Einstieg in die Nachtfotografie: Linz, taghell

Nachtfotografie ist dank der Digitalisierung zum grossartigen fotografischen Spielfeld geworden: Einstellbare Empfindlichkeit des «Films» und sofortige Resultate ermöglichen es, zu experimentieren. Hier hat Jakob einen ersten Versuch gemacht.

Linznacht

Linz bei Nacht, Canon EOS 60D, © Jakob Staltner

 

Ich bin 17 Jahre alt und habe ein Bild von Linz in der Nacht aufgenommen. Jakob Staltner

Eine Stadt, erstrahlend in den nächtlichen Leuchtzeichen unserer Zivilisation, liegt in dieser Farbfotografie im Vordergrund. Rauchschwaden mit starker Bewegungsverzeichnung deuten auf eine längere Belichtungszeit hin; der rabenschwarze Nachthimmel, der das Bild fast mittig horizontal teilt, ist durchsetzt mit einen Sternen , die bereits deutliche Sternschweife tragen.

Unsere Kameras werden immer lichtempfindlicher:

Dieses Video der BBC zeigt eine Canon-Videokamera, die nicht nur ein veritables Nachtsichtgerät ist, sondern auch noch farbige Bilder produziert.  Meine Nikon D300 war im Stande, kristallklare Sternenschweif-Aufnahmen in halbstündiger Belichtung aufzunehmen; das Vorgängermodell D200 überhitzte dabei regelmässig den Sensor. Und die Nikon D810 lässt sich in ihrer ISO-Empfindlichkeit so hoch schrauben, dass in sternklaren Nächten die Milchstrasse mit Belichtungszeitn von einer Sekunde eingefangen werden kann.

Du hast Deine Heimatstadt in der Nacht fotografiert, und das Resultat ist fast taghell und farbenfroh. Das ist eigentlich nicht zu erwarten, sondern wahrscheinlich das Resultat der Belichtungsautomatik: Denn unsere Kameras sind auf eine Helligkeitssituation getrimmt, die einem sonnigen Tag mit einer typischen Umgebung von Hell- und Dunkelwerten entspricht. Deswegen hat sie die Tendenz, in Schneelandschaften unter- und in Nachtsituationen, so wie hier, überzubelichten. Und deswegen haben Consumer-Kameras eine «Szeneneinstellung Nachtaufnahme» – damit sie der Nacht gerecht werden.

Ausgebrannte Stellen (rot)

Ausgebrannte Stellen (rot)

Deine Fotografie ist nämlich überbelichtet – zumindest, wenn man eine ausgewogene Beleuchtung, die dem Empfinden des menschlichen Auges entspricht, anstrebt. Du erkennst es daran, dass die einzelnen Lichtquellen allesamt vollständig ausgebrannt sind (rein weiss im Bild, keinerlei Zeichnung im Lichtkegel mehr vorhanden). Die Stadt unter Dir in war in dieser Nacht niemals so taghell erleuchtet.

Dass die Lichter überstrahlt sind, weil die Kamera nun mal so lange belichtete, wie sie für den genormten sonnigen Tag erwartete, ist nicht «falsch»: Man kann mit diesen Effekten ebenso spielen wie mit der Bewegung eines Motivs (die Sterne oder der Rauch), die durch lange Belichtungszeiten «Zeit ansammeln» und in sehr kurzen Belichtungszeiten die Zeit «einfrieren».

Zwei, drei kleine Flecke, die in einem normalen Tageslichtbild mit einem korrekt belichteten Motiv überstrahlt sind, stören mich nicht. Wenn wir genau hinsehen, sind es auch hier nur kleine Stellen, die ausbrennen: Aber es sind erstens viele kleine Stellen und zweitens ist die Kleinteiligkeit genau der Reiz Deiner Aufnahme – und der leidet unter den ausgebrannten Punkten. Bei einem Motiv, das von den vielen Details lebt, die es in der nächtlichen Stadt zu entdecken gäbe, werde ich als Betrachter von den weissen Flächen behindert.

Der Effekt der hell erleuchteten Stadt kann reizvoll sein und das Gewirr der Infrastruktur zusätzlich mit den Leuchtspuren von Fahrzeugen zu einem abstrakten Gewebe überzeichnen. Hier ist es vielleicht noch etwas des Guten zu viel: Die Sternspurten etwa wirken unentschlossen, sie sind zu kurz, um sehr bewusst angelegt worden zu sein und zu lang, als dass man sie nicht wahrnähme. Bei der Kontrolle der Aufnahme am kleinen Monitor der Kamera hilft Dir für solche Aufnahmen auch das Histogramm weniger als am Tag. Es zeigt hier zwar einen Überhang der dunklen Tonwerte und ein ganz leichtes Clipping auf der hellen Seite (Überbelichtung). Aber besser als das Histogramm beachtest Du für solche Aufnahmen den Monitor mit der Anzeige der Überstrahlten Stellen im Bild. In diesem Fall hättest Du dann mit manuellen Einstellungen die Blende/Zeit so angepasst, bis keine überbelichteten Stellen mehr angezeigt werden oder nur solche, die tatsächlich überproportional hell sind.

Auf jeden Fall ist dieses Motiv ein dankbares, um die Automatik der Kamera auszuschalten und mit vielen verschiedenen Belichtungen herumzuspielen. Du wirst schnell merken, welchen Effekt Du mit welcher Zeit und welcher Blende erreichen kannst. Besorg Dir ausserdem einen Gradations- oder Neutralgrau-Verlaufsfilterset, um beispielsweise die Stadt in der unteren Bildhälfte stark abzudunkeln, worauf Du eine Sternenschweif-Aufnahme mit der darunterliegenden Stadt machen kannst, ohne dass die Gebäude überstrahlt werden wie hier.

Oder du machst Belichtungsreihen mit verschiedenen Verschlusszeiten ab Stativ und setzt eine Bild mit glasklaren Sternen am Himmel über einer länger belichteten Stadt zusammen, was bei einem einfachen Horizont gut machbar ist.

Die Möglichkeiten sind beinahe unendlich, und die Effekte sind ebenso spannend wie der Lerneffekt und die Aha-Momente.

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