Wald-Abstrakt: Bearbeitung allein macht nicht das Bild

Das erste, was mir zu diesem Bild einfiel, war: „DAS ist ein Foto“? Womit schon alles gesagt sein könnte, denn bei soviel Bearbeitung handelt es sich für mich eher um digitale Kunst.

Abstraktes Waldfoto

Wald, abstrakt

Aufgenommen im Juli 2013, 6 Aufnahmen im Hochformat, mit Hugin zusammen gesetzt, das Farbbild mit Hilfe Tonwertkorrektur abgestimmt, dennoch gefiel mir das Resultat nicht, daher Umwandlung mit Kanalmixer in s/w, und zum Schluss den Kontrast erhöht. Für mich gibt das Bild genau das Gefühl wieder, welches ich dabei hatte, als ich im Wald herumstreifte, um die Stimmung einzufangen.

Du hast hier den Wald durchstreift, wohl sogar mit Stativ, denn diese Verschlußzeiten sind per Hand nicht mehr ohne Verwackeln zu halten. Du bist hier stehen geblieben, um eine Szene einzufangen, die für die Umgebung eigentlich typisch ist: Sonnenstrahlen dringen durch das Baumdickicht, und das dunkle, satte Grünbraun Deiner Umgebung wird golden durchflutet. Eine typische Aufnahme eben.

Kompositionell, zumindest nach dem, was hier erkennbar ist, ist das Bild gar nicht schlecht. Beim ersten Hinsehen scheint der Baum im Vordergrund zu mittig zu sein, doch durch die Anordnung der anderen Bäume, wie auch der Sonnenstrahlen, die mit den Schatten der Stämme den vorderen Bildteil voll ausfüllen lockert sich das etwas auf. Der Horizont liegt etwa im Goldenen Schnitt.

Mir ist allerdings nicht ganz klar, warum erst durch solch eine Radikalkur für Dich die Stimmung des Augenblicks entstand. Ich denke eher, daß Du Dich nach der ersten Nachbearbeitung entschlossen hast, „Kunst“ daraus zu machen, da Dir (nach Deinen Angaben) das Foto so nicht gefiel. Mein Mantra ist hier schon seit Jahren: nur, weil man kann, sollte man nicht unbedingt, wenn man nicht muß.

Da mir die Originalaufnahme bzw. das ursprüngliche Panorama nicht vorliegt, kann ich nur in etwa Anmerkungen dazu machen, was hier möglich gewesen wäre. Ohne diesen visuellen Kahlschlag wäre vermutlich ein hübscher/s Waldschnappschuß/-panorama dabei herausgekommen. Mit ein wenig Nachlegen hätte man wohl die extremen Belichtungsunterschiede zwischen den dunklen und den hellen Bildteilen angleichen können. Da Du ein Panorama daraus gemacht hast, wäre eine Editierung in RAW zwar nicht mehr möglich (nachträglich), aber es gibt auch hinterher genügend Wege, bestimmte Dinge auszubessern (man kann das auch vor dem Zusammenfügen als Panorama durch Synchronisation etc. auf RAW-Ebene erreichen).

Statt dessen hast Du das Bild so extrem nachbearbeitet, daß es mir als Betrachter nichts mehr sagt. Nicht als Landschaft (dazu fehlen hier die Elemente, die ein Landschaftsfoto ausmachen würden), und für ein Abstrakt ist es mir zu konkret. Den Wald sehe ich trotzdem noch, und nicht nur, weil Du es erwähnt hast. Er steht gegenständlich für mich immer noch im Vordergrund (ein guter Einführungsartikel zum Thema „Abstrakte Fotografie“ findet sich hier).

Warum es also nicht beim konkreten Foto belassen?

4 Kommentare
  1. Dirk Altehoefer
    Dirk Altehoefer sagte:

    Hallo Sofie,
    herzlichen dank für deine Kritik.
    Was ich für mich daraus ziehe ist, das manchmal weniger mehr ist.
    Ich habe den Begriff der Abstraktion verwendet, da ich diesen auch so verstanden habe, das durch die Reduktion auf zwei Farben und Verminderung jeglichen Kontrastes ich das Bild bzw. die Aussage von etwas Allgemeines auf wesentliche Aspekte eines Bildes reduziere.
    Vielleicht war die zu starke Anhebung des Kontrastes zu viel und somit die Bildaussage dahin.
    Aber Übung macht den Meister.

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    • Sofie Dittmann
      Sofie Dittmann sagte:

      Hallo Dirk! Ja, ich persönlich sehe das so: weniger ist mehr. Was Du persönlich mit Deinen Bildern machst, bleibt ganz und gar Dir überlassen, und ich bin selbst für Experimente, denn so lernst Du nicht nur, was man alles mit Nachbearbeitung tun kann/sollte, sondern auch, was Dir selbst gefällt. Eine Kritik ist immer das: eine Meinung, und die muß nicht jeder teilen. Es hätte mich interessiert, wie das Originalbild eigentlich aussah, um noch anderweitige Vorschläge zu machen. Wenn Du möchtest, kannst Du es mir ja über fokussiert schicken?

  2. Uwe S.
    Uwe S. sagte:

    Für mich spielt es zunächst gar keine Rolle, unter welchen Mühen und Zweifeln ein Bild zustande gekommen ist. Zu betrachten ist das vorgelegte Bild so, wie es ist, also auf meinem Monitor erscheint.

    Kompositorisch sehe ich zwei Bilder, die durch einen beinahe senkrechten schwarzen Balken getrennt werden. Jedes der beiden Bildteile könnte für sich stehen, und außer den gespiegelt verlaufenden Diagonalen gibt es nichts Verbindendes. Mag sein, dass dieser Effekt erst durch extreme Kontrasterhöhung ins Spiel kam. Aber wenn man das macht, sollte man die Regeln für Diptychons berücksichtigen.

    Spannend ist die Frage, ob ein Bild in die Kategorie „Abstrakte Fotografie“ eingeordnet werden soll, nur weil Grautöne fast vollständig fehlen. Da jedes Bild eine Abstraktion der dreidimensionalen Wirklichkeit ist, reicht mir das allein nicht aus, und ich schieße mich Sofies Meinung an.

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    • Sofie Dittmann
      Sofie Dittmann sagte:

      Auf die Idee mit dem Diptychon bin ich nicht gekommen; das könnte man durchaus diskutieren. Ich denke, der Effekt ist erst durch die Extrembearbeitung entstanden.

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