Makro-Fotografie: Spinne mit Auftritt
Eine Makro-Fotografie wie ein Still-Photo eines Horror-Films aus den Siebzigern: Die Tarantel, die nicht zu sehen ist, wirkt grade deshalb furchteinflössend schön.
Makrofotografie mit grossem Auftritt. Canon EOS 6D , 1/60s bei Blende 4 mit 100mm Brennweite und ISO 250. © Johann Schreml
Johann Schreml aus Bad Wörishofen: In einer Ausstellung in München fotografiert. Eigentlich wollte ich die Spinne als ganzes fotografieren, doch dies war auf Grund der starken Reflektionen des Terrariumglases nicht möglich. So entstand nach langem Herumprobieren dann dieses, aber wie ich finde, spannenderes Fotos als das eigentlich geplante.
Man ist geneigt zu sagen: Glück gehabt. Aber das wird Deinem fotografischen Können wahrscheinlich nicht gerecht, denn die Qualität dieser Aufnahme scheint mir kaum ein Zufall.
Du warst hier mit einem Makro-Objektiv unterwegs, einem der [amazon B002NEFLD2]beiden Canon-USM-Makros[/amazon], und Du wusstest schon im voraus, was Du wolltest.
Wir sehen in diesem Low-Key-Makrofoto in Brauntönen drei haarige Beine einer Tarantel, die sich eben auf einen im Bild in einer Kurve von oben links nach unten rechts ziehenden Ast zu bewegen scheint.
In der technischen Umsetzung ist denn auch nichts an dem Bild zu mäkeln, die Abbildungsleistung von 1:1 dieses Makros wird dem Tier sehr gerecht, die Schärfentiefe bei Blende 4 ist genau das, was Du hier brauchtest. Vielleicht sind wir bei der Belichtung etwas auf der dunklen Seite, indem auch der Hintergrund links und rechts absäuft: Aber angesichts der Nachtaktivität der Spinne ist eine Low-Key-Aufnahme hier angebracht. Zudem wird das Bild in einem Schwarzen Umfeld (schwarzer Bildschirm) noch stärker: Es wirkt, wie wenn die Spinne hier langsam ins Spotlicht krabbelt.
[bildkritik]
Die Komposition ist insofern ein Glücksfall, als der Ast hier eine perfekte Kurve für den Bildausschnitt macht in einer Grösse, die der Spinne eigentlich den formatfüllenden Auftritt verschafft hätte. Die einseitige Beleuchtung schafft weitere Dramatik, das „Absteigen“ des Asts von links oben nach rechts unten unterstützt die alarmierende Wirkung des Bildes.
Ideal ist auch, dass hinter dem Bereich, wo der Körper des Tieres gleich auftauchen wird, im Bokeh zwei Objekte etwas Licht verschaffen: Die Fotografie gewinnt dadurch an Tiefe, indem Raum hinter dem Ast hinzugefügt wird, ohne den eine dritte Dimension schwer zu spüren wäre.
Schwierigkeiten habe ich eigentlich nur mit der Fokus-Ebene: Du hast offensichtlich so fokussiert, dass das hellbraune Glied des Beins direkt auf der Oberseite des Astes in der Schärfe liegt. Dadurch verschwimmt der „Oberschenkel“ des einen Beins in der Unschärfe, und auch rechts unten im Ausschnitt ist noch ein unscharfer Teil des Körpers sichtbar.
Nicht erklären kann ich mir aber die unscharfen Stellen links neben dem mittleren Bein, sowohl am Ast wie auch am hinteren linken Bein der Spinne. Kann es sein, dass Du da etwas unsorgfältig wegretuschiert hast, oder dass uns das Terrarium-Glas den Blick behindert?
Unschärfe, wo sie nicht sein dürfte: Diese Bildteile liegen eindeutig noch in der Schärfenebene.
Nichts desto trotz: Das ist in der Tat wahrscheinlich die bessere Fotografie als diejenige, die Du geplant hattest. Andererseits: Im richtigen Moment den richtigen Blickwinkel mit den richtigen Kameraeinstellungen eingenommen zu haben, das ist doch die Planung, zu der in der Makrofotografie mit lebenden Tieren der Protagonist dann auch noch seinen Beitrag leisten soll – den im richtigen Moment einzufangen ist Dir (beinahe) perfekt gelungen.
Hallo zusammen,
erst einmal bitte ich um Entschuldigung wegen des späten kommentierens, aber es gibt im Leben Vorfälle, da ist von einer Minute auf die andere plötzlich nichts mehr wichtig oder auch nicht möglich. Aber dies gehört nicht hierher. Es war auf alle Fälle keine Absicht sondern dem Schicksal geschuldet. Soviel dazu.
Nun zum Thema.
Ihr habt in der Tat Recht, es handelt sich nicht um ein (1) Foto, sondern es ist aus drei Aufnahmen entstanden. Es war allerdings kein Fokusstacking geplant und auch nicht möglich, denn andere Belichtungs/Blendenwerte waren auf Grund des schlechten Lichts und ohne Stativ auch nicht möglich. Erschwerenderweise standen und gingen auch viele andere Ausstellungsbesucher um das Terrarium herum und veränderten so laufend die sowieso schon schlechte Lichtsituation. Ich habe mehrere Foto aus verschiedenen Winkeln erstellt um die vorhandene Glasreflektion so gut wie möglich auszuschließen. Dabei habe ich hinterher beim Betrachten der diversen Fotos zu Hause festgestellt, daß ich drei der Fotos mit unterschiedlichem Fokus aus einer fast identischen Position erstellt hatte und sich diese drei Fotos nur unmerklich (Fokus) unterschieden. Also quasi zufälliges Fokusstacking ;-) Leider war mein Können und Erfahrung vor drei Jahren noch nicht auf Stand wie heute und so habe ich das Foto aus heutiger Sicht sehr stümperhaft zusammengeschustert, was ich heute so nicht mehr machen würde.
Trotz dieser Unzulänglichkeiten gefällt mir das Foto auch heute noch, da mir der allererste Eindruck beim Betrachten eines Fotos immer sehr wichtig ist und daß das Foto die Stimmung wiedergibt die vor Ort vorhanden war.
Aus zweiter oder dritter Sicht kann und muss man dies, zu Recht!, anders sehen und genau dafür finde ich die Bildkritik und Analyse hier auch wirklich sehr hilfreich und gut und bedanke mich noch einmal dafür.
Viele Grüße
Johann
Hallo Johann,
es tut mir leid, wenn meine Kritik hier unangebracht war! Nach deinen Andeutungen ist wohl leider etwas sehr schlimmes passiert.
Danke für die Erläuterungen zu dem Bild. Wenn man sich nicht so sehr mit Fotografie beschäftigt, fällt es wohl kaum auf, aber bei genauem Hinsehen passen die Schärfeebenen einfach nicht zusammen. Ich bin erstaunt, dass es tatsächlich aus 3 Fotos gemacht wurde. Dafür hast du es toll hinbekommen.
Wenn du nur das vordere Bild genommen hättest, wäre der Grusel-Effekt von Tarantula sicher nicht geringer, aber das hast du ja sicher ausprobiert.
@Peter,
als Solist bei fok bist du in der letzten Zeit sehr fleißig gewesen! :-)
dierk
ich muss mal etwas los werden.
Ich finde es absolut unmöglich, wenn Peter oder seine Mitstreiter einiges an Zeit und Aufwand in die Besprechung eines der eingeschickten Bilder investieren und wir als Besucher von Fokussiert uns mit dem Bild beschäftigen und teilweise auch etwas dazu schreiben, dass der Einsender es nicht für nötig hält, sich zu den Überlegungen von uns zu äußern! Mir ist das schon mehrfach aufgefallen (z.B. bei dem „Selbstporträt mit Wasser“),
wie gesagt, ich muss das hier mal los werden.
dierk
Ach, Dierk, ich glaube, es gibt viele Mitleser, die Peter und den anderen und natürlich auch allen, die hier mit ihren Kommentaren die Beiträge erweitern, dankbar. Ich bin einer von ihnen und sage an dieser Stelle „Danke“ für euren fundierten und engagierten Einsatz, eure Leidenschaft und nicht letztendlich eure Zeit!
Mehrfach ist mir hier schon aufgefallen, dass die Einsender erst mit einiger Verspätung bemerken, dass ihr Bild besprochen wurde. Manchmal gerät das vielleicht auch ungewollt ins Vergessen im Rausche des Alltags… und nicht unerheblicher Mengen an Mails (und der unfreiwiligen Spamzuordnung möglicherweise).
Aber ich will mich da eigentlich gar nicht einmischen und für andere sprechen.
Danke von mir. Mir gibt das hier viel und ich freue mich über die vielen tollen Besprechungen und erhellenden und ergänzenden Kommentare neueren und älteren Datums. :-)
Und jede neue Besprechung ist sowieso ein Highlight, egal wie viel noch nicht Gelesenes es noch geben mag.
BTW wo ist Sofie??
Schönes Wochenende und uns allen frohes Fotografieren weiterhin wünscht Sabine
Klar, auf den ersten Blick sieht das lausig aus, Dierk, danke für Deine Anmerkung – andererseits ist es oft bereits Wochen nach dem Bildupload, dass ein Foto besprochen wird, die Benachrichtigungsmail geht schnell verloren oder gerät in den Spamfilter, und nicht selten reagieren Fotografinnen und Fotografen Ihrerseits Wochen nach der Besprechung, weil sie sie schlicht übersehen haben. 2016 haben wir einige Spenden – von kleinen bis recht grosszügigen Beträgen – erhalten, was uns sehr gefreut hat (wegen des Geldes auch, aber vor allem wegen der ausgedrückten Wertschätzung). Ich finde, was Diskussionskultur und Umgangston, Wertschätzung und Engagement angeht, können wir sehr zufrieden sein – Du bist ja eine wichtige Stütze in diesem System.
Was Sofie angeht, Sabine, muss sie aus beruflichen Gründen für einige Zeit deutlich kürzer treten hier. Ich hoffe wie Du, dass sie bald wieder mehr Zeit hat.
Peter,
wenn wie bei diesem Foto so wichtige Fragen gestellt werden, könntest du nicht den Einsender um eine Stellungnahme bitten?
Dierk, das könnte ich – aber derzeit bestreite ich fok fast ganz allein. Ich muss darum bei Kontaktnahmen etc auf die automatisch generierten Mails vertrauen. Wenn ich auch noch hinter den Kulissen die Kommunikation dirigiere, komme ich zu nichts mehr.
Spinne mit Augen
aufgenommen in freier „Wildbahn“ auf der Terrasse :-)
Du bescherst mir Alpträume, Dierk. Aber tolles Foto. ;-)
@Sabine,
das hilft vielleicht gegen deine Alpträume :-)
auf einer Cala Blüte
Dierk, ich weiß nicht… ;-) Geckos sind mir irgendwie lieber. Die gab’s auf La Palma auch, kann ich mich erinnern…
ist jetzt sehr OT, aber auf besonderen Wunsch für Sabine – hier ist einer :-)
was mir gefällt:
Licht und Farben, Aufbau mit dem diagonalen Verlauf, die Borsten an den Beinen
nur die Beine zu sehen macht das Bild fast etwas gruselig (Tarantula)
was mir nicht gefällt:
es sind nur die 3 1/2 Beine zu sehen
bei Spinnen sind das Beeindruckende für mich immer die vielen Augen, die fehlen hier ganz
die Stacking Technik
wie Stefan schreibt, die unterschiedlichen Schärfeebenen können nur durch Stacking entstanden sein.
Ich kenne kein Objektiv für Canon mit 100mm und so großer tilt Funktion, und die Schärfeebenen widersprechen dem auch.
Ich erkenne 3 Ebenen, die ich hier gekennzeichnet habe. Dazu kommt, wie im roten Kreis zu sehen, das typische Problem beim Stacking, dass beim Fokussieren auf hinten liegende Bereiche die diffuse Unschärfe des davor liegenden Bereiches diese teilweise verdeckt. Das ist hier gut sichtbar bearbeitet worden.
Johann, wie du siehst, habe ich mich zumindest sehr intensiv mit deinem Bild beschäftigt :-)
VG
dierk
Dank dir. Sehr nett. :-)
Ich gehe mit den bisherigen Betrachtungen vollumfaenglich mit, und habe auch nichts Konstruktives hinzuzufuegen. Jedoch habe ich ein paar Gedanken bezueglich der Technik: genau wie Peter habe meine Schwierigkeiten, die Fokusebene hier zu definieren. Wenn mich nicht alles taeuscht so sehen wir hier einen Fokusstack aus 2 Aufnahmen, der leider ziemlich in die Hose gegangen ist: die offene Blende beschert hier extrem unscharfe Bereiche zwischen den 2 Schaerfeebenen welche beim Zusammenfuegen dann natuerlich unrettbar waren. Ich mag mich da taeuschen (wuerde mich hier wundern aber man weiss ja nie). Aber nachdem sich das Bild mir zuerst als Hingucker praesentiert, verleidet mir diese technische Unzulaenglichkeit den zweiten Blick komplett und faellt bei mir durch. Schade. Wenn sich die Gelegenheit ergibt, waere _mir_ dieses tolle Motiv aber definitiv einen zweiten Versuch mit z.B. Blende 8 und mind. 4 Fokusebenen wert. Falls die Tarantel so lange stillhaelt. :-)
Hallo Johann,
Auf den ersten Blick eine wirklich beeindruckende Aufnahme. Ich hab es nicht so mit Spinnen, weswegen es mir schwer fällt länger das Foto zu betrachten. ;-)
Was mich sehr ansprichst ist der Blickwinkel und Perspektive, dass eine „neugierige“ Spannung erzeugt, wie über den Ast die Spinnenbeine in den Focus rücken und man nicht weiß, wie sich die Spinne verhält. Kommt Sie weiter hervor in Ihrer ganzen Pracht (ich versuche es aus der Sicht der Spinne zu formuliere) oder bleibt Sie im versteckten Blickwinkel?!
Was ich auch toll finde, dass man das Glas des Terrarium nicht sieht (oder da ich es nicht im Detail betrachtet habe) und meinen könnte, die Spinne spaziert einfach irgendwo rum und Du bist Ihr zufällig begegnet :)
Schönen Gruss Paula
Der Effekt ist toll!