Leadsänger-Actionporträt: Livebild in Studioqualität

Weil die Werbung häufig Reportage- und Streetfoto-Stil imitiert, sind wir bei derartigen Fotos Topqualität gewohnt. Umso bemerkenswerter ist es, wenn sie in einer echten Reportage-Situation glücken.

Leserfoto: Klick für Vollansicht (© Stephan Amm).

Kommentar des Fotografen:

Ein Konzertphoto, welches ich mit einer klassischen Reportagebrennweite (35mm) gemacht habe. Die Nähe war natürlich nur möglich durch die geringen Bekanntheitsgrad der Band.

Peter Sennhauser meint zum Bild von Stephan Amm:

Nah-Porträt eines Leadsängers, dem Stil der Aufnahme nach zu schliessen einer Rock`n Roll-Band. Die Schwarz-Weiss-Aufnahme zeigt Hand und Mikrofon und das Gesicht des Stars, der mit gläsernem Blick in seinen Liedtext versunken scheint, in einer Mischung aus hartem Gegenlicht und indirekter Beleuchtung von rechts unten.

Wieder ein Bild, zu dem ich gratulieren möchte – diese Aufnahme ist sowohl in der Komposition – die bei Reportage-Bildern ja nicht bis ins Detail geplant werden kann – als auch in der technischen Umsetzung ausserordentlich geglückt.

Da ist zunächst das Motiv selber:

Von einem Sänger einer Band möchte ich entweder die gesamte Haltung, seine Bühnenpräsenz und seinen Ausdruck sehen oder aber sein Gesicht, seine Konzentration, seine Hingabe an die Kunst. Hier ist das zweite beabsichtigt und gelungen: Der Mann ist in seine Musik abgetaucht und nimmt auch den Fotografen nicht wahr, der ihm dicht auf die Pelle rückt; er konzentriert sich auf seinen Song, er neigt sich dem Mikrofon zu und lässt den Blick – sehr schön erfasst in diesem Glanz im linken Auge – in die Ferne schweifen.

Das Motiv selber verfügt über alle Attribute, die wir brauchen, um die Szene und die Stimmung zu erkennen: Scheinwerferlicht, ein nostalgisches Mikrofon, ein Sänger mit Koteletten im kariertem Flanell-Hemd. Die Hinweise sind dabei unaufdringlich und natürlich im Bild verfügbar, sie können vom Betrachter entdeckt und als Symbole einer Zeit und eines Stils erkannt werden, die noch dazu durch die körnige Umsetzung in Schwarz-Weiss mit einem Hauch Nostalgie versehen werden.

Du hast in der Bühnensituation mit weit offener Blende arbeiten müssen und den Fokuspunkt exakt richtig etwas vor dem linken Auge gesetzt, so dass die uns zugewandte Hälfte des Gesichts scharf ist, aber auch das Mikrofon – ein wichtiger Bestandteil der Komposition und der Aussage dieser Aufnahme – noch annehmbar scharf ist.

Das Licht ist hier ein absoluter Glücksfall. Du hast auf der einen Seite gerade genügend Gegenlicht, dass sich die Konturen des Gesichts, aber auch des Mikrofons gegen den dunkleren Hintergrund abheben, aber zugleich eine indirekte Beleuchtung ungefähr aus der Richtung rechts unten von deinem Standort, welche dem Motiv Zeichnung verleiht und wiederum Mikrofon und Gesicht im exakt richtigen Mass beleuchten. Eine ähnliche Beleuchtung von rechts oben hätte das Gesicht in Schatten gelegt und nicht mehr funktioniert.

Diese Fotografie profitiert von einer Beleuchtung, man sie im Studio zur Simulation einer Livesituation anlegen könnte. Buchstäbliche Highlights sind die Glanzlichter auf dem Mikrofon und wie erwähnt das Spitzlicht im Auge des Sängers.

In einer perfekten Welt – oder bei einem gestellten Studio-Bild – wäre vielleicht die linke Wange im Licht nicht ausgebrannt, aber bei einer Live-Aufnahme kann man argumentieren, dass kleine Imperfektionen die Authentizität unterstützen und den Eindruck des Bildes vom „alles stimmt“-Werbe-Glamour abgrenzen.

Ich frage mich einzig, ob der Gesamteindruck mit einem leichten Bildschnitt oben und rechts – vielleicht Ohr und Frisur inklusive Lensflare-Ringe – die Intensität und die Nähe noch verstärkt werden könnte.

Auf jeden Fall ist das ein beeindruckendes Bild, an dem Du Spass haben und das Du für den Fall sehr sorgfältig aufbewahren solltest, dass die Jungs demnächst berühmt werden.

In der Rubrik “Bildkritik” analysieren Profi-Fotografen im Auftrag von fokussiert.com montags bis freitags jeweils ein Foto aus der Leserschaft.
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