Leserbilder in der Profi-Kritik: Gedrehte Grafik

Ein immer wieder lohnendes, wenn auch nicht immer dankbares Motiv ist der Himmel mit seiner Struktur der Wolken. Aber auch durch rein gestalterische Elemente kann ein Bild interessant werden und durch Farbstimmungen Gefühle vermitteln.

Manuela Derschang
Leserfoto: Klick für Vollansicht (© Manuela Derschang). Canon EOS 400D – 1/1600s – f/11 – 400 ISO – 50mm

Kommentar der Fotografin:

Ein Motiv, an dem ich mich immer wieder versuche, ist der Himmel. Ich mag Bilder, bei denen Wolken und Sonne ein wenig dramatisch und kontrastreich dargestellt sind. All zu oft sind meine Aufnahmen jedoch überbelichtet, oder die Wolken verschwimmen ohne jeglichen Kontrast. Diese Aufnahme hier habe ich bei einem Spaziergang in Spicheren/Frankreich aufgenommen:

Ich wollte den Himmel in seinen unterschiedlichen Farben an einem kalten Winternachmittag festhalten.

Mich würde interessieren, was ein Profi dazu sagt. Eure Aktion, Bilder zu bewerten und aufzuzeigen, wie man es besser machen könnte, finde ich sehr gut. Für mich hat das mehr Lerneffekt als die langweilige Theorie in so manchem Buch.

Profi Thomas Rathay meint zum Bild von Manuela Derschang:

Das Bild fällt gleich wegen seiner strukturierten Klarheit auf. Eine große, relativ homogene Fläche und davor eine fast grafisch anmutende Laterne. Diese wirkt im Gegenlicht fast scherenschnittartig, nur im Gehäuse ist das Hell des Himmels zu sehen.

Womit ich einen der verbesserungswürdigen Punkte schon ansprechen möchte: Wäre die Beleuchtung in der Lampe angeschaltet gewesen, gebe dies dem ganzen noch einen kleinen Touch mehr Spannung. Manuela, du hättest dafür sicher noch länger in der Kälte warten müssen, was aber auch dem Himmel einen blaueren Ton verliehen hätte, der sehr gut im Komplementärkontrast zur meist gelblich leuchtenden Glühlampe steht.

Aus den Kameradaten lese ich eine relativ hohe ISO-Zahl (400) heraus. Hattest du vielleicht kein Stativ zur Hand? Denn ein Stativ ist für Himmelbilder in der Dämmerung fast unabdingbar. Du kannst dadurch eine längere Zeit wählen, die auch dem Wolkenspiel wesentlich mehr Dramatik verleiht, da Du die Wolken regelrecht dahin ziehen siehst, bei einer Belichtungszeit jenseits des Sekundenbereiches.

Du solltest auch die Lampe drehen – ;-) OK das geht nicht, aber Deinen Standpunkt ändern, das geht leichter. Die Lampe zeigt für meine Begriffe aus dem Bild heraus. Das mag das mitteleuropäische Auge nicht so gerne, und somit finde auch ich es etwas befremdlich. Die Gestaltungslehre ist eben doch nicht zu überlisten.

Wenn du den Standpunkt schon versetzt, guck doch mal ob du vielleicht hinbekommst, dass die Sonne dann auch in den oberen rechten Bildrand gerät und damit einen guten Gegenpart zur Laterne darstellt.

Und als Letztes: Dann geraten auch die Zweige des störenden Strauches aus dem Bild, und es wird noch klarer in seiner Gestaltung:

Manuela Derschang Beispiel

Hier habe ich nur mal einen kleinen Photoshop-Bearbeitungsversuch gestartet, um meine Anmerkungen zu verdeutlichen. Ich habe den Farbton des Himmels und der Lampe etwas angeglichen, das Bild wirkt durch den gelben Schein etwas wärmer, heimeliger, zeigt allerdings nicht mehr, dass du es an einem Winterabend aufgenommen hast.

In der Rubrik «Bildkritik» analysieren Profi-Fotografen im Auftrag von fokussiert.com montags bis freitags jeweils ein Foto aus der Leserschaft.
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6 Kommentare
  1. Katharina
    Katharina sagte:

    ..und trotzdem toll, dass ihr sowas hier anbietet. :)
    ich bin wirklich schwer begeistert davon. und auch wenn ich mit diesem bild nicht einverstanden bin, ich hab schon jede menge gelernt. dankeschön!

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  2. Thomas Rathay
    Thomas Rathay sagte:

    …aber wie Katharina schon feststellte ist Fotografie Gott sei Dank noch immer sehr Geschmackssache und subjektiv. Die Gestaltungsregeln helfen nur meistens dem Betrachter sehr, das Bild oder die Idee dahinter besser zu verstehen.

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  3. Peter Sennhauser
    Peter Sennhauser sagte:

    Nun, wenn die Farbe keine Rolle spielt und das Gelb (das ich in Thomas‘ Beispiel übrigens sehr gewinnend finde) nicht erwünscht ist, wäre das Bild wohl einen Versuch in Schwarz/Weiss wert. Wenn ich die beiden Bilder nebeneinander betrachte, „funktioniert“ allerdings die manipulierte Version eindeutig besser. „Zu oft gesehen“ ist zwar vielleicht richtig, aber das gilt generell für jeden goldenen Schnitt – und er fühlt sich trotzdem immer noch am besten an…

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  4. Katharina
    Katharina sagte:

    Ich weiss ja nicht…
    Gerade dass die Lampe aus dem Bild rauszeigt, hat für mich etwas angenehm Beunruhigendes / Irritierendes und daher Spannendes, das meinen Blick an dem Bild kleben lässt. Das bearbeitete Bild wirkt auf mich irgendwie zu harmonisch, zu oft gesehen.. (Liegt vll auch an dem orangen Licht, dass sich im Himmel wiederfindet. Eine neonweisse Lampe hätte evtl auch was gehabt.) Das ist meine Meinung. Aber wahrscheinlich ist das auch Geschmackssache…

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  5. Peter Sennhauser
    Peter Sennhauser sagte:

    Nicolas, man darf bei unseren Beispielen nicht vergessen, dass sie auf Basis eines 1000 Pixel breiten JPG entstehen und nur als grobe Beispiele dienen können. Hätte Thomas Rathay das ursprüngliche RAW-Bild gehabt, würde das Resultat wohl ganz anders aussehen.

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