Leserfoto – «Ain’t No Grave»: Inspiration und Ausführung

Die Nachbearbeitung ist entscheidend dafür, wie ein Bild auf andere wirkt.

(c) Ekhard Eitel

Dornum (Ostfriesland), die Sammlung ausrangierter Grabkreuze unter der Friedhofslinde erinnert mich an einen Song. „There ain’t no grave can hold my body down“, von Johnny Cash.
Wunderbares Licht! Werde versuchen die Modulation von Licht und Schatten in einer Belichtungsreihe festzuhalten.
Über meinen Kopfhörer läuft „Ain´t no grave“.
Kameradaten: Sony SLT-A-77V; ISO 100; 35 mm; f/6,3; 1/200 sec; plus 2 EV/minus 2 EV. Die Bildbearbeitung erfolgt mit Lightroom, HDR Efex Pro und Photoshop. Um einen weicheren Look zu erzielen, kopiere ich ganz zum Schluß die fertige Ebene und bearbeite diese mit dem Gaußschen Weichzeichner bei etwa 25px und reduziere anschließend bei dieser Ebenenkopie die Deckkraft auf etwa 20%.
(Edit: Bei der Auswahl der Bildkategorie im Formular tue ich mir schwer. Vermisse HDR.)

Der von Dir angesprochene Johnny Cash Song ist eines meiner Lieblingslieder seinerseits, unter anderem, weil er es mit leicht brüchiger Stimme singt – er klingt, als säße ihm der Tod bereits im Nacken. Soweit ich weiß, hat er das Lied sehr kurz vor seinem Tod 2003 aufgenommen, es wurde allerdings erst ein paar Jahre später mit anderen auf einem posthum veröffentlichten Album („American VI: Ain’t No Grave“) auf den Markt gebracht. Insofern eine naheliegende Inspiration für den Titel Deines Bildes.

Wenn man die Aufnahme genauer betrachtet, stellt man fest, daß alles aus dem Goldenen Schnitt (rosa)/Dritteln (grün) heraus verschoben ist:

Goldener Schnitt/Drittelregel

Dieser Regelbruch funktioniert hier, denn das Chaotische der Anordnung der alten Grabsteine wird dadurch visuell unterstützt. Hättest Du nach Goldenem Schnitt fotografiert, wäre die Komposition auch weniger kompakt geworden, das Bild hätte seine Wirkung verloren. Daß das Foto unmerklich nach rechts kippt, kann leicht korrigiert werden und fällt kaum auf.

Der Baum rechts nimmt etwa ein Drittel des Bildes ein, rahmt jedoch die Kreuze so ein, daß er ein wesentlicher Bestandteil der Komposition ist.

Vergleichsfoto

Vergleichsfoto

Man kann das Foto nicht beschneiden, ohne dem ganzen seine Wirkung zu nehmen. Die Grabsteine stützen sich an ihn, er hat schützend seine Äste über ihnen ausgebreitet, und so wie sich das Licht auf ihm fängt, trägt er zur Stimmung im Bild bei. Er hat sie gewissermaßen im Arm und steht bildlich für die Mutter/den Vater in „Ain’t No Grave“; hier ist der Ort der letzten Ruhe, wenn auch die Grabsteine ihren Platz auf den Gräbern verloren haben, die damit verbundenen Toten also auch.

Ein insgesamt kompositionell gelungenes Foto mit schöner Lichtstimmung, dessen Motiv mich auch gereizt hätte.

Worauf ich näher eingehen möchte ist die Wahl der Nachbearbeitung. Im Sinne vollkommener Offenheit: ich bin kein besonderer Freund von HDR, habe aber hier versucht nachzuvollziehen, was Dich dazu bewogen haben mag, an diesem Bild so sehr zu drehen, daß es jetzt wie eine Pastellzeichnung aussieht. Das Endergebnis geht selbst über übliche HDRs hinaus.

Wenn man davon ausgeht, daß die Lichtverhältnisse ideal waren und damit am Ausgangsbild nicht mehr zu tun war, als vielleicht Weißabgleich und/oder Farbgebung zu korrigieren, war die Entscheidung für HDR (HDR Efex Pro simuliert HDR, es erzeugt kein HDR im eigentlichen Sinne) und alles, was danach kam, Deine persönliche. Was Du mit Deinen Fotos in der Nachbearbeitung machst, ist grundsätzlich Dir überlassen; es ist irgendwo Geschmackssache. Ich persönlich bin Minimalist, weil ich der Auffassung bin, daß übermäßiges Drehen an Bildern gute nicht besser, schlechte nicht gut macht.

Meines Erachtens war das, was Du mit der Aufnahme gemacht hast, des Guten etwas zuviel – das Foto ist gut genug, es braucht diese Effekte nicht. Oft greifen wir zu diesen Mitteln, um aus etwas, das für uns „nur“ wie ein dokumentarischer Schnappschuß aussieht, „Kunst“ zu machen. Du erzählst hier eine Geschichte; es steckt soviel in Deinem Bild, was man entdecken kann, was über das Gesehene hinausgeht. Doch die Effekte, mit denen es versehen wurde, lenken unnötig davon ab.

Wenn Johnny Cash auch Deine Inspiration für den Titel gewesen sein mag, der „Mann in Schwarz“, und sein düsteres Lied, das von Tod und Auferstehung handelt – das Ergebnis könnte von ihm nicht weiter entfernt sein.

 

5 Kommentare
  1. Ekhard Eitel
    Ekhard Eitel sagte:

    Hallo Sofie,
    zuerst einmal vielen Dank für Deine Rückmeldung zu meinem Bild. Bitte entschuldige die etwas verspätete Rückmeldung. Doch leider bekam ich keine Info, dass mein Foto für die Bildkritik ausgewählt wurde.
    Durch Zufall bin ich auf die Seite/den Blog hier gestoßen und ich bin sehr dankbar über die praktischen Anregungen vor allem auch über die Bildkritiken. Deswegen habe ich auch eines meiner Contestbilder eingereicht, einfach mal um eure Meinung zu hören. Denn durch Bestätigung, Kritik und Rückmeldung lernen wir – gerade beim Fotografieren. Deswegen sind mir Seiten wie http://www.photosig.com, http://www.psd-tutorials.de und jetzt auch nach meiner aktuellen Entdeckung: http://www.fokussiert.com wichtig.
    Seit einiger Zeit nehme ich an den Contests von psd-tutorials teil. Obiges Bild ist auch für einen HDR-Contest entstanden. Dies war auch meine Motivation, das für diesen Contest passende Motiv mit dieser Technik aufzunehmen. Dem Dynamikumfang dieser Licht-Situation wäre wohl auch eine einzelne Raw-Aufnahme gerecht geworden.
    Zur Bearbeitung: HDR Efex Pro ist wohl eine HDR Software, die ein Tonemapping erstellt. In dem Fall wurde auch eine Belichtungsreihe +/- 2 EV verwendet. Also keine Simualtion. Im Gegensatz zu Dir bin ich ein Freund von HDR. Aber bitte nicht in Bonbonfarben, mit gruseligen Wolken, Halos und CAs! Und vor allem wirklich auch nur, wenn es der Dynamikumfang notwendig macht (gebe zu, hier war es nicht der Fall ;-) ). Aufgewachsen zu analogen Zeiten, bringt diese Technik für mich etwas von dem Zauber des „Entstehens eines fertigen Bildes zu Filmzeiten“ zurück. Will sagen, bei einer Belichtungsreihe für ein HDR sehe ich das fertige Bild nicht am Kameradisplay ich muss es entwickeln/tonemappen…..
    Das „weit über ein übliches HDR Hinausgehen“/der pastellartige Look ist vor allem der Ebene mit dem Gaußschen Weichzeichner geschuldet. Ein gerne praktizierter Look / Finishing bei HDR von Scott Kelby. Eine gewisse „Infizierung“ von Photoshoptechniken/Looks von Calvin Holywood, Pavel Kaplun, Uli Staiger etc. mag ich bei mir schon verzeichnen. Gerade deswegen ist mir auch wichtig die Meinung von Dir / von fokussiert.com als Rückmeldung zu erhalten, bzw. bei übrigen Bildkritiken und Beiträgen zu verfolgen. Psd-tutorials kommt hier doch mehr von Seiten Photoshop und Bildbearbeitung.
    Macht weiter so, eine qualitativ sehr hochwertige Seite! Besten Dank.
    Herzliche Grüße Ekhard

    Antworten
    • Sofie Dittmann
      Sofie Dittmann sagte:

      Hey, es gibt ja keine Rückmeldefrist hier. Manchmal höre ich auch garnichts von den Fotografen, die besprochen werden. Was geboten wird von unserer Seite aus ist immer eine persönliche Auffassung, und ich sehe es genauso wie Du: ohne Feedback kein Lernen.

      Was Photomatix vs. HDR Efex Pro angeht (ich habe beides), ist es für mich nicht vollständig vergleichbar. Ersteres ist eine eigenständige Software, letzteres ein Plugin für Photoshop. Bei letzterem kann ich zwar auch via einem weiteren Plugin für Bridge mehrere Belichtungsvarianten einbinden, soweit ich weiß, aber ich kann auch nur ein Bild bearbeiten und einen der vielen HDR-Filter darüberlegen. Letztlich ist es aber egal und soll hier nicht zum Diskussionspunkt werden und vom Foto ablenken.

      LG,

      Sofie

  2. Stefan
    Stefan sagte:

    Ich kann mich Sofie nur anschließen: ein tolles Motiv, das sehr ansprechend als Foto komponiert wurde. Aber auch mir ist die Bearbeitung zu extrem und, wie ich finde, der Atmosphäre des Fotos nicht förderlich. Mich würde an dieser Stelle sehr das Originalbild interessieren. So wie ich es verstanden habe, ist die Belichtungsreihe entstanden, um den hohen Dynamikumfang der Szene entsprechend einfangen zu können. Ich finde, das wäre hier gar nicht nötig gewesen, denn gerade die eine oder andere dunkle Ecke hätte dem Bild vielleicht sogar gut getan.

    Antworten
    • Sofie Dittmann
      Sofie Dittmann sagte:

      Wie ich es lese, war es HDR „hoch zwei“, erst Belichtungsreihe etc., dann nochmal HDR Efex Pro hinterhergeschoben. :)

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