Leserfoto – „Das steinerne Böse“: Farbe und Kontrast

Wann und wie sollte man nachbearbeiten?

(c) Moritz Griebl
Dieses Foto ist auf einer Reise durch Albanien im Jahr 2013 entstanden. Mitten in der Hauptstadt Tirana leiß sich der ehemalige Diktator Enver Hoxa eine Art Pyramide bauen, um sich dort ein Denkmal zu setzen. Nach dem zusammenbruch des Ostblocks eroberte sich das Volk diesen Ort zurück und es wurden Technopartys in der Pyramide gefeiert. Jetzt steht es wei eine Art Mahnmal in der Stadt und erinnert an die Schreckensherrschaft. Etwas ähnliches wollte ich auch mit diesem Bild ausdrücken, bei dem einem dieses grausige Gesicht aus Stein direkt anblickt.

Vor ein paar Jahren sind mein Sohn und ich durch Berlin gelaufen, und haben fast nichts anderes als Graffiti fotografiert. Für viele Hauseigentümer dort ist es Verschandelung ihres Eigentums, für andere Ausdruck der Volksseele – und für den Fotografen ein willkommenes Sujet fast überall in den Großstädten der Welt. Da mir visuell der Bezug zu Tirana fehlt, werde ich das Bild aufgrund dessen beurteilen, was sich mir zeigt.

Eine terrassierte Wand voller farbenfroher Graffiti. Links oben und rechts unten Büsche. Das bestimmende Element ist eine Art Teufelsgesicht, das rechts in der Mitte über die Mauer zu schauen scheint. Im Gegensatz zu den bunten Grafiken um es herum ist es fast komplett monochrom gehalten und starrt einen direkt an. Ein insgesamt interessanter Schnappschuß.

Du hast das Foto laut EXIF in Photoshop nachbearbeitet. Unter anderem hast Du eine dunkle Vignette so platziert, daß der Betrachter noch mehr auf das Gesicht gelenkt wird. Die Farben wirken allerdings auf meinem Bildschirm blasser, als sie müßten.

Der Weg zu guten Fotos führt von einem erfolgreichen Bild in der Kamera über eine erfolgreiche Nachbearbeitung – und diese ist in der Mehrheit aller Fälle notwendig. Was genau zu tun ist, bestimmt wie bei der Aufnahme der Fotograf, und es ist eine genauso folgenschwere Entscheidung wie die, wo man steht und wann man den Auslöser betätigt.

Ich lese hier oft bei Einreichungen, man habe nicht oder nur „sparsam“ nachbearbeitet – was meistens bedeutet, daß sich der/die Einreichende nicht sicher war und es vorgezogen hat, auf Nummer sicher zu gehen und – nichts zu tun. Dieses ist aber im seltendsten Fall die richtige Entscheidung, und wenn man sich auch ein Programm wie Photoshop erst leisten können muß, gibt es doch unzählige Werkzeuge wie Gimp, die nichts kosten. Ich möchte also im folgenden am Beispiel dieses Fotos erläutern, welche Gedanken man sich machen sollte, bevor man an Fotos nachträglich „dreht“.

Warum überhaupt nachbearbeiten? Die Nachbearbeitung eines Bildes sollte meines Erachtens dazu dienen, aus der Aufnahme das Optimalste herauszuholen. Will sagen, man hat die Szene eingefangen, weil einem etwas ins Auge fiel; und weil die Kamera nicht so fotografieren kann, wie das Auge sieht, gleicht man diesen Mangel nachträglich wieder aus, indem man nachbearbeitet – beispielsweise, indem man Linsenkrümmung behebt. Weiterhin sind manchmal die Bedingungen nicht optimal (zu dunkel, zu hell etc.). Nachbearbeitung ersetzt aber NICHT, wie von mir seit Jahren breitgetreten, daß man die Aufnahme so gut wie möglich vorbereitet und durchgeführt hat. Wenn man sich die Zeit nehmen kann, sollte man im Sucher kontrollieren, ob alles stimmt, bevor man auf den Auslöser drückt.

Was nachbearbeiten? In der Regel benötigen Fotos nur eine Helligkeits-, Farb-, Weißabgleich- oder Kontrastkorrektur, oder eine Kombination derselben, um sie zu optimieren. Andere Effekte sind Geschmackssache und werden daher auch auf fokussiert in den Kommentaren zum Teil lebhaft diskutiert.

Und in diesem Fall? Ein Foto wie Deines lebt von den Farben in den Graffiti. Diese sind, wie oben erwähnt, für mich zu blaß, und der Kontrast insgesamt nicht genügend. Das ist meine Entscheidung, Du hast Deine anders getroffen. Du hast Dich außerdem für eine dunkle Vignette entschieden, die ich persönlich für überflüssig halte – man wird bereits auf das Gesicht hingelenkt. Die Sträucher sumpfen durch die Vignette auch zu sehr ab; ich hätte sie weggelassen. Mit angehobener/m Farbsättigung/Kontrast und aufgehellten Rändern würde Deine Aufnahme so aussehen:

Foto mit Farb- und Kontrastkorrektur

Von der Komposition ist alles, wie es sein soll. Das Gesicht liegt im Goldenen Punkt. Vermutlich hast Du die Aufnahme beschnitten. Was Du jedoch nicht behoben hast, ist die abfallende Linie in der Mitte, die Deinem Aufnahmestandpunkt geschuldet ist. Da alles andere in parallelen und senkrechten Linien verläuft, sollte man das beheben, denn es fällt sofort auf:

Foto entzerrt

Mehr würde ich bei diesem Bild persönlich nicht tun, denn es würde nur verschlimmbessern. Man kann jedoch mit ein paar einfachen Handgriffen so aus einem blassen Schnappschuß etwas machen, was sich andere an die Wand hängen würden.

 

8 Kommentare
  1. Christian Fehse
    Christian Fehse sagte:

    Hallo Moritz,

    und der fast noch interessantere Aspekt bei meiner Bearbeitung war, das ich eine ganz andere Sicht der Szene hatte. Für mich waren es ganz klar drei hintereinanderstehende Mauern. Eine höher als die andere – ein Bollwerk. Auf der mittleren Mauer dieses verblasende Gesicht. Die Assoziation war „verfallende Abwehrmauern – der Schrecken verfällt“. Als Treppe habe ich es gar nicht wahrgenommen (und Sophie glaube ich auch nicht). Das Gesicht habe ich auch nicht als so erschreckend wahrgenommen. Durch meine Sichtweise wird das Bild dann „harmloser“. Zu Deiner Sichtweise paßt Deine Bearbeitung naturlich besser.*gg*

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    • Moritz Griebl
      Moritz Griebl sagte:

      Hey Christian, treppe ist ggf auch nicht der richtige ausdruck. Der ehemalige albanische diktator hatte sich mitten in der hauptstadt eine pyramide als mausoleum bauen lassen. Die einzelnen stufen sind also mannshoch und bilden die pyramide. Irgendwie ist deine interpretation insofern ganz passend, da sich ja tatsächlich die bevölkerung diesen ort zurückeroberte und die pyramide für techno partys nutzte. Meine interpretation der situation ist aber die, dass die bevölkerung zwar den ort für sich gewann, aber das grauen inform der pyrmide sebst und das wofür sie sinnbildlich steht, aber auch durch das gesicht das aus den wänden heraus blickt, immernoch gegenwärtig ist.

    • Christian Fehse
      Christian Fehse sagte:

      Hi Moritz, hab ich verstanden. Ich glaube auch, wenn man dort gewesen ist, kommt man eher zu Deiner Sichtweise. Ich hatte das Bild einfach nur mal auf mich wirken lasen und in 10 Minuten eine Version gebaut, die zu meinen Gedanken stimmig erschien.

    • Sofie Dittmann
      Sofie Dittmann sagte:

      An Eurer Diskussion sieht man gut, wie verschieden die Betrachter an ein und das selbe Foto herangehen können. Wie in meinem Beitrag erwähnt war ich ja auch nicht dort, und die Pyramide sieht man hier nicht wirklich. Es spricht aber für Dein Foto, daß ein durchweg ähnlicher Eindruck vermittelt wird, Pyramide/Treppe oder nicht.

  2. Moritz Griebl
    Moritz Griebl sagte:

    Hallo Christian. Danke für die weitere Version des Bildes. Mir persönlich ist es tatsächlich etwas too much. Durch die geöffneten Schatten wirkt das ganze viel flacher, eigentlich gar nicht mehr wie Stufen. Das aber ist für mich eigentlich recht wichtig, da das dem Bild zum einen Tiefe verleiht, zum anderen dem Gesicht etwas geheimnisvolles gib, wie es so über die Stufe lukt. Die warme Farbtonung nimmt zusätzlich noch den „Schrecken“ vom Bild und das Gesicht wirkt richtig harmlos.
    Trotzdem interessant zu sehen wie ein Bild völlig unterschiedliche wirkungen erziehlen kann.
    Lg

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  3. Moritz Griebl
    Moritz Griebl sagte:

    Hallo und erstmal herzlichen Dank für die Rezension und die beiden Aternativversionen des Bildes. Durch die Farb- und Kontastkorrektur wirkt das Bild wirklich sehr lebendig. Mich stört jedoch daran, dass der Rote Fleck links neben dem Hauptmotiv die Aufmerksamkeit dann zu sehr auf sich zieht. Hier würde ich noch etwas maskieren, insbesondere in der Dynamkkorrekturebene.
    Bzgl. der Vigenette gebe ich dir gerne recht, dass diese das bild nicht wirklich bereichert, sondern eher die lineare Anordnung der Gesamtkomposition behindert.
    Alles in allem möchte ich noch mal sagen, dass es mich sehr gefreut hat, dass mein Bild besprochen wurde und mir eine anderer Blick auf mein Bild ermöglicht wurde.
    Gerne würden mich noch weitere Meinungen interessieren.

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    • Sofie Dittmann
      Sofie Dittmann sagte:

      Der rote Fleck links neben dem Gesicht lenkt zwar tatsächlich erst einmal die Aufmerksamkeit auf sich, aber dann entdeckt man gleich darauf das Gesicht und bleibt daran „hängen“ – für mich ein zusätzlicher „Aha-Effekt“. Das Gesicht versteckt sich ja mehr oder weniger offen zwischen dem anderen Graffiti. Ich sehe das nicht als Nachteil und würde ihn nicht wegretouchieren oder abmildern. Er trägt meines Erachtens zum Bild entscheidend bei.

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