Landschaftsfotografie: Spiegelung asymmetrisch

Bilder mit spiegelnden Wasserlinien sind eine der wenigen Kompositionen, die oft genau gemittet angelet werden. Dabei lässt sich auch vor einer Spiegelung ein Vordergrund platzieren.

Leserfoto: Klick für Vollansicht (© Dietmar Rieder).

Kommentar des Fotografen:

Das Foto ist auf einer Bergwanderung in der Nähe von Innsbruck entstanden. Für mich ist dies einwunderbarer Ort der Ruhe und Entspannung. Von der Entfernung her ein Katzensprung von den Eindrücken und der Stimmung Lichtjahre weit weg vom alltäglichem Stadtleben. Mit dem Bild konnte ich etwas von der Ruhe mit nachhause nehmen und ich schaue es mir gerne immer wieder an.

Peter Sennhauser meint zum Bild von Dietmar Rieder:

Ein Bergkamm mit zackigen Felsen und darüber treibenden Wolkenfetzen ist auf diesem Schwarz-Weiss-Bild zu sehen. Die Krete spiegelt sich im unruhigen Wasser in einem Bergsee im Mittelgrund des Hochformatbildes, davor bildet ein struppiger kleiner Grasbusch den Vordergrund.

Mittenplatzierungen sind bei Spiegelungsfotos gang und gäbe. Sobald eine Wasserlinie wie ein Horizont zwischen dem Objekt und seiner Spiegelung erscheint, bietet sich – als Ausnahme von der Regel – die Teilung des Bildes in zwei Hälften an.

Allerdings kann man auch die Regel vom Bruch der Regel brechen – und dies auch noch mit guter Wirkung. Deine Aufnahme macht das deutlich:

Ein gut gewählter Vordergrund verstärkt die Wirkung der Spiegelung im Hintergrund und sorgt für ein leichtes Ungleichgewicht, das die Redundanz vom Motiv und seiner Spiegelung etwas abschwächt.

Hier kommt hinzu, dass die Uferlinie des kleinen Bergsees keine Gerade oder einen vermeintlichen Horizont bildet, was ein weiteres gutes Argument für die Wahl dieser Komposition abgibt. Reizvoll ist ausserdem, dass die ruppige Spiegelung im leicht gewellten Wasser mehr von den Wolken am Himmel zeigt, als im Bildausschnitt direkt sichtbar ist.

Was mich – nicht wenig – stört, ist der Schnitt durch den Grasbusch im Vordergrund. Nachdem Du Dir die Mühe zu dieser hervorragenden Komposition gemacht hast, welche den Blick in zwei Bögen entlang dem rechten Bildrand durch die Aufnahme führt, hätte es der Fotografie gut angestanden, keinen „ausgefransten“ Vordergrund zu haben.

Um solche kleine Pannen mit bisweilen grosser Wirkung zu vermeiden, habe ich es mir zur Angewohnheit gemacht, im Sucher nach der Einstellung der gewünschten Komposition sorgfältig alle Bildränder nach Störungen abzusuchen: Angeschnittene Objekte, weisse Flächen, ins Bild ragende Äste etc. Meistens lassen sie sich durch das Verrücken der Kamera um ein paar Millimeter aus dem Bild entfernen. Am ehesten nehme ich ins den Ausschnitt ragende Dinge in Kauf, die sich später in der Nachbearbeitung leicht aus dem Bild klonen lassen.

In der Rubrik “Bildkritik” analysieren Profi-Fotografen im Auftrag von fokussiert.com montags bis freitags jeweils ein Foto aus der Leserschaft.
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4 Kommentare
  1. Dr. Thomas Brotzler
    Dr. Thomas Brotzler sagte:

    Ich dachte mir schon, daß die Verwendung der Festbrennweite hier die Möglichkeiten der Ausschnittswahl beeinträchtigte – und Dietmars letzter Kommentar geht ja auch in diese Richtung …

    Genauso wichtig erscheint mir, daß ein solches Motiv im Sinne einer ernsthaften Fotografie ja über einen längeren Zeitraum in Ruhe erarbeitet werden kann (unterschiedliche Lichtverhältnisse, unterschiedliche Brennweiten, …).

    Was ich in dieser Aufnahme sehe, spricht mich jedenfalls schon sehr an. Besonders gut gefällt mir der „kompositorische Dialog zwischen gezacktem Grasbüschel im Vordergrund, ebensolcher Bergkette im Hintergrund und der Spiegelung als brückenbildender Mittelgrund“. Die Arbeit ist m. E. auch ein schöner Beleg dafür, daß eine dynamische Landschaftsfotografie im Hochformat (und in Schwarzweiß sowieso) gelingen kann.

    Hinsichtlich des Vordergrundsanschnitts teile ich die übrigen Meinungen. Eins ist mir noch aufgefallen, wenngleich das vielleicht etwas speziell ist: Du scheinst bei der Schwarzweißkonvertierung den Blaukanal im Vergleich zum Türkiskanal verhältnismäßig stark heruntergezogen zu haben. So entsteht eine nach meinem Dafürhalten nicht ganz plausible bzw. übertriebene Tonwertdifferrenzierung zwischen oberer und unterer Himmelspartie.

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  2. Dietmar Rieder
    Dietmar Rieder sagte:

    Vielen Dank für die ehrliche Kritik ich habe mich sehr darüber gefreut. Das mit den abgeschnittenen Halmen stimmt leider und es scheint als ob ich wieder mal den Sucher nicht gründlich genug kontrolliert hätte. Ich denke das kam zum einen daher, weil ich mich auf eben so einem kleinen Grasbüschel im Wasser hockend befunden habe und mir das Wasser schon fast in die Schuhe gelaufen ist, und zum anderen wegen der 50mm Festbrennweite an die ich mich erst gewöhnen muss. Da hab ich mir wohl zuwenig Zeit genommen… leider aber ich werde sicher noch öfters im selben Platz hinwandern…

    Hier noch eine Farbversion desselben Fotos und Aufnahmen die an einem anderen Tag entstanden sind an dem ich mit Stativ und Weitwinkelzoom anstatt 50mm Festbrennweite unterwegs war:
    Weitere Versionen des Motivs

    LG
    DR

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  3. Christian Gruber
    Christian Gruber sagte:

    Ich hätte es gerne 20cm weiter von unten :-).
    Ernster: Insbesondere die Aufteilung ist sehr ansprechend. Eben nur die angeschnittenen Grashalme unten und der mir etwas zu aufdringliche leere Seebereich genau in der Mitte des Bildes stören mich. Was vielleicht die 20cm weiter unten nach meinem Empfinden besser gewesen wäre. SW find ich ok.
    Was allgemein bei Bergfotos immer interessant ist, ist die verändernde Wirkung durch Lichteinfall abhängig von der Uhrzeit und Lichteinfall abhängig von der Bewölkung. An so einem Tag kann es durchaus passieren, das ziehende Wolken die „Ausleuchtung“ in kurzen Zeitabständen von harten zu weich ändern.

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