Leserbilder in der Profi-Kritik: S/W – Form, Tonwert und Fläche

Schwarz-Weiss-Fotografie kann Dramatik vorspiegeln, wo keine ist – oder bewusst zur Betonung von Elementen eingesetzt werden, die in Farbe untergehen. Der Blickwinkel dieses Bildes ist fast klassisch Bauhaus.

Chikatze
Leserfoto: Klick für Vollansicht (© Chikatze**). – Leider keine Exif-Daten vorhanden

Kommentar des Fotografen:

„Gehry-Haus“ Nikon D50 | 31.März 2007 | Düsseldorf Medienhafen ISO 200 | 55 mm | f/8,0 | 1/25 Sek.

Profi Douglas Abuelo meint zum Bild von Chikatze**:

Dies ist die Sorte Foto, die so gut wie jeder, der je eine Kamera in der Hand hatte, schon ein mal gemacht hat. Der Inhalt des Bildes ist nicht wirklich das Wichtige:

Es sind die Formen, Farbtöne, Oberflächen und Muster, auf die sich der Fotograf konzentrierte. Ich weiß nicht, welchen Farbton das Gebäude hat, aber ich glaube, es war eine gute Entscheidung, dass der Fotograf schwarz-weiß wählte. Manchmal sind Schwarz-Weißbilder als Anachronismus oder „Stütze“ verschrien, denn die Technik kann ein Bild mit einer Dramatik versehen, wo eigentlich keine ist, und ein in Grunde langweiliges Foto interessant erscheinen lassen. Aber auch für schwarz-weiß gibt es den richtigen Ort und die richtige Zeit, und ich finde, hier stimmt beides.

Indem dem Bild seine Farben entzogen werden, nimmt schwarz-weiß die Realität des Alltags aus ihm heraus, und hebt die anderen Elemente wie die Formen, Töne usw., hervor. Hier lässt uns das Monochrome uns auf das Muster der quadratischen Fenster, die Kurven, Linien und die Glätte konzentrieren.

Ein anderes interessantes Element dieses Bildes ist der Blickwinkel, aus dem es aufgenommen wurde. Die Art, wie es von unten in einer Nahaufnahme gemacht wurde, ist einem Stil ähnlich, der Anfang des 20. Jahrhunderts zunächst unter Fotografen der russischen Avantgarde, später dann auch am Bauhaus populär war: Sie nutzten ihre Kameras, um die Welt in einer neuen, weniger traditionellen Art zu interpretieren, die in der damaligen Politik und dem Zeitgeist wurzelte.

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Ich glaube, das Bild könnte interessanter und moderner sein, indem der Kontrast erhöht und ausgewählte Bereiche des Himmels nachbelichtet und aufgehellt werden, wie im Beispiel gezeigt wird: Mit Hilfe der Photoshop-Tonwertkorrektur wurde der Kontrast erhöht und der Himmel mit dem Nachbelichtungswerkzeug verdunkelt. Das Abwedlerwerkzeug wurde zur Aufhellung der hellsten Himmelsstelle verwendet. Damit kann ein 08/15-Foto in ein Aufsehen erregendes Foto verwandelt werden.

Diese Interpretation beschreibt die Dinge natürlich wie ich sie sehe. Das ist eine Sache des Geschmacks und damit subjektiv. Aber auch darin liegt ein Reiz der Fotografie: Dass man ein Bild der Welt kreieren kann, wie man sie siehst.

Die Veränderungen, die ich vorgenommen habe, sind alles einfach Dinge, die auch in einer traditionellen chemischen Dunkelkammer hätten gemacht werden können. In der digitalen Dunkelkammer gibt es praktisch unbegrenzte Möglichkeiten der Bildbearbeitung. Hast Du keine Gelegenheit, Photoshop zu nutzen, ist «Gimp« eine gute Wahl. Es ist kostenlos im Internet zu finden.

**Anmerkung der Redaktion: Wir machen hier eine einmalige Ausnahme und publizieren dieses Bild unter dem Pseudonym des Fotografen. Grundsätzlich stimmen die Teilnehmer aber zu, die Bilder unter vollem Namen zu publizieren.

In der Rubrik «Bildkritik» analysieren Profi-Fotografen im Auftrag von fokussiert.com montags bis freitags jeweils ein Foto aus der Leserschaft.
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2 Kommentare
  1. Chikatze
    Chikatze sagte:

    Vielen Dank für die Kritik.
    Der Vorschlag mit dem Himmel ist sehr gut. Der war leider an dem Tag etwas langweilig. Man könnte natürlich auch mit PS einen „dramatischen“ Himmel hinter das Haus legen, um das Bild spannender zu machen.
    Aber so gut kenne ich mich da leider (noch) nicht aus.
    Dieses Gehry-Haus ist in „natura“ übrigens silberfarben- um die Frage danach zu beantworten.
    Soweit ich mich erinnere, habe ich bei dem Bild den Kontrast schon erhöht… das war dann wohl noch nicht genug.
    Vielen Dank, daß Ihr mein Bild ausgewählt habt. Ich finde die Aktion sehr gut und lehrreich.
    Danke auch dafür, daß Ihr meinen Wunsch nach Verwendung des Pseudonyms nachgekommen seid!!

    Antworten

Trackbacks & Pingbacks

  1. […] Da freue ich mich. Auf dem “Fokussiert” Blog gibt es die Möglichkeit, seine Bilder einzureichen. Die wählen dann einzelne Bilder aus und veröffentlichen dazu eine Profikritik. Gute Sache. Ich habe mein Gehry-Haus eingereicht und bin mit der Kritik sehr zufrieden. Aber lest selbst. […]

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