Landschaftsfotografie: Lichtstimmung als Motiv

Das Subjekt einer Landschaftsfotografie muss keine Landschaft sein – es kann Licht, Farbe, Stimmung, Muster etc sein.

[textad]Leserfoto: Klick für Vollansicht (© Günther Dankelmayr).

Kommentar des Fotografen:

Morgennebel am Grundlsee (wenn die Sonne den Morgennebel durchdringt) 1/500,Av 8, 26 mm

Profi Peter Sennhauser meint zum Bild von Günther Dankelmayr:

Zwei Enten schwimmen in dieser Gegenlicht-Farbfotografie eines Sees in Wellenkreisen im rechten Vordergrund aufeinander zu. Der „Horizont“ des Sees im unteren Drittel des Bildes wird am linken Aussenrand von einem nahen Ufer mit Bäumen und einem Gebäude, am rechten von einem entfernten, steil ansteigenden bewaldeten Berg eingegrenzt. Darüber hängt pastellener, flockiger Morgennebel, durch den die Sonne am rechten Bergrand eben erst dringt.

Es ging mir wie allen, als ich angefangen habe, mich mit Landschaftsfotografie zu beschäftigen: Ich habe grossartige Landschaften gesehen und wollte sie in Bildern festhalten – was fast nie so gelingt:

Die Kamera ist in den wenigsten Fällen in der Lage, die von uns gesehene und als schön empfundene Breite der Landschaft abzubilden. Dafür aber kann sie Teile davon einfangen und in einem Rahmen abbilden, die wir in unserem „Überblicksmodus“ wiederum nur sehen, wenn wir darauf trainiert sind. Das ist mir einmal mehr eben in einer Lodge an der kalifornischen Küste aufgefallen, deren gesamte Architektur darauf ausgelegt ist, die natürliche Landschaft, von der sie umgeben ist, in Fenstern und Tür-Rahmen mit speziellen, vom Architekten genau abgestimmten Ausschnitten zu betonen. Das sorgt für ein konstantes Erlebnis der Umgebung in detaillierten Ansichten, welche die meisten von uns ansonsten kaum zur Kenntnis nähmen.

Das ist aber nicht alles. Was wir als Landschaftsfotografen einfangen, ist ja nicht nur die Landschaft an sich. Es ist das Licht einer bestimmten Zeit, die Farben, Muster, die in einer bestimmten Position erscheinen; Luminanz von Objekten, Kontraste in Form und Licht und so weiter, Stimmungen, Kompositionen und Aspekte, die wir mit der Kamera und ihrer Sichtweise kompositorisch in Szene setzen – wir machen Bilder, wir nehmen sie nicht nur auf.

Genau das ist Dir hier hervorragend gelungen. Denn keiner der Einzelteile dieser Aufnahme für sich ist eine Fotografie wert. Selbst die Sonne im Nebel am Berg reicht nicht aus, den gleichen Eindruck zu generieren, denn das Gesamtwerk erschafft.

Ein weiterer Aspekt guter Landschaftsfotografie besteht darin, mehrere der beschriebenen Kriterien in einem Bild kombiniert anzuwenden. Du hast es mit den beiden Enten geschafft, einen Vordergrund in einer ansonsten sehr flachen Szene zu finden, der einen Blickfang bildet und überhaupt erst die Tiefenschichtung des Bildes betont.

Der Mittelgrund besteht im Bild links am Ufer, der Hintergrund – Nebel und Sonne am rechten Ufer – sind aber das eigentliche Motiv. Das Bild lebt von der Lichtstimmung, wird aber be-lebt durch die Schichtung, die Blickführung im Dreieck und den Vordergrund, der eine gewisse Spannung bietet, ohne wirklich Subjekt zu sein.

Ein gelungenes Bild und ein schönes Beispiel dafür, wie einzelne Elemente der Technik und der Komposition eine Aufnahme erst zu einem Bild machen können. Sehr schön gesehen und meiner Meinung nach adäquat fotografiert.

In der Rubrik “Bildkritik” analysieren Profi-Fotografen im Auftrag von fokussiert.com montags bis freitags jeweils ein Foto aus der Leserschaft.
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8 Kommentare
  1. Lois Peer
    Lois Peer sagte:

    lieber günther, da ich beinahe täglich an dieser stelle vorbei komme, muss ich leider feststellen, der horizont an deinem bild ist doch beträchtlich schief.
    ansonsten aber top, mein kompliment.
    lg. lois

    Antworten
  2. Thomas Strauss
    Thomas Strauss sagte:

    ob schief oder gerade empfunden hängt auch auch von der bildgrösse und dem betrachtungsabstand ab;
    wenn ich das bild vergrössere und etwas abstand vom bildschirm nehme wirkt es für mich natürlich und „gerade“;
    landschaftsbilder brauchen grösse und raum, ich kann mir dieses sehr gut in A1 in einem grosszügigen wohnraum vorstellen
    mein kompliment für dieses bild

    Antworten
  3. Günther
    Günther sagte:

    Besten Dank für die Kritik. Die Platzierung des Horizonts bringt Diskussionsstoff mit sich.
    frank
    schrieb am 7. Mai 2011 um 03:09 Uhr
    Zitat:

    Seen haben meist keine Horizontlinie (solange sie nicht sehr groß sind oder Du nicht eine sehr tiefe Perspektive wählst sodass kein Ufer zwischen Himmel und Wasser liegt) sondern ein Ufer. Ob dieses Ufer parallel zum Horizont ist hängt einzig von der gewählten Perspektive ab.
    Zitat ende:

    Aus meiner Sicht ist es schwierig, Sämtliche Vertikalen im Bild links sind eindeutig nach rechts geneigt, was wirklich richtig ist.

    Antworten
    • Swonkie
      Swonkie sagte:

      Aus meiner Sicht ist es schwierig, Sämtliche Vertikalen im Bild links sind eindeutig nach rechts geneigt, was wirklich richtig ist.

      worauf man sich in diesem bild verlassen kann ist die spiegelung der sonne im wasser, sie sollte exakt unter der sonne liegen – hier ist sie weiter rechts, das bild wirkt deshalb schief.

      wenn man unkorrigierte perspektive im bild hat (kamera nach oben oder unten gerichtet anstatt horizontal) bekommt man ja die bekannten stürzenden linien – in diesem fall (kamera über den horizont gerichtet) müsste aber die spiegelung etwas „links“ von der sonne liegen, das deutet umso mehr auf eine schräglage bei diesem bild.

    • Swonkie
      Swonkie sagte:

      in diesem fall (kamera über den horizont gerichtet) müsste aber die spiegelung etwas “links” von der sonne liegen

      äh das war falsch. wenn schon, dann rechts, aber ich bin mir jetzt nicht mal mehr sicher ob sich die reflektion gleich verhält wie z.b. gebäudekanten…

      auf jeden fall ist es in dem bild zu viel des guten, die kamera war ja höchstens ganz leicht nach oben geneigt.

  4. Anne Jüngling
    Anne Jüngling sagte:

    Nun ja, mir fiel es eben sofort in’s Auge. Es ist nicht dramatisch, aber trotzdem eine Erwähnung wert. Dass Ihr schon ganz anderes gesehen habt, glaube ich sofort …
    Ich finde diese Rubrik sehr interessant und lehrreich – weiter so!!!

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