Leserfoto – „Miss Elisabeth“: Licht, Farben und Komposition

Auf Einzelheiten sollte man immer achten, auch wenn Handeln gefordert ist.

(c) Dirk Wenzel

… neulich im Nebel…

Was mir an Deiner Aufnahme sofort auffiel, waren die Lichtstimmung und die blassen Farben, die dem ganzen einen fast „altmeisterlichen“ Eindruck geben. Es hat das farbliche Flair mancher Werke von Caspar David Friedrich, und der Nebel im Hintergrund verstärkt diesen schwermütigen Eindruck noch. Es könnte ein fast perfektes Foto sein, das sich jeder Hundebesitzer einrahmen und an die Wand hängen würde. Bis auf eine Kleinigkeit. Doch zunächst zur Komposition.

Du hast (D)eine Hündin in natürlicher Umgebung fotografiert. Sie steht in auf moosbewachsenen Steinen. Die Bäume hinter ihr sind kahl und nebelverhangen, doch unten links sieht man ein paar Blumen, die ein wenig Rosa ins Bild bringen. Diese Farbtupfer sind farblich das Tüpfelchen auf dem „I“ und lockern die ansonsten trostlose Farbpalette auf. Ihr Fell fügt sich einerseits gut in die Umgebung ein, andererseits hebt es sich genügend von ihr ab, um einen Vordergrund zu bilden.

Das Tier steht fast perfekt im Goldenen Schnitt angeordnet (siehe Vergleichsfoto).

Goldender Schnitt

Die Vignettierung, die Du auf die Aufnahme gelegt hast, rahmt den Hund gut ein und verstärkt den melancholischen Reiz noch. Da sich Dein Aufnahmestandpunkt relativ zu der Hündin weiter unten befand, wirkt sie imponierend und statuenhaft. Ich habe Freunde, die für ein ähnliches Foto ihres vierbeinigen Freundes eingerahmt sehr viel Geld ausgegeben haben. Glückwunsch zu diesem grundsätzlich sehr guten Bild.

Es könnte fast perfekt sein, wenn nicht zwei kleine Details auffielen. Erstens einmal hätte ich mir in der Nachbearbeitung die Mühe gemacht, das linke Auge der Hündin etwas aufzuhellen. Jetzt erscheint es wie ein schwarzes Loch – mit nur ein wenig mehr Aufwand wäre das zu beheben gewesen.

Was hinterher nicht mehr behebbar ist, ist das fehlende rechte Hinterbein (siehe Vergleichsfoto).

Vergleichsfoto

So, wie der Hund angeordnet ist, verschwindet es fast komplett hinter dem rechten Vorderbein, und das Tier wirkt dadurch dreibeinig. Ohne ihre Pose aktiv zu korrigieren (und dadurch die Aufnahme zu zerstören, weil sie dann abgelenkt gewesen wäre), hättest Du nur einen Schritt nach hinten rechts gehen müssen, um das Bein mehr ins Bild zu bekommen.

Es ist oft schwierig, in der Aufregung des Moments an solche Dinge zu denken, aber es macht den Unterschied zwischen einem grundsätzlich sehr guten und einem perfekten Foto aus. Aus diesem Grund empfehlen wir jedes Mal, mehrere Aufnahmen von mehreren Standpunkten aus zu machen. Von diesem Detail abgesehen gefällt mir Dein Foto trotzdem außerordentlich gut.

6 Kommentare
  1. Marcus Leusch
    Marcus Leusch sagte:

    Der „goldene Schnitt“ ist hier für mich kein einschränkendes Argument. Der Kopf des Hundes (Augen) liegt genau in der Mittelachse des Bildes. Es wäre für mich allenfalls noch über ein Quadratformat nachzudenken. …

    Etwas irritierend ist in der Tat das fehlende Bein, das sich bei genauer Betrachtung etwas versteckt hält. Ansonsten eine sehr schöne Lichtstimmung, die – angesichts des nebelig-trüben Wetters – vielleicht sogar mit einem externen Blitzgerät (von links) erst ermöglicht wurde. Mir gefällt außerdem die schöne Betonung des Vordergrundes mit dem Hauptmotiv und einigen Lichttupfern, während der Hintergrund in Unschärfe abfällt. Das hätte man vielleicht noch etwas prägnanter hervorarbeiten können.

    Ich bin zwar kein Tierfotograf, aber hier ist diese fast „hörbare“ stille Spannung des Hundes für mich in einem durchaus überzeugenden Portrait ins Bild gerückt.
    Das Foto erinnert mich übrigens weniger an C. F. Friedrich (mystische Nebellandschaften), dafür viel eher an englische Landschaftsmalerei (Hundemotive) aus dem 19. Jahrhundert.

    Beste Grüße
    mit einem Dank an Dirk für die 
recht schöne Inspiration

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  2. Chilled Cat
    Chilled Cat sagte:

    Ich stimme zu, durch die Lichtstimmung ist dieses Bild auf der nach oben offenen Haustierbilderskala ziemlich weit oben, aber eben nicht ganz oben. Aus den von Sofie bereits erläuterten Gründen. Wobei mich das verdeckte Hinterbein nur wenig stört. Zweifellos wäre das Bild mit Bein drauf besser.

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  3. SagtMirNix
    SagtMirNix sagte:

    Eigentlich sind Haustierfotos gar nicht mein Ding, dieses hier ist aber etwas ganz anderes. Gefällt mir außerordentlich gut und hat etwas von einem verträumten Märchenwald. Schön!

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