Makro-Wasserfall: Unreal wirklich

Fliessendes Wasser ist Herausforderung und Spielfeld für Fotografen. Die Verschlusszeit erlaubt dabei völlig verschiedene Aufnahmen vom genau gleichen Objekt zu machen.

Kommentar des Fotografen:

Eine Nahaufnahme von einem kleinen Wasserfall. Ich wollte die Wasserbewegung einfrieren, aber auch die Spiegelung der Umgebung aufnehmen. .

Profi Peter Sennhauser meint zum Bild von Steven Long:

Die Spiegelung mehrere Bäume in einer gekrümmten, glänzenden Oberfläche, die im Vordergrund in eine dynamische Reihe von Bläschen in einer wie Chrom glänzenden Wasseroberfläche übergeht, welche sich offensichtlich in Bewegung befindet.

Ein spannendes Bild voller Bewegung und Verwirrung, Detail und Impression. Zur Idee, Dich mit einem Detail des Wasserflusses zu befassen und die Umgebung als Spiegelung indirekt einzubeziehen, bist Du zu beglückwünschen:

Häufig „scheitern“ wir an Motiven wie einem Bach oder einem Wasserfall, weil wir uns nicht getrauen, die Details zu isolieren und schon fast eine Verpflichtung verspüren, das kleine Wunder als Ganzes abzulichten.

Du hast den Schritt gewagt, Dich ganz auf die Oberfläche und die Oberflächenspannung des strömenden Wassers zu konzentrieren. Dass dabei zwei völlig verschiedene Eigenschaften in einer Komposition fassbar werden, ist ein fotografischer Glücksfall oder eben das Verdienst Deiner sorgfältigen Beobachtung: Die Wasseroberfläche bietet buchstäblich Spannung auf ihrer Ober- und auf ihrer Unterseite: Sie spiegelt die Umgebung, und das in Form eines Zerrspiegels entlang der natürlich und deswegen harmonisch anmutenden Kurven; und sie bindet dabei durch den vorangehenden Sturz eingeschlossene Luft in diesen vielen kleinen Bläschen, die eine völlig andere Struktur ergeben.

Daraus entstehen zwei sehr verschiedene, spannende optische Effekte, von denen aber mit blossem Auge aufgrund der Bewegung nur einer sofort erfassbar ist.

Durch das Einfrieren des Wassers hast Du also ein neues Bild geschaffen, das so in der Natur für uns nicht sichtbar ist. Das ist ein kreativer Prozess, der ein gutes Auge, die technischen Kenntnisse für die richtige Umsetzung und zugleich den künstlerischen Anspruch an eine anmutige Umsetzung verlangt.

Auf die Probleme beim Fotografieren von fliessendem Wasser können wir hier nicht im Detail eingehen. Zwei Dinge sind aber eine Bemerkung wert: Bewegung, namentlich bewegtes Wasser aus solch grosser Nähe, scharf zu kriegen, ist ausgesprochen schwierig. Es ist sogar problematisch, die Scharfstellung auch am Monitor wirklich zu kontrollieren. Denn Unschärfe kann zwei Ursachen haben – die Bewegung oder einen falschen Fokus.

Deswegen ist hier eine möglichst kurze Belichtungszeit für eine erste Testaufnahme ratsam – und jedenfalls ein Stativ. Je nach Abstand und Geschwindigkeit der Bewegung lässt sich Wasser ab Verschlusszeiten von wenigen Hundertsteln einfrieren; Sportaufnahmen von spritzendem Wasser mit Tele sind aber häufig mit 2000/s und kürzer belichtet.

Du hattest hier mit einer Zeit von 250/s nicht viel Spielraum und musstest Dich mit voll geöffneter Blende und erhöhtem ISO-wert – an einer Grenze entlang bewegen. Das sorgt umgekehrt nicht für radikal „tiefgefrorenes“ Wasser, verleiht ihm aber diesen schweren, Öligen Look.

Eine eindeutige Regel für die „ideale“ Verschlusszeit zum Einfrieren von Wasser kann es aufgrund von Brennweite, Distanz und Flussgeschwindigkeit nicht geben. In dieser Aufnahme kommt die weit offene Blende der Bild-Absicht entgegen, weil sie der Oberfläche Räumlichkeit verleiht; vielfach möchte man aber mehr Schärfentiefe und hat dann das Problem, eine passende Zeit/Blendenkombination zu finden. Deswegen rate ich zum Stativ: Testaufnahmen mit grosser Blende machen und danach mit Belichtungsreihen arbeiten, wobei Blende/Zeit und ISO in sinnvollen Schritten angepasst werden. Immerhin handelt es sich hier um ein Motiv, das wir von blossem Auge überhaupt nicht sehen, weswegen es sich lohnt, die kostenlosen Bildreihen der Digitalkamera voll auszuschöpfen und alles auszuprobieren. Man denke nur an die Fotografen vor 15 Jahren, die mit Film nur unter hohen Kosten solche Testreihen machen konnten…

Blendenvariationen hätten vielleicht auch hier einen spannenden Unterschied zwischen zwei Bildern ergeben können, wenn es die Lichtverhältnisse zugelassen und damit die Spiegelung im Hintergrund mit kleinerer Blende ebenfalls scharf geworden wäre (was sich so nur vermuten, aber nicht mit Sicherheit sagen lässt).

Jedenfalls ein gelungenes Bild und eine spannende fotografische Aufgabe, die man sich als Idee für eigene Übungen merken sollte.

In der Rubrik “Bildkritik” analysieren Profi-Fotografen im Auftrag von fokussiert.com montags bis freitags jeweils ein Foto aus der Leserschaft.
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