Leserfoto – „An der Tränke“: Übung macht den Meister

Makrofotos brauchen Übung – und die richtige Ausrüstung.

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(c) Jürgen Huber

Nach dem Regen ist Trinken angesagt, auch bei den Kleinsten. Beim Gang durch den heimischen Garten sind mir die perlenden Regentropfen auf den Gräsern aufgefallen, die bei entsprechendem Licht wie Lupen wirken und die Fasern des Grasblattes vergrößert wiedergeben. Während ich versucht habe, die Wassertropfen ausreichend scharf zu fokussieren ist diese kleine Ameise ins Bild gelaufen. In einer Serie von 8 Bildern ist dieses Foto das am besten fokussierte, zumal die Schärfentiefe nur wenige Millimeter beträgt.

Aufgenommen habe ich das Bild vor wenigen Tagen mit einer EOS 60D (F 5,6 ; 1/250; ISO 160; 135 mm Brennweite, entspr. 216 mm bei KB) im Format 3:2 und leicht ausschnittvergrößert. Jürgen Huber

„Makro“ ist eines dieser Fotogenres, wofür man tatsächlich spezielle Ausrüstung braucht – und viel Übung. Es hört sich zwar einfach an, einer Fliege eine Kamera ins Gesicht zu halten, aber aufgrund der technischen Grenzen der Fotografie muß man sich im klaren sein, welche Punkte man für eine erfolgreiche Makroaufnahme beachten sollte, BEVOR man auf den Auslöser drückt. Ob man schlußendlich Wassertropfen, Ameisen, oder beides fotografiert, spielt dabei grundsätzlich keine Rolle.

Mir hat gefallen, daß Dir zunächst nur die Tropfen auffielen – gute Motive sind überall zu finden, man muß nur ein Auge dafür haben. Daß noch die Ameise dazu kam, war vielleicht Zufall, aber geübte Makrofotografen zeichnen sich unter anderem dadurch aus, daß sie ihre „Modelle“ zum Teil über lange Zeit verfolgen und sich am Tag eine Zeit aussuchen, wo sie eher still sitzen (bei Schmetterlingen beispielsweise ist das später Nachmittag). Will sagen, sie kennen das Verhalten ihrer Subjekte, wenn sie Insekten fotografieren, und beziehen es in ihre Bildplanung mit ein.

Im folgenden möchte ich Dir einen kurzen Abriß dessen geben, was erfolgreiche Makrofotografie ausmacht, bezogen auf Deine Aufnahme. Er ist nicht als Mini-Tutorium gedacht, dafür gibt es überall im Netz genügend Anregungen.

1. Objektiv und Kamera

Makroobjektiv, Objektivverlängerungen oder Adapterring

Ein gutes Makrofoto füllt den Bildrahmen voll aus, und einfach(st)e Kompositionen sind die besseren, weil man sich als Betrachter so auf die Heuschrecke oder den Wassertropfen oder das Blütenblatt konzentrieren kann, denn darum macht sich der Fotograf ja die ganze Arbeit.

Die Art der Kamera ist weniger wichtig als das, was ihre technischen Möglichkeiten sind; es gibt Kompaktkameras, mit denen man sehr gute Makroaufnahmen machen kann. Deine 60D ist eine gute DSLR mit einem Formatfaktor von 1.6, die dem Fotografen viele Möglichkeiten bietet. Dein verwendetes Objektiv wird gerne als „Kit“ mitverkauft.

Es ist auch in diesem Fall wichtig, seine Kamera technisch im Griff zu haben, denn es empfiehlt sich, im Manuellmodus zu fotografieren. Laut EXIF hast Du aber irgendeine Art von Automatik gewählt gehabt, was dazu führte, daß die Kamera für Dich die kritischen Entscheidungen traf (siehe auch unten unter 2.).

Für Makrofotografie gibt es mehrere Möglichkeiten, was die Objektivwahl angeht. Man kann mit einem dedizierten Makroobjektiv arbeiten (was für ein wirklich gutes ins Geld gehen kann), oder man kann Objektivverlängerungen benutzen. Weiterhin gibt es auch die Möglichkeit, zwei Objektive mit fester Brennweite per Adapterring zu verbinden.

Das von Dir benutzte EF-S18-135mm f/3.5-5.6 IS ist meines Wissens ein solides Allround-Objektiv, aber kein spezifisches Makro. Wenn Du Dich weiterhin der Makrofotografie widmen möchtest, würde ich Dir vorschlagen, entweder in eine richtige Makrolinse zu investieren, oder die erwähnten Alternativen zu erkunden.

2. Aufnahmeeinstellungen

Kleiner ISO, kleine Blende, Manuellmodus

Wie oben erwähnt, sollte man mit manuell gewählten Einstellungen fotografieren, denn die Herausforderungen der Makrofotografie sind dergestalt, daß man der Kamera diese Entscheidungen nicht überlassen kann. Ob man mit Objektivverlängerungen oder dediziertem Makroobjektiv arbeitet – je größer die Blende, desto weiter verringert sich die eh schon geringe Schärfentiefe. Es gilt daher, mit möglichst kleiner Blende zu arbeiten. Da dieses jedoch die Verschlußzeiten wesentlich verlängert, empfiehlt es sich, ein Stativ zu benutzen.

Du hast dieses Bild „frei Hand“ fotografiert und warst so nahe an Deinem Motiv, wie es Dir Dein Objektiv erlaubt hat. Dein ISO war 160 – wenn ich auch für diese Art Aufnahme ISO 100 empfehlen würde, fallen die Unterschiede bei modernen DSLRs nicht mehr so ins Gewicht. Allerdings hattest Du auch eine weit offene Blende gewählt, so daß Deine Schärfentiefe nur ein paar Millimeter betrug. (Vielfach sieht man aus diesem Grund bei extremen Makroaufnahmen Beispiele, die aus mehreren zusammengesetzt sind – Du machst mehrere Bilder, die auf unterschiedliche Punkte fokussiert sind, und setzt sie später in der Nachbearbeitung zusammen.)

Das alles in Kombination mit Deinem Objektiv gibt Dir ein Bild wie das vorliegende: unscharf, nicht genügend Detail im Foto, nicht nah genug am Motiv – was mich zu meinem nächsten Punkt bringt:

3. Komposition

Einfach, rahmenfüllend

Wie oben erwähnt sind die besten Kompositionen in der Makrofotografie die einfach(st)en. Du begibst Dich in eine Welt, die das menschliche Auge so nicht sieht, und Insekten in ihrer natürlichen Umgebung oder Details von Blumen sind so komplex und faszinierend, daß man die Aufnahme mit zuvielen Elementen leicht kaputt machen kann.

Weil aber auch das Gezeigte in der Natur so klein ist, sollte man den Bildrahmen möglichst optimal füllen. Kompositionsmängel fallen sofort auf.

Du hast die Ameise und Tropfen entlang einer Linie mit etwa 20 Grad Steigung angeordnet (gelb), was Dynamik ins Bild bringt und den Blick durch die Aufnahme leitet.

Vergleichsfoto

Die Ameise ist so quasi im linken Drittel (gelb), die Tropfen so quasi im Goldenen Schnitt (rosa).

Goldener Schnitt/Drittel

Unmittelbar vor der Ameise und nur ein paar Millimeter hinter ihr ist die Szene verschwommen. Allerdings nehmen Insekt und Tropfen nur einen extrem kleinen Teil Deines Bildes ein, weil Du eben nicht nahe genug dran warst. Ich würde aus diesen Gründen das Foto beschneiden. Man kann an einen 6:4, 16:9 oder 3:2 Beschnitt denken:

6:4 Beschnitt

 

16:9 Beschnitt

 

3:2 Beschnitt

Weil Du ursprünglich im Format 3:2 fotografiert hast, habe ich mich hierfür entschieden und die Aufnahme entsprechend beschnitten:

Bild, beschnitten

Die Komposition verdichtet sich dadurch wesentlich, die Elemente sind aber noch genauso angeordnet. Allerdings fallen die technischen Mängel des Fotos umso drastischer auf.

4. Nachbearbeitung

Lebendige Farben, guter Kontrast, korrekter Weißabgleich

Wenn auch die technischen Mängel im Nachhinein nicht mehr zu beheben sind, hätte man an diesem Bild noch etwas „drehen“ können. Der Weißabgleich stimmt, aber es ist mir zu dunkel, zu blaß. Naturfotos leben von Farben, Formen und Texturen. Hier bekomme ich nichts davon geboten. Wie schon anderweitig diskutiert ist es dem Betrachter egal, wie die Szene tatsächlich aussah – ich war ja nicht dabei – sondern ich sehe nur, was Du mir zeigst. Du „verkaufst“ mir die Illusion dessen, was Du gesehen hast. Was Du mir hier zeigst, ist eben zu dunkel und zu blaß.

5. Fazit

Du hast mit Deiner Motivwahl gezeigt, daß Du ein gutes Auge hast. Die technischen Aspekte von Makrofotografie sind erlernbar und leicht zu korrigieren. Ich würde anregen, das Thema noch einmal mit veränderter Konfiguration aufzugreifen und verbesserte Ergebnisse hier einzureichen.

 

7 Kommentare
  1. Jürgen Huber
    Jürgen Huber sagte:

    Hallo Sophie,

    danke für die ausführliche, deutliche, aber vor allem konstruktive Kritik. In der Tat treffen die Kritikpunkte zu. Dieses Bild war mein erster Versuch, meine neue Kamera im Nahbereich einzusetzen und auszuloten, wo dort die Grenzen liegen. Echte Makrofotografie mit bis zu 1:1 Abbildung erfordert natürlich anderes Equipment, aber das war (zumindest in diesem Moment) nicht mein Anspruch. Sicher, dieses Motiv eignet sich hervorragend für Makrobilder und Du nutzt zu Recht die Gelegenheit, das Thema Makrofotografie an diesem Beispiel zu vertiefen. Deine grundsätzlichen Anmerkungen geben mir eine prima Basis für weitere Versuche, denn, wie Du in der Überschrift meinst, Übung macht den Meister (bzgl. Makrofotografie bin ich wirklich aus der Übung; die letzten Makrobilder lagen viele Jahre zurück und waren noch analog mit einem 100mm FD Makro 1:4 SC + Extension Tube von Canon).
    Viele Grüsse
    Jürgen

    Antworten
    • Sofie Dittmann
      Sofie Dittmann sagte:

      Hey, konstruktiv muß schon sein – denn wer ist nach einem Verriß noch motiviert? Ich bin ja auch nicht unfehlbar, und wenn kein Lerneffekt dabei ist, bringt es doch nichts. Und ich kann mir vorstellen, daß Du bei Deinem Auge mit der richtigen Ausrüstung richtig tolle Aufnahmen produzierst. Ich freue mich bereits auf entsprechende Einreichungen! :)

  2. Chilled Cat
    Chilled Cat sagte:

    Ich stimme voll zu, das interessante Motiv hat Jürgen gut erkannt.

    Zum Thema ISO klein und Blende zu möchte ich anmerken, dass dadurch im Makrobereich sehr schnell das Licht knapp wird. Entweder wird die Belichtungszeit sehr lang oder es muss selbst mit Licht nachgeholfen werden.

    Der von Sophie vorgeschlagene Beschnitt dürfte bei APS-C (22,3 mm × 14,9 mm) ungefähr auf einen Maßstab 1:1 hinauslaufen. Ohne Makroausrüstung kommt man da einfach nicht hin.

    Antworten
  3. Heiko
    Heiko sagte:

    Hallo Jürgen,

    bevor ich anfange, die Kritik zu lesen, schaue ich mir immer erst das eingereichte Bild an, um mir einen eigenen Eindruck zu verschaffen. Mir hat Deines gefallen.

    Trotzdem konnte ich alle Punkte von Sofie sehr gut nachvollziehen. Und an dieser Stelle Dir, Sofie, vielen Dank für die tolle Kritik. Auch wenn Du schreibst, dass es eigentlich kein Tutorium werden sollte, finde ich es eine prima Quintessenz zum Thema Makrofotografie.

    Viele Grüße
    Heiko

    Antworten
  4. Borg Enders
    Borg Enders sagte:

    Hallo Sofie,
    eine kurze Anmerkung des (altklugen) Mathematikers.
    6:4 und 3:2 sind eigentlich das selbe.
    Seitenverhältnis lang zu kurz ist in beiden 1.5.

    MFG Borg

    Antworten
    • Sofie Dittmann
      Sofie Dittmann sagte:

      Jajaja, einfach eine 2 rauskürzen… Was mir vorschwebte, war wahrscheinlich nur 4:3, dann kam ein Anflug von Aufmerksamkeitsschwäche.

    • Sofie Dittmann
      Sofie Dittmann sagte:

      My bad. Ich nehm das jetzt aber nicht mehr raus – da haben dann die anderen auch noch etwas zu schmunzeln… :)

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