Leserfoto – „Herbststimmung im Shiawassee National Wildlife Park“: Bildwirkung und Motivsuche

Bildwirkung liegt im Auge des Betrachters

(c) Michael Heek

Dieses Bild entstand im Oktober letzten Jahres in Michigan / USA während einer Wanderung am späten Nachmittag. Neben dem, dass mir genügend Hirsche quasi über meinem Fuß gesprungen sind, eine Unzahl von Kanada-Gänsen beobachtet werden konnte, ergab das tiefstehende Herbstlicht einige schöne Aufnahmen. Eine von diesen stelle ich gerne der Kritik zu Verfügung.

Wir leben jetzt bereits seit fast 18 Jahren in den USA. Im Nordosten ist die schönste Zeit der sogenannte „Indian Summer“, wenn die Temperaturen tagsüber noch fast sommerlich warm sind und sich aber ob der kalten Nächte die Bäume bereits verfärbt haben. Durch den hier weit verbreiteten Mischwald bietet sich dem Auge alles von dunkelgrün bis blutrot, und für jeden Fotografen ist es ein regelrechter Festschmaus, an einem schönen Nachmittag durch den Wald zu streifen.

Zunächst einmal zu dem, was mir an Deinem Foto gefällt. Du hast hübsche Ansätze von Bokeh unten mit ins Foto gebracht. Bei einer Brennweite von 200 mm und einer Blende von f/4.5 sind die Blätter im Vordergrund schärfer und das Wasser im Hintergrund stark verschwommen. Weiterhin kommt durch das Gegenlicht das Gelb der Blätter schön zur Geltung.

Bei fokussiert bekommen wir häufig Fotos eingereicht, die für den Leser mit einem bestimmten Gefühl während einer Reise verbunden sind. Der Fotograf schaut auf die Aufnahme und wird an den Ort zurückversetzt, an dem sie entstanden ist. Der Betrachtende, der nicht dabei war und den Ort auch nicht kennt, sieht das Bild ganz anders. Er muß sich mit dem begnügen, was ihm gezeigt wird. Hier ist die Stimmung im Foto angelegt, doch es gibt sonst nichts, was es für mich als Betrachter interessant macht.

Dir sind die Tiere gewissermaßen durch die Lappen gegangen, also hast Du Dich auf die Pflanzen konzentriert. Hättest Du mir allerdings nicht gesagt, wo das Foto aufgenommen wurde, mir wären die USA nicht in den Sinn gekommen, da mir hier nichts einen Kontext bietet.

Ich sehe Blätter über einer leeren Wasserfläche. Das goldene Gelb suggeriert später Nachmittag im Herbst. Sonst ist nichts zu sehen; nichts, was mich im Foto hält. So, wie Du die Szene eingefangen hast, könnte man dem ganzen eine fast abstrakte Wirkung zusprechen – unterschiedlich breite Streifen, die horizontal über das Bild verlaufen. Man kann Natur durchaus so fotografieren – dann hättest Du aber die Linien vollkommen durchhalten müssen. Es sind jedoch links und rechts Artefakte in der Aufnahme, die ich als störend empfinde (siehe Vergleichsfoto):

Vergleichsfoto

Persönlich wäre ich an das Thema anders herangegangen. Entweder hätte ich mir die Mühe gemacht, irgendwo zu verharren, um tatsächlich ein paar der Tiere mit ins Foto zu bekommen. Du hättest auch die Blätter in Nahaufnahme im Gegenlicht fotografieren können. Weiterhin hättest Du diese Szene so festhalten können, daß sich keine Zweige links und rechts in die Aufnahme schleichen, und mehr Bokeh ins Bild kommt. Untenstehend ein paar Schnappschüsse, die ich letzten Oktober hier in der Nähe anläßlich des Worldwide Photo Walk gemacht habe, zum Vergleich (Bedford Reservation, Cleveland Metroparks, Ohio, USA). Leider kam der Indian Summer erst ein, zwei Wochen später, und auch hier waren keine Tiere vorhanden, die als Statisten hätten dienen können. Vielleicht können sie ja als Anregung dienen:

Bridal Veil Falls Eichenblätter nach Regen American Beech Tree Pilzformation

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