Leserfoto: Regeln kennen und brechen

Man darf nicht an sich zweifeln, wenn einem (s)ein Bild gut gefällt, obwohl es nicht alle Regeln der Gestaltung berücksichtigt.

Leserfoto: Klick für Vollansicht (© Lucas Schmitz).

Kommentar des Fotografen:

Dieses Bild ist Anfang September auf dem Gipfel des Monichique-Gebirges im Süden Portugals entstanden. Wir sind dort hoch gefahren um den Sonnenuntergang zu fotografieren. Beim Anblick des Steines, von dem man einen atemberaubenden Blick über das Land und das Meer hat haben wir uns entschlossen die Bildkomposition um das Element eines Menschen zu erweitern, der seinen Blick schweifen lässt.

Was mich persönlich an der Komposition ein wenig stört ist, dass der Mensch rechts im Bild ist und auch nach rechts schaut. Der Betrachter sieht also nicht, was die Person auf dem Bild sieht. Ich würde hier gerne besonders wissen, ob dieser „Fehler“ sehr ins Gewicht fällt oder ob es „verzeihlich“ ist. Wie man sieht habe ich das Bild bereits bearbeitet. Das Blau und Rot des Himmels ist verstärkt worden, der Granit, auf dem die Person steht ist aufgehellt. Ich halte es insgesamt für ein gelungenes Bild, würde aber gerne wissen, was man noch besser machen könnte. Häufig habe ich das Problem, dass ich meine Bilder zu stark nachbearbeite, sodass sie am Ende unnatürlich wirken. Hier bin ich mir nicht sicher. Was ist da die Meinung der Profis?

Profi Thomas Rathay meint zum Bild von Lucas Schmitz:

Mal ganz ehrlich Lucas, welches Foto, was du im Internet siehst, ist nicht irgendwie bearbeitet? Ich selber gebe auch kein Bild raus das nicht von mir optimiert wurde. Wenn du im RAW-Format fotografierst, kommen die Bilddaten ja unbearbeitet auf die Speicherkarte und du musst was damit machen, um das Optimum aus dem Foto herauszuholen.

Also keine Bedenken, ich finde deine Fotografie aus Portugal vernünftig bearbeitet, im Prinzip merkt man es beim Ansehen gar nicht und so soll es ja auch sein.

Der ideale Komplementärkontrast zwischen Blau und Orange gibt dem Bild schon Spannung. Dann hast du an der Stelle des Bildes, die immer zuerst betrachtet wird, einen hellen Fleck, die Sonne. Von dort führt uns der (positiv) aufsteigende Felsen direkt zu dem Menschen im Bild, ebenso wie die strahlenförmig von der Sonne ausgehenden Wolken.

Nun kommt dein Bedenken, dass die Person ja aus dem Bild heraus schaut. Das stimmt sehr wohl und ist auch meistens nicht ratsam. Im Normalfall würde sich Derjenige mit dem Gesicht in Richtung Kamera wenden und somit den Blick des Rezipienten aufnehmen.

In diesem Fall finde ich es aber nicht schlimm, wenn der Mann in die uns unsichtbare Ferne und auch gegen den Rand des Bildes sieht. Er ist ja nur als Scherenschnitt zu erkennen und bildet eigentlich die Fortsetzung des Felsens. Deine Idee den Felsen noch etwas aufzuhellen, war nicht verkehrt, dadurch sehen wir auch, dass es ein Felsen ist. Es wäre aber meines Erachtens nach nicht unbedingt nötig. Das Ganze wirkt auch als reine Silhouette.

Und du hast die Möglichkeit oben Links noch Text einzufügen, wenn du daraus z.B. eine Glückwunschkarte oder Ähnliches basteln möchtest.

Ich stimme dir zu:

Dein Bild ist gelungen!

In der Rubrik “Bildkritik” analysieren Profi-Fotografen im Auftrag von fokussiert.com montags bis freitags jeweils ein Foto aus der Leserschaft.
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3 Kommentare
  1. Lucas Schmitz
    Lucas Schmitz sagte:

    Hallo micha,
    Vielen Dank auch für deine Einschätzung. Deine Ausführungen kann ich nachvollziehen, wenngleich ich viele nicht so sehe wie du. Ich persönlich bin kein Freund davon jede Einzelheit in einem Bild zu hinterfragen oder erklären zu können. Warum ist da ein Felsen, warum ist da eine Sonne, warum ist da ein Himmel, warum ist da überhaupt ein Bild? Aber natürlich ist es jedem gestattet diese Fragen zu stellen, wenn sie einen beschäftigen. Und dafür abe ich das Bild ja auch zur Kritik eingereicht.
    Ich möchte dir Recht geben in zwei Punkten. Die scharfe Kante im Übergng von Felsen zu Himmel ist mir selber viel zu spät aufgefallen und ist meiner Meinung nach ein klarer technischer Fehler meinerseits. Und die starke Anhebung der Kontraste im Himmel war eine meiner zentralen Fragen, die ich selber oben gestellt hatte. Thomas athay fand die Bearbeitung gelungen, du findest sie zu stark. Ich war mir diesbezüglich unsicher. Wenn ich aber auch in zwei Dingen widersprechen darf: Die graue Wolke empfinde ich als ganz und gar nicht unschön. Im Gegenteil. Ich finde sie bietet irgendwie einen entspannen unbunten Fleck im extrem bunten Himmel. Und das schwarze Quadrat unten rechts ist natürlich. Der Felsen ist dort nicht abgeschnitten, sondern sieht wirklich so aus. Der Eindruck, den du hast, entsteht aber womöglich durch die Aufhellung des Felsens im Zusammenhang mit dem erwähnten technischen Fehler.
    Also ich danke dir für deinen Komentar. Es ist interessant für mich zu erfahren, wie andere Menschen Bilder betrachten und welche Gedanken und Fragen aufgeworfen werden. Ich persönlich gehöre aber mehr zu dem Typ, der sich Bilder auch ein Stück weit einfach nur ansieht, weil sie schön sind und sich dabei mit ein bis zwei zentralen Fragen beschäftigt.

    mfg
    Lucas

    Antworten
  2. Micha
    Micha sagte:

    Leider kann ich mich der Meinung hier nicht anschließen, obwohl das Bild auf den ersten Blick schön ist.
    Auf den zweiten Blick mangelt es an einigem und wirft Fragen auf, die vom Fotografen sicher nicht beabsichtigt und unabhängig vom „schweifenden Blick“ sind.

    Warum ist der Felsen aufgehellt? Was ist seine Bedeutung für das Motiv, dass sogar das durchs Aufhellen verursachte und deutlich sichtbare Rauschen in Kauf genommen wird? Daneben entsteht sogar durch schlechte technische Nachbearbeitung beim Aufhellen eine harte schwarze Kante im Übergang Fels nach Himmel, die den Eindruck vom Hervorgehobensein des Felsen weiter konturiert.
    Es ist nicht ersichtlich, warum der Felsen eine herausragende Position gegenüber den weiteren Elementen der Silhouette (Mensch und Pflanzen) einnimmt. Jedoch auch nicht, was der ideelle Kontrast oder die Balance zwischen Sonnenuntergang und Felsen sein könnte.
    Außer: Der Felsen ist immer da, Menschen und Pflanzen sterben und entstehen, die Sonne rotiert noch eine Zeit lang um den Felsen. Und sonst? Soll der Felsen überhaupt Teil des Motivs sein? Wenn ja, warum?

    Weiterhin finde ich – das ist jedoch Geschmacksache – dass die Kontraste im Himmel etwas zu stark angehoben sind. Farblich wirkt das sicher besser, trotzdem hebt dies natürlich die unschöne graue Wolke weiter hervor. Dadurch wirkt das auf mich etwas unnatürlich.

    Zuletzt zum Blick aus dem Bild. Stilistisch mag das nicht gut sein, manchmal – wie schon von Fotograf und Bildbesprecher beschrieben – auch reizvoll gegen die „Konventionen“ zu verstoßen. In dem Bild ist es unangebracht. Als Betrachter denke ich gleich, warum versucht der Fotograf mich mit dem Sonnenuntergang zu locken, aber enthält mir das wesentliche Detail vor, das der abgebildete Zuschauer anschaut. (Der schöne Sonnenuntergang konkurriert mit dem „Unsichtbaren“)
    Es nutzt auch wenig, wenn sich auf die Position zurückgezogen wird, es sollen zwar Fragen (philosophische, metaphysische, astronomische?) gestellt, aber Antworten offen bleiben. Es bleibt für den Betrachter immer unbefriedigend, wenn keine Anhaltspunkte für Gedankengänge gesäht werden. Idealerweise sollte die Antwort subtil ins Bildgeschehen eingebunden sein (zB Bettina Wulffs Blick über die tätowierte Schulter auf dem Buchtitel ihrer Biographie „Jenseits des Protokolls“).
    Hier taugt aber das Motiv „Sonnenuntergang mit Felsen unter Menschsilouhette“ dazu nicht.

    Was soll das schwarze Quadrat rechts unten, wo der Felsen quasi abgeschnitten ist?

    Als Reiseerinnerung ist das ein super Foto. Nicht mehr, nicht weniger.

    Antworten
  3. Lucas Schmitz
    Lucas Schmitz sagte:

    Hallo Thomas Rathay und alle Leser,
    Vielen Dan für die Kritik und die Erklärung, weshalb es eben doch nicht immer wichtig ist, dass der Rezipient sieht, was der Mensch auf dem Bild sieht. Ich habe, nachdem ich dieses Bild zur Kritik eingereicht hatte, mir noch einige Gedanken dazu gemacht, weshalb ich diesen kompositorischen „Fehler“, für den ich ihn hielt selbst nicht so schlimm finde. Die Erklärung von Thomas finde ich sehr logisch und einleuchtend. Meine eigene Erklärung war die folgende:
    Ein derartiges Bild soll beim Betrachter nicht zuletzt auch Fragen aufwerfen und keine Antworten liefern. Hier ist also Raum für eigene Vorstellungen. Außerdem ist es zwar nicht besonders befriedigend, dass man nicht sieht, was der Mann auf dem Bild sieht. Es ist aber dafür sehr befriedigend, dass man den Weg sieht, den der Mann zurückgelegt hat, um zu dem Punkt zu kommen, an dem er steht. Es wird als quasi die Geschichte erzählt, wie der Mann dort hin kam und die Frage gestellt, was er sieht.

    mfg
    Lucas

    Antworten

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