfotografie. Siehe hier.
    @Corinne: Ob das Bild „gefällt“ oder nicht, ist ja, wie schon in diesem ersten Beitrag zur Fotokritik (dem längst ein versprochener zweiter folgen sollte) gesagt, nicht Gegenstand der Kritik. Es gibt Bilder, die ich positiv kritisiere, obwohl sie mir nicht gefallen, und umgekehrt.
    @Swonkie: Du hast recht. Hab ich aber ja auch gesagt: Das Bild steckt im Bild, aber selten in der idealen Form.
    @Gerd: Absolute Aussagen… siehe oben.

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  4. Swonkie
    Swonkie sagte:

    das bild das peter da aus dem bild geschnitten hat finde ich langweiliger als das original. es hat zwar eine gewisse abstrakte ästhetik, aber es gibt einfach nichts zu sehen.

    beim original finde ich den vordergrund das einzig sehenswerte. mich faszinieren solche „texturen“ immer wieder. allerdings habe ich es bisher nicht geschafft, davon gute bilder zu machen.

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  5. Reinhard Witt
    Reinhard Witt sagte:

    Da gebe ich der Corinne doch mal recht…

    Wann fotografiert man Landschaftsaufnahmen im Hochformat? Ich denke bei Mammutbäumen wäre das angebracht, oder? Sicher, auch hier wäre der Gesamteindruck ein anderer im Querformat. Aber das ist ja hier völlig bewusst gebrochen worden. Allein schon diese Tatsache verlangt danach genauer hin zu sehen. Mir gefällt der VG, der Mittelgrund und die saubere Trennung von Wasser und Himmel durch die am Horizont befindliche Szenerie.

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  6. CorinneZS
    CorinneZS sagte:

    Äh, sorry, wenn ich hier reinplatze und anderer Meinung bin. Aber mir gefällt das Bild ausgesprochen gut. Ich bin sogar der Meinung, der Herr Redaktör habe etwas zu kritisch kritisiert.

    Mir gefallen die Farben, der Aufbau, das Format, das Sujet; meine Augen suchen den Vordergrund aufgeregt nach Details ab, schweifen beruhigt über den einfach verstehbaren Hintergrund. Und zurück. – Diese Mischung ist hier sehr perfekt gelungen.

    Ich sage deshalb bravo. Und: weiter so!

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  7. Ezio Gutzemberg
    Ezio Gutzemberg sagte:

    Ich persönlich erlebe gerade (auch dank dieser Seite) mein kleines Revival des Hochformates.
    Ich finde, dass es in der Landschaftsfotografie durchaus seinen Platz verdient hat – im Gegensatz zur Offenblende! ;)
    Die technische Seite meines Fotos: Hochformat und Blende 11 halte ich für absolut gerechtfertigt.
    Wozu schlepp ich schließlich das Stativ mit ;)

    Aber wie immer; persönliche Vorlieben & Geschmacker.

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  8. augi
    augi sagte:

    Landschaften im Hochformat abgebildet, sehen selten wirklich gut aus. Ich kenne das Problem aus eigener Erfahrung nur zu gut.. Die Szene durch den Sucher der Kamera betrachtet (oft mit Weitwinkel), sieht gut aus. Zuhause am Bildschirm dann die Enttäuschung. Nicht umsonst nennen Portraitfotografen Bilder im Querformat aufgenommen „landscape mode“. Mein Tipp zum Bild wäre: Runter auf den Boden, Kamera quer, Gräser als Vordergund suchen, Blende so weit wie möglich auf und auf das gegenüberliegende Ufer fokussieren, denn… eine schöne Szenerie, die sich durchaus lohnt nochmals fotografiert zu werden

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  9. Ezio Gutzemberg
    Ezio Gutzemberg sagte:

    Danke für die Kritik,
    erstaunlich was einem erst auffällt wenn man es gesagt bekommt. ;)
    Das Foto entstand genau einen Tag nachdem ich diese Seite gefunden und die Tipps „Vordergrund braucht Hintergrund…“ gelesen hatte.
    Ein früher und wie es scheint mißglückter Versuch.

    Ich bleib aber drann ;)

    PS: erstaunlich wie kacke das Bild vor einem weißen Hintergrund ausschaut :D

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