Makroaufnahme Käfer: Hier bin ich!

Makrofotografie muss nicht immer nur ein Blick durchs Mikroskop sein. Geschichten passen auch in kleine Welten. Hier scheint ein Käfer im Schilfgras verstecken zu spielen.

Makroaufnahme eines Käfers auf einem Schilfblatt

Der Käfer: Canon EOS 600D f/2.8 bei 100mm (Macro) und 100 ISO © Wiebke-Susanne Homann

Wiebke-Susanne Homann schreibt zu diesem Bild: Der kleine Käfer wurde mit einem Makroobjektiv zwischen Schilfhalmen fotografiert.

Beim Stichwort Makro-Fotografie fallen sofort Heerscharen von zu Monstern mutierten Ameisen, Libellen und Wespen über mich her – das Genre hat so ein bisschen den Touch des wissenschaftlich-unpoetischen. Dabei habe ich mir schon erklären lassen, wie kreativ die Fotografen mit dieser Spezailität teils umgehen: von tiefgefrorenen bis zu in aufwendigsten Laser-Lichtfallen gefangenen Modellen habe ich gehört. Ich selber habe bis auf Detailaufnahmen von Dingen, die ich verkauft habe, noch keine Makrofotografie betrieben, und mein Set Distanzringe müsste dringend mal ausgiebiger getestet werden.

Hier aber zeigst Du, dass die Makrofotografie keineswegs nur wissenschaftlich – anschaulichen Zwecken dient, sondern auch ganz vergnüglich unterhaltsam sein kann. Hier ist der kleine Geselle etwas vergrössert:

kaeferbildpos

An der Kante eines grossen, vertikal aus dem Querformat-Bild herausragenden Schilfblatt hält sich ein braungoldener Käfer mit dem Rücken zum Betrachter. Seine beiden Fühler ragen dermassen links am Blattrand vorbei ins Leere, dass es den Eindruck erweckt, der Käfer gucke vorsichtig um die Blattkante herum. Der Hintergrund des Bildes löst sich in sattem Grün auf, ausser dem Sitzblatt des Käfers sind  im Vordergrund noch zwei weitere, leicht diagonal verlaufende Blätter im Ausschnitt zu sehen.

Das Bild ist mit einem [amazon B00005KHRX]Canon Makroobjektiv 100mm 2.8 USM[/amazon] entstanden, sagst Du – es bestand also die Möglichkeit, sehr nahe an den kleinen Protagonisten heranzugehen. Bei Brennweite 100mm (Makros sind in der Regel Festbrennweiten) hast Du die Blende mit 2.8 schon untypisch weit geöffnet: Bei sehr kurzen Abständen zum Motiv würde man erwarten, dass abgeblendet werden muss, um die Schärfenebene nicht so gering zu halten, dass vom Insekt nur eine dünne Schicht scharf wird. Weil der Käfer hier fast rechtwinklig zur Kamerablickrichtung sitzt und verhältnismässig «weit» weg ist, klappt das gut mit der offenen Blende, und das Resultat ist eine extreme Schärfenuntiefe im Vorder- wie im Hintergrund.

Histogramm der Makrofotografie eines Käfers auf einem SchilfblattDie Belichtung scheint auf den ersten Blick perfekt, das Histogram türmt sich in der gewünschten Glocke in der Mitte des Bildes. Weil es sich aber im eine Komposition handelt, bei der das eigentliche Motiv der dunkelste Part des Bildes ist, lohnt es sich, genauer hinzuschauen – und mit aktivierter Warnfunktion in Lightroom zeigt sich, warum der Hinterkörper des Käfers sich nicht aufhellen lässt, jedenfalls nicht in diesem JPG:

Makrofotografie Käfer in Lightroom

Erst die Belichtungskontrolle bringt es an den Tag: Das Käferheck ist unterbelichtet.

Am linken Rand des Histogramms gibt es eine sehr geringe, aber ausbrechende Zahl Pixel im reinen Schwarzbereich – leicht zu übersehen, wenn so wenig dunkle Anteile im Bild vorhanden sind! Vor allem im Histogramm von Lightroom, das mit einer anderen Skala arbeitet als das meines Exif-Viewers, welches die dunklen Tonwerte an den Rand drängt.

Leider handelt es sich bei den wenigen zu dunklen Pixeln um das Hinterteil des Käfers.  Ich gehe davon aus, dass bei einer RAW-Aufnahme mit dieser Belichtung noch Zeichnung in den betroffenen Stellen wäre, nicht zuletzt deshalb, weil der Schatten des Käfers auf dem Blatt trotz direkter Sonnenbestrahlung nicht in der Schwärze absäuft.

Makrofotografie: Käfer auf Schilfblatt

Käfer auf Schilfblatt

Zur Komposition ist zu sagen, dass das Bild die Blicke wegen der interessanten Pose des Käfers auf sich zieht. Er ist nicht ausgestellt unter dem Schauglas, sondern selber der Akteur in dieser Fotografie. Von der Platzierung her liegt er perfekt im goldenen Schnitt – jedenfalls in dem von Dir gewählten Rahmen. Ich persönlich finde den eine Spur zu grosszügig und würde etwas enger schneiden (siehe unten).

Käferbild: Makrofotografie eines Käfers auf einem Schilfhalm

Viele Dreiecke machen den Hintergrund des Käferbildes aus.

Und das auch aus einem anderen Grund: Der Vorder- und der Hintergrund des Bildes lösen die Fläche in einer grossen Zahl an Dreiecken auf. Diese sorgen dafür, dass der Käfer nicht ganz allein das Bild bestreiten muss, und namentlich das eine Blatt vorne rechts und das zweite hinten links, die fast parallel eine Diagonale einfügen, sorgen für Spannung in der Fläche. Alles in allem aber vielleicht etwas zu viel. Ich habe deshalb einen Schnitt ausprobiert, der mehrere Dinge erreichen soll:

kaeferbildpgross

  • Der Käfer bekommt mehr Augenmerk.
  • Die Zahl der Dreiecke in der Hintergrundfläche wird reduziert.
  • Die Regeln werden ganz gebrochen (weder Drittel noch Goldener Schnitt), was für einmal bei einer derart einfachen Komposition funktionieren kann;
  • Mit dem 16:9-Format (nein, darüber gibt’s nicht viel zu diskutieren, auch wenn manche es nicht lassen können) wird eine Art Kino-Erwartungshaltung geweckt: Gleich passiert was!

Und ein letzter Punkt, den ich zu diesem Bild, das mir persönlich übrigens sehr gefällt, einwerfen möchte: Was, wenn Du versucht hättest, die Ansicht von der anderen Seite auch noch einzufangen? Der Käfer, der um das Blatt herum in die Kamera guckt? Das wäre eine Version von Doppelt gesehen, die gut in unser Buchprojekt passen würde.

2 Kommentare
  1. Tilman
    Tilman sagte:

    Interessante Besprechung, danke Peter… Der von Dir vorgeschlagene Beschnitt gefällt mir gut.
    Ich finde das Bild schön, allerdings ist für mich der Käfer unscharf. Das liegt meiner Meinung nach nicht nur an der geringen Auflösung (die Blattebene erscheint mir schärfer als der Rücken des Käfers).
    MfG, Tilman

    Antworten

Trackbacks & Pingbacks

  1. […] langer Brennweite wie 200mm können erst ab drei Meter Distanz zum Objekt verwandt werden. Mit den Distanzringen zwischen Kamera und Objektiv verkürzt sich dieser Abstand, allerdings wird zugleich die Schärfentiefe sehr gering – für […]

Hinterlasse einen Kommentar

An der Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar zu fokussiert.com | Libellenporträt: Keine Amputationen Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert