Leserfoto – Kinder im Feld: Ein Schritt zurück macht den Unterschied

Eine Geschichte, etwas zum Nachdenken.

solviekinder

Nach dem Toben auf dem Feld – bzw. auf den Heuballen die hier im September trocknen – waren ein paar Schnappschüsse kein Thema.

Aufgenommen mit einer Canon EOS 5D Mark III, Objektiv Sigma 24-70mm f/2.8 EX, ISO 400, 70 mmm.

Bei manchen Fotos wäre es so einfach gewesen. Nur ein Schritt zurück oder zur Seite, eine kleine Veränderung, und aus einem Schnappschuß hätte ein richtig gutes Bild werden können. Das ist auch hier der Fall.

Zunächst zu dem, was mir an Deinem Foto gefällt: Du hast Deine (?) Kinder in einer interessanten Situation fotografiert. Es wirkt spontan. Die Mädchen balancieren auf den Heuballen während der Junge im Vordergrund entspannt und in Gedanken dasitzt und scheinbar nicht wahrnimmt, daß er fotografiert wird. Du hast Dich für eine weit offene Blende entschieden, wodurch die Mädchen bei dieser Kamera und Brennweite verschwimmen. Durch diese Entscheidung konzentriert man sich auf den nachdenklichen Gesichtsausdruck des Jungen, der den Vordergrund voll dominiert. Hättest Du sie alle gleichmäßig scharf ins Visier genommen, wäre dieser Augenblick optisch verwässert worden. So versteht der Betrachter, daß es sich um eine spielerische Situation handelt, und der Junge gerade eine Auszeit nimmt.

[premiumkritik]

Daß sich auf seinem Gesicht harte Schatten befinden, stört mich hier ganz und gar nicht. Es trägt zum Charakter des Bildes bei. Auch wenn das Bild in Farbe wohl genauso gut gewirkt hätte, verleiht ihm die Schwarzweißumwandlung etwas Nostalgisches. (Mir ist nicht ganz klar, warum bei diesen Lichtverhältnissen mit ISO 400 fotografiert wurde, aber darauf will ich nicht weiter eingehen…) Auch die Tatsache, daß das Kind leicht nach rechts verschoben ist, bringt optisch etwas Dynamik ins Foto. Die Mädchen hinten laufen auf ihn zu, und so, wie sich die Kleine in der Mitte bewegt, hat man den Eindruck, als sei sie kurz davor, den Jungen hinterrücks zu drangsalieren.

Was ich allerdings zu kritisieren habe – und dadurch bleibt es eben nur ein Schnappschuß, ist die Tatsache, daß dem Jungen beide Hände amputiert wurden. Bei einem Bildbeschnitt, der durch Gelenke geht, wirkt es grundsätzlich so, als fehlte der Person ein Körperteil (etwa der Unterschied zwischen einem Dreiviertelporträt und abgehackten Füßen). Das gilt wie gesagt für Füße, und eben auch für Hände. Man kann das im vorliegenden Fall noch „retten“, indem man das Foto so kappt, daß der Beschnitt jetzt durch die Unterarme und nicht die Handgelenke verläuft (siehe Vergleichsfoto). Ich hätte allerdings vorgezogen, die Aufnahme bereits von vorneherein so anzulegen/komponieren, daß die Hände des Kindes voll mit im Bild sind.

Vergleichsfoto mit Beschnitt

Kinder zum Stillhalten zu bewegen ist oft schwierig, und bei meinem eigenen Sohn war es oft fast unmöglich. Du schreibst, sie hätten erst auf den Heuballen herumgeturnt, waren also müde. Wie schnell sich das Geschehen auch immer entwickelt, die fehlenden Hände hätten hier ohne weiteres einbezogen werden können, indem Du einen kleinen Schritt nach hinten machst. Du entscheidest, was wie mit aufs Bild kommt, und der Sucher ist Deine Leinwand. Bei manchen Aufnahmen, Streetfotos zum Beispiel, lassen sich diese Entscheidungen nicht immer optimal treffen, und man muß mit dem leben, was gerade möglich ist. Daher nimmt man solche Dinge dann eben in Kauf (Beispiel: ein bekanntes Foto von Helen Levitt zeigt einen kleinen schwarzen Jungen und ein weißes Mädchen, die selbstvergessen auf einer Straße in New York tanzen; das Bild ist zu einer Zeit aufgenommen, als in den USA Rassentrennung normal war, und es ist eigentlich leicht verschwommen. Ein Mangel, aber das Foto ist an sich so gut, daß man das hinnimmt). Ich denke, Du hattest hier mehr Entscheidungsfreiraum.

 

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