Langzeitfotografie Buhne Altnau: Gleichmass ist der Feind des Kontrasts

Wer eine Alternative Foto-Kompositionen mit geometrischen Mustern sucht, läuft schnell Gefahr, der Mitte und den Diagonalen durch die Ecken zu verfallen. Das geht meist nur im Quadrat gut.

Buhne in Altnau

Nikon D7000 60s bei Blende 11 mit 17mm Brennweite und ISO 100 © Pirmin Dewor

Pirmin Dewor aus Wolfegg schreibt zu diesem Bild: Dieses Foto habe ich in Altnau (Schweiz) am 18.06.2016 aufgenommen. Weil der Bodensee gerade einen sehr hohen Wasserstand aufweist, war meine Intention, die Buhne von Wasser umgeben abzulichten. Mir war bewusst, dass es bereits viele Fotots von dieser Buhne gibt, aber alle im Querformat und diagonal aufgenommen. Mein Anreiz war es, eine andere Perspektive zu finden. In dieser sollte die Buhne nicht nur diagonal zu sehen sein. Der lange Steg von Altnau sollte sich zudem im Hintergrund leicht abzeichnen. Für meinen Perspektivenwechsel musste ich nasse Schuhe in Kauf nehmen, um die Kamera passend zu platzieren. In dieser Ausrichtung findet sich eine verjüngende Diagonale der Buhne wieder, die gleichzeitig eine geraden Ausrichtung aufweist. Im Horizont ist noch schwach der bekannte und sehr lange Anlegesteg zu sehen. Diese Perspektive macht das Bild für mich sehr interessant. Aufgenommen wurde das Bild mit einer Nikon D7000 und einem Sigma 17-70 2.8-4 Objektiv. Zusätzlich verwendete ich einen 3,0 Graufilter und einen Verlaufsfilter für die Langzeitbelichtung. Für mich liegt die Schwierigkeit noch in der Bildkomposition, da ich erst seit zwei Monaten intensiver fotografiere.

Diese Fotografie zeigt eine Buhne, und mir bringt sie zugleich einige neue Wörter bei: „Buhne“, auch als Stack, Höft, Kribbe, Schlenge oder im Alpenraum Schlacht bezeichnet, ist laut einschlägigen Websites ein Küstenschutzbau.

Solche von Menschenhand geschaffenen Bauwerke an Ufern und Küsten sind beliebte Fotomotive, weil sie mit ihrer redundanten Ordnung einen Kontrast zur natürlichen Uferlinie bilden und dennoch meistens selber aus Naturstoffen bestehend nicht zu stark abfallen. 

Wir sehen in der Schwarz-Weiss-Fotografie eine Reihe hölzerner Pfosten an einem Gewässer. Sie verläuft von links vorne im Bild parallel zu einer zweiten Reihe rechts vom Betrachter weg hinaus ins Gewässer. Die Wasseroberfläche ist aufgrund einer offensichtlichen Langzeitbelichtung nicht zu erkennen, sie sieht aus wie Nebel um die Holzpfosten; der Horizont, respektive das andere Ufer des Sees, läuft in der Mitte durchs Bild. Darüber ist ein leicht bewölkter, in Bewegung unscharf gezeichneter Himmel zu sehen.

Zur Technik fällt mir auf, dass die Aufnahme nicht ganz knackscharf ist. Das kann verschiedene Ursachen haben, unter anderem Erschütterungen, denn die Belichtungszeit von einer Minute ist kein Pappenstiel. Du sagst, Du habest nasse Füsse in Kauf nehmen müssen, standest demnach also im Wasser, und [amazonna  B00WHFZJXO]das hoffentlich wasserfeste Stativ[/amazonna] auch: die Wasseroberfläche war offenkundig bewegt, und damit ist nur mit massiven [amazon  B013OCGDMY]Gewichten am Stativ[/amazon] zu erwarten, dass die Kamera nicht erschüttert wird während der Aufnahme!

Die Belichtung scheint aber stimmig, mit einem [amazonna  B01GE1QJG2]Neutralfilter[/amazonna] lassen sich so auch bei Tageslicht lange Belichtungszeiten mit entsprechenden Folgen realisieren.

Artefakte im Wasser oben rechts

Artefakte im Wasser oben rechts

Für meinen Geschmack war hier die Zeit etwas gar lang gewählt, was die Wolken schon sehr verwischt hat. Ich hätte das gleiche noch mit der Hälfte oder noch weniger Zeit versucht, um das Wasser weich, die Wolken aber so scharf wie möglich zu kriegen. Das ist aber Geschmacksache. Allerdings finde ich im Wasser oben rechts eigenartige Artefakte, die ich mir nicht richtig erklären kann.

Den Steg am Horizont, den Du ins Bild bringen wolltest, halte ich in dieser Auflösung für eher störend, weil er die Horizontlinie bricht, aber nicht wirklich erkennbar ist; der Stein im Vordergrund dagegen ist stärker angeschnitten, als es mir lieb ist. Hier gälte: Mut zu mehr Schnitt, oder gar keinem (wenn es die Umstände erlauben, natürlich).

Der Punkt Geschmacksache gilt auch für die Komposition, die Du anders haben wolltest als die typisch breiten Pano-Bilder mit den Pfosten in der Diagonalen. Ein anderer Ansatz und ein klarer Plan sind schon mal gute Ausgangspunkte. Meiner Ansicht nach bist Du hier aber in die Symmetrie-Falle getappt: Ein Wasserhorizont just in der Bildmitte ist kein Tabu, aber es muss einen Grund geben für die Zweiteilung (beispielsweise eine Spiegelung), sonst wird er einfach langweilig.

Zu viel Symmetrie, Horizont genau mittig

Zu viel Symmetrie, Horizont genau mittig

Diagonalen, die in die Bildecken verlaufen, trifft ein ähnlicher Effekt: Wenn es eine ist, die zufällig da hin zeigt, dann geht das, aber hier laufen eigentlich sämtliche Linien in die Ecken des Bildes, und das ergibt eine total gleichmässige Aufteilung der Fläche. In der Komposition werden weder die Drittel noch der Goldene Schnitt, dafür aber die Mitte anvisiert. Das ist eine Variante, die man wählen kann, aber sie passt vor allem bei quadratischen Bildern.

Quadratischer Schnitt mit mittigem Horizont. So geht's.

Quadratischer Schnitt mit mittigem Horizont. So geht’s.

Ich habe deshalb ein bisschen mit anderen Kompositionen herum probiert, die sich am Goldenen Schnitt orientieren und dabei nicht unbedingt den ersten Pfosten von links in die Aufmerksamkeit bugsieren. Beim Quadrat darf der Horizont in der Mitte sein, bei den anderen habe ich ihn so gut es geht in den Drittel oder eben in den Goldenen Schnitt gelegt. Interessant ist dabei, wie verschieden die Bilder wirken.

Hochkant, mit Dritteln horizontal und Goldenem Schnitt vertikal.

Hochkant, mit Dritteln horizontal und Goldenem Schnitt vertikal.

 

Den zweiten Pfosten ins Zentrum (in den Goldenen Schnitt) gerückt.

Den zweiten Pfosten ins Zentrum (in den Goldenen Schnitt) gerückt. Hier ist der Vordergrund zu stark gekappt.

Ich habe die Fotografie ausserdem massiv geschärft (zu stark, um ehrlich zu sein) und bin ausserdem  der Ansicht, dass die Tonwertverteilung nicht ideal ist – das wahrscheinlich grüne Ufer gegenüber säuft ebenso im Schwarz ab wie die rechte untere Bildecke. Mit einer anderen S/W-Umwandlung liesse sich dem vielleicht sinnvoll abhelfen.

Umgeschnitten, nachgeschärft, Tiefen angehoben und Kontrast verstärkt.

Umgeschnitten, nachgeschärft, Tiefen angehoben und Kontrast verstärkt.

10 Kommentare
  1. Dietrich Kunze
    Dietrich Kunze sagte:

    Ich finde, dass die quadratische Variante einen starken „WOW“-Effekt hat,
    der vordere Pfosten mit dem sehr dominanten Stein darunter wirkt bei
    diesem Beschnitt regelrecht drohend. Das Fehlen der angeschnittenen
    Pfosten am rechten Rand lässt die verbliebenen Pfähle geradezu übermächtig
    wirken.
    Sehr überzeugend.

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  2. dierk
    dierk sagte:

    Pirmin,
    mir gefällt das Bild (Komposition) sehr, ich würde auch nichts schneiden.
    „Für mich liegt die Schwierigkeit noch in der Bildkomposition“ – für mich definitiv nicht.

    Allerdings habe ich einige Probleme mit der Technik.

    Diese Zoom Objektive sind in dem kurzen Bereich sicher nicht optimal, aber mit der D7000 sollte das Bild in der starken Verkleinerung scharf sein. Bei einem 18 MP APS-C Sensor ist Blende 11 sicher schon in der Beugung, was aber in dieser Größe nicht auffallen sollte.
    Erhebt sich für mich die Frage, ob dies ein Ausschnitt ist? Oder ist es leicht verwackelt?
    Die Belichtungszeit von 1 Min. ist für die Wolken leider zu kurz, da braucht man schon einen starken ND Filter.
    Der Kontrast ist mir zu hoch, etwas weichere Grauabstufung fände ich besser und die Tiefen sollten nicht ganz absaufen.

    Auf jeden Fall weiter so :-)
    VG
    dierk

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  3. Chilled Cat
    Chilled Cat sagte:

    Wenn man das Bild nach links dreht, dann wird es (mindestens für mich) offensichtlicher. Die Komposition ist symmetrisch angelegt, zu den Steinen gibt es ein ungefähres Gegengewicht im Himmel, nur das schwarze Oberteil des Pfahls tanzt aus der Reihe und zerstört die Symmetrie. Da das Bild vom Inhalt her auf Harmonie abzielt, ist das der entscheidende Störfaktor.
    Den kann man entweder abschneiden, aufhellen oder den Rest des Bilds daran angleichen.

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  4. Tilman
    Tilman sagte:

    Hallo, ein tolles, interessantes Foto, Pirmin. Klasse! Genau wie Peter, habe auch ich das Gefühl, dass die Komposition verbesserungswürdig ist (am besten natürlich bei der Aufnahme). Mein Problem : der rechte Piller :-> Im oberen Teil sehr dunkel, dann ein heller Fleck, tja, auf dem bleibt mein Auge hängen. Peter’s letzter Vorschlag bügelt das aus, aber ich glaube, das kommt vor allem durch durch die übertriebene Kontrastanhebung, die den Rest des Bildes „interessanter“ machen (lol). Lange Rede, kurzer Sinn, ich hätte den rechten Piller ausgeblendet. Ich finde das Bild so harmonischer.

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  5. Chilled Cat
    Chilled Cat sagte:

    Erst mal vielen Dank an Pirmin für das eingereichte Bild und auch an Peter für die Kritik.

    Irgendwie hat es was, aber es stört mich auch etwas daran. Nach einigem Nachdenken bin ich zu einem ganz anderen Ergebnis gelangt als Peter.

    Für mich ist der Pfahl am rechten Bildrand der Showstopper. Genauer gesagt dessen obere Hälfte, die fast schwarz ist. Dadurch wird für mich das Gleichgewicht im Bild völlig durcheinandergebracht. Das ganze Bild wirkt insgesamt sehr ruhig, bedingt durch den mittigen Horizont und die mittels Langzeitbelichtung plattgebügelten Wellen. So weit ist die Welt in bester Ordnung. Mein Blick geht von oben links in das Bild hinein in Richtung Fluchtpunkt. Wenn er dort angekommen ist, dann springt mir die schwarze Ecke ins Auge und macht die Harmonie kaputt.

    Der zu dunkel geratene Pfahl am rechten Rand kann entweder durch Abwedeln oder durch allgemeines Anheben der Schatten korrigiert werden. Was in diesem Bild fast auf das gleiche herauskommt, weil der Pfahl die größte dunkle Fläche im Bild ist. Ich habe es mittels Abwedeln versucht, das Ergebnis kommt Peters Variante sehr nah.

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    • Chilled Cat
      Chilled Cat sagte:

      Ach so, das mit dem nah dran bezieht sich auf das Aufhellen des dunklen Pfahls. Im Gegensatz zu Peter habe ich das Bild nicht beschnitten. In der geometrischen Bildkomposition an sich sehe ich nämlich kein Problem.

  6. Oskar
    Oskar sagte:

    Ich finde der Autor vertritt hier zu sehr seine eigene subjektive Meinung. Das Bild ist in sich stimmig, der Ausschnitt ist gelungen, auch die Tonwerte sowie die Tiefen und Lichter.
    Wenn sich der Fotograf erst seit kurzem mit der Fotografie beschäftigt kann ich nur sagen: Hut ab.
    Dies Kritik bringt ihn in seiner Fotografie nicht weiter sondern behindert ihn eher seinen eigenen Weg zu finden.

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