Langzeitbelichtung: Nachtbilder ohne Bewegung

Nachts sind extrem lange Belichtungszeiten Pflicht – und Sternstreifen dabei meistens die Folge. David Kaplan hat einen Weg gefunden, sie zu reduzieren.

Leserfoto: Klick für Vollansicht (© David Kaplan).

Kommentar des Fotografen:

Meine Herz gehört der Nacht. Auch wenn der Tag für den Landschaftsfotografen sehr viele wundervolle Farben und Kontraste bietet, so ist doch die Nacht jenes unbekannte Gebiet, das erforscht werden will. Hier habe ich das mit einem Wasserfall gemacht, den ich seitlich jeweils kurz mit einem X21 LED Lenser angeleuchtet habe während insgesamt 375s Belichtungszeit. Nichtsdestotrotz ist aber die Bildkomposition wegen dem unbrauchbaren Sucherbild extrem schwierig und hier kam auch noch ein dichter Wassernebel vom Wasserfall hinzu, der sich schon nach wenigen Sekunden auf der Frontlinse abgesetzt hat. Dennoch war ich überrascht, wie klar und deutlich das Foto trotzdem geworden ist. Welche Schwächen in der Bildkomposition stecken, würde ich nun gerne über die Profikritik erfahren.

Peter Sennhauser meint zum Bild von David Kaplan:

Seit langem lag in meiner Warteschlange ein anderes Bild von David, der uns hier dieses erstaunliche Nachtbild präsentiert. Auch die andere Aufnahme hat meine Aufmerksamkeit gewonnen, weil sie offenkundig sehr lang belichtet, aber sternstreifen-frei ist.

Ich habe David dann gebeten, mir sein Verfahren zu erklären:

Nachdem er damals etwas zurückhaltend war, rückt er jetzt mit dem Geheimnis heraus.

Während alle schönen Landschaften tagsüber schon unzählige Male fotografiert worden sind, so sind nur die wenigsten auch in der Nacht festgehalten worden. Dabei vermag doch gerade die Nacht erst Dinge zu offenbaren, die dem menschlichen Auge unbekannt sind.

Ich stelle mich immer wieder der Herausforderung, an abgelegenen Orten einzigartige Nachtbilder festzuhalten. Insbesondere der Sternenhimmel hat dabei meine Faszination geweckt, da dies für mich das herausstechendste Merkmal der Nacht ist.

Doch die technischen Schwierigkeiten sind enorm: In einer Mondlosen Nacht während der astronomischen Dämmerung (wenn es ganz dunkel ist) ist es so dunkel, dass man von blossem Auge kaum und durch den Sucher gar nichts erkennen kann. Die Verschlusszeiten müssen aber so kurz sein, dass die Sterne keine Strichspuren hinterlassen (wegen der Erdrotation). Länger als 30s kann man darum theoretisch nicht belichten.

Von der Landschaft ist dann aber auch bei Blende 1.4 und ISO6400 (was ich Nachts immer verwende) kaum etwas zu erkennen. Kein Wunder also, sieht man kaum jemals ein Landschaftsfoto mit ausgeprägtem Sternenhimmel und detailreicher Landschaft. Ich habe mich aber der Herausforderung gestellt und eine Lösung für dieses Problem entwickelt.

Ich habe mir eine Software geschrieben, die sämtliche Bewegungen herausrechnen kann. So kann ich beliebig lang Belichten und habe dennoch keine Strichspuren bei den Sternen. Gleichzeitig ermöglicht meine Technik auch den Einsatz von HDR, was auch zwingend nötig ist um den hohen Kontrastunterschied zwischen Himmel und Landschaft auszugleichen.

Nebst der „Available Light“-Fotografie in der Nacht ist aber vor allem auch der Einsatz von künstlichen Lichtquellen äusserst interessant, da dies die Möglichkeit bietet, Landschaftselemente gezielt hervorzuheben, was tagsüber völlig unmöglich wäre.

Letztere Technik heisst Lichtmalerei und kann zu spektakulären Ergebnissen führen. Vor allem, wenn man dazu einen Scheinwerfer wie die [amazon]Lenser X21[/amazon] benutzt…

Und für Deine Technik, die bewegten Teile aus einem Bild herauszurechnen, gibt es auch andere Kniffe – einen mit Mehrfachbelichtungen, einer Art Extrem-HDR, hat mein Lehrer Don Smith entwickelt – ich werde sie demnächst hier vorstellen.

Was die Bildkomposition angeht, fällt mir nicht viel ein zu dieser aussergewöhnlichen Nachtfotografie, ausser, dass das Bild gekippt scheint: Wasser fällt nunmal genau senkrecht zur Erde, ebenso wie es exakt ausgerichtete Horizonte bildet, und wenn man sich über diese Linien hinwegsetzt, stört das auch den Laien.

Begradigt, beschnitten und Weiss angepasst.Hier würde ich behaupten, dass das Bild deutlich nach links kippt, was natürlich vor Ort schlecht zu erkennen ist. ich habe deshalb ein bisschen herumgespielt, das Bild geradegerückt – was zu Lasten des Abflusses aus dem Wasserfall vorne und des Himmels geht.

Ich habe ausserdem die Schwarzwerte angehoben und die Lichttempertur angepasst. Alles in allem denke ich, dass mein Bildschnitt natürlicher wirkt und auch der Komposition keinen Abbruch tut, im Gegenteil: Zwar rückt die Flussdynamik des Wasseres ein bisschen (links) in den Hintergrund, dafür ergeben sich aus der starken Diagonale oben rechts und dem klar abgegrenzten Vordergrund mehr Tiefe und Linienstärke. Widerspruch willkommen.

Hilfsmittel für die Komposition werden erst kombinierte Sucher sein, wie sie Fujifilm mit der Finepix X100 jetzt vorstellt: Liveview mit einer Art Nachtlichtverstärkung.

Ich kann Dir zu diesem Bild und der Entwicklung Deiner Software nur gratulieren, auch wenn ich persönlich ein Fan von Sternstreifen bin – einen Betatester für Deine Software jedenfalls hättest Du in mir gefunden…

In der Rubrik “Bildkritik” analysieren Profi-Fotografen im Auftrag von fokussiert.com montags bis freitags jeweils ein Foto aus der Leserschaft.
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16 Kommentare
  1. Robert Boden
    Robert Boden sagte:

    Guten Tag

    Ich wollte nur wissen wo man nun an die Software kommt die sie geschriben haben die alle bewegungen aus dem Bild heraus rechnet?

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    • Peter Sennhauser
      Peter Sennhauser sagte:

      Ich glaube, David Kaplan, der in der Zwischenzeit erfolgreicher Landschaftsfotograf ist, hat sie nie veröffentlicht. Und zar aus dem verständlichen grund, dass er sie nicht warten, aber auch nicht halbfertig in die public domain geben kann.

  2. Matthias
    Matthias sagte:

    Die überarbeitete Version ist das Tüpfelchen auf dem i. Dabei ist das ‚i‘ das mit eigener Software überarbeitete Motiv.Respekt!. Erinnert mich an die Illustrationen in Jules Verne Büchern aus meiner frühen Jugend.

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    • David Kaplan
      David Kaplan sagte:

      Dieser Wasserfall ist in einem kleinen Seitental etwa 15 Minuten zu Fuss von der Susten-Passstrasse. Aber achtung: Ich habe dort zwei abgenagte Steinbockbeine gefunden. Es hat also aller voraussicht nach Wölfe dort ;).

  3. David Kaplan
    David Kaplan sagte:

    @Sebastian

    Freut mich sehr, dass dir meine Fotos gefallen. Ja, der unscharfe Vordergrund ist sozusagen meine Spezialität. Die einen lieben es, die anderen hassen es . Ja, ich fotografiere fast ausschliesslich vom Stativ aus – das ergibt sich bei HDRs sowieso. Die Nachbearbeitung hält sich in Grenzen. Habe meistens nicht mehr als 5min an einem Bild. Zuerst ein neutrales, nicht übertriebenes HDR in Photomatix erzeugen und dann nachträglich in Lightroom noch etwas an der Gradiationskurve (Richtung „S“) drehen, Sättigung reduzieren, oft noch eine leichte Tönung ins Warme darüberlegen, schärfen fertig. Zeitaufwändiger wird es nur, wenn ich retouchieren muss (Sensorflecken, Flares, Ghosting oder ganz selten auch mal echte Bildelemente).

    Programmiert habe ich es in C#. Es ist ein Standalone-Tool und hat keinerlei Schnittstellen zu anderen Programmen.

    @Swonkie:
    Danke. Ja, den virtuellen Horizont nutze ich intensiv – vor allem in der Nacht. Leider dachte ich bisher, dass der nur in der Horizontalen richtig funktioniert. Habe es jetzt aber gerade nochmal nachgeschaut – geht auch problemlos hochkant. Danke für den Tipp, da hätte ich wohl noch oft daneben gelegen ohne dich!!!

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  4. Swonkie
    Swonkie sagte:

    sehr interessant.

    ich finde auch peter hat hier übertrieben. zum einen das bild zu stark gedreht (ein teil des wasserfalls am linken bildrand fällt jetzt nach links was sehr unnatürlich wirkt).
    andererseits ist der „realistische“ weissabgleich auf das led licht meiner meinung nach nicht schön. das original wirkt stimmungsvoller. wenn man schönes abendlicht hat, macht man ja auch keinen weissabgleich um das gelbe licht weiss zu machen, sondern nutzt normalerweise die tageslichteinstellung.

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  5. Sebastian
    Sebastian sagte:

    @David: Ich hab mir mal eben deine wundervolle Sammlung an Fotos auf deiner Seite angesehen. HAMMER! Hab mich echt in die Fotos verliebt ;)
    Besonders klasse finde ich die Einbindung von unscharfen Objekten im Vordergrund. So bekommt das Foto eine besondere Tiefe.
    Fotografierste du (fast) immer mit Stativ? Musst du viel nachbearbeiten?
    Coole Fotos!

    Wg dem Tool. In welcher Sprache hast du das Programmiert? Oder ist es eine Art „Plugin“ für PS? :) Bin gespannt wie es sich entwickelt. Bisher macht es schonmal nen klasse Job :)

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  6. David Kaplan
    David Kaplan sagte:

    Vielen Dank Peter, dass du mein Bild für die Kritik gewählt hast. Danke auch an dich, Sven, für dein Lob.
    Wegen dem „Kippen“ des Fotos. Ich war schon bei der Aufnahme sehr unsicher, ob das Bild gerade ist oder nicht. Habe mehrmals auf dem Display die Linien kontrolliert und dann am Schluss gefunden, dass es gerade sei. Der Wasserfall ist nicht frei fallend, weshalb es besonders schwierig ist, sich anhand der Linien im Wasser zu orientieren. Zu Hause am PC fand ich dann aber doch auch, dass es eindeutig kippt. Habe dann aber wegen dem ohnehin schon knappen Beschnitt und der für mich ansonsten sehr stimmigen und harmonischen Bildaufteilung auf ein geraderücken verzichtet. War mir aber gerade in diesem Punkt sehr unsicher, weshalb ich dich, Peter, auch um Rat gefragt habe. Mit deiner Umsetzung bin ich aber auch nicht glücklich. Der für mich so harmonische Fluss von links oben nach rechts unten wird so unterbrochen und die verträumten, märchenhaft-warmen Farben sind einer erschreckend realitätsnahen Kälte gewichen. Ausserdem empfinde ich deine Interpretation jetzt nach rechts kippend.

    Was die Software anbelangt:
    Es handelt sich um einen generellen Lösungsansatz um bewegte Bildelemente zu entfernen und aus den Belichtungen HDRs zu erzeugen. Ich bin momentan an einer vielversprechenden Lösung, welche das Ergebnis nochmals verbessern könnte. Zusätzlich arbeite ich an einem noch komplexeren Algorithmus welcher speziell auf Sternenhimmel abgestimmt werden soll. Dieser sollte noch mehr Details aus dem Sternenhimmel herausholen können und die Qualität nochmals verbessern. Von der kommerziellen Realisierung bin ich aber noch weit entfernt und ich sehe so bald auch nicht, wie sich das ändern könnte. Falls die Software doch einmal kommerziell nutzbar sein sollte, werde ich mich sicherlich wieder hier melden. Da ich das nur Hobbymässig vorantreibe und jetzt über den Sommer kaum daran gearbeitet habe, könnte das aber noch eine Weile dauern. Immerhin kommt jetzt dann der Winter :).

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  7. gusak
    gusak sagte:

    Wasser faellt nur senkrecht zur Erde, wenn es sich vor dem Fall nicht in einer horizontalen Vorwaertsbewegung befindet. Das ist bei einem Fluss und Wasserfall nicht der Fall. Die Neigung des urspruenlichen Bildes wirkt deutlich natuerlicher.

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    • Peter Sennhauser
      Peter Sennhauser sagte:

      Ich freu mich jedenfalls, dass hier diskutiert wird. Muss man Euch jeweils zum Widerspruch einladen…?

      Auch wenn ich nicht mit allem einverstanden sein kann ;-)

      @Gusak: Sobald die Vorwärtsbewegung abklingt, fällt auch Wasser wieder senkrecht zur Erde. Und das ist auch hier im Bild zu sehen.

      Hier wurde mit einem 24mm-Weitwinkel fotografiert; eine gewisse Verzerrung ist, namentlich an den Bildrändern, zu erwarten. Im Zentrum sollten Vertikale aber senkrecht sein.

      Ich habe mir das Geraderücken nicht leicht gemacht, hätte es aber illustrieren sollen, was ich jetzt – mit ein bisschen Hausrecht in Form der Bildeinbindung – mache:

      Wasserfall-Verlauf

      Was die Lichtteperatur angeht, ist sie vielleicht Geschmackssache, ebenso der Kontrast.

      Von der Geschichte mit dem Kippen lasse ich aber nicht ab. Ein schräger Wasserhorizont wirkt nur dann nicht „falsch“, wenn er extrem und damit offenkundig absichtlich gekippt wurde. Finde ich.

  8. Sven Hirthe
    Sven Hirthe sagte:

    Moin,

    erstmal ein dickes Lob. Als Laie beeindruckt mich die Technik mit der du es schaffst ein solch „dynamisches“ Motiv bei Nacht so eindrucksvoll herauszuheben.
    Sollte ich dieses Bild allerdings in einer Galerie oder einem anderen Zusammenhang sehen ohne zu Wissen was du wie gemacht hast würde ich als allererstes an ein gemaltes Bild denken und dann wahrscheinlich als „kitschig“ abstempeln und vorbeigehen. Hier ist eigentlich das faszinierende Detail das es ein Foto ist.

    @Peter deine „Abwandlung“ des Bildes finde ich zu kontrastreich durch das harte Licht, es geht die „Nachtstimmung“ verloren finde ich.Wäre kein Sternhimmel darüber sondern ein bewölkter Himmel würde es niemanden wirklich auffallen.

    Alle meine Kommentare sind unter dem Mantel des „Unwissenden“ zu verstehen.:)

    Grüße
    Sven

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  1. […] bei Seen oder dem Meer mit einem geraden Horizont nicht ganz einfach ist – es gibt, und grade bei fallendem Wasser, Hinweise auf die Lage des virtuellen Horizonts. Dein Bild halte ich für rund fünf Grad nach links […]

  2. […] mehrere Aufnahmen des Motiv durch eine Belichtungsreihe entstehen, sondern, soviel verriet er auf Fokussiert, auch ein eigens geschriebenes Programm die Bewegungen einzelner Teile des Motivs […]

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