Manipulations-Porträt: Ohne Idee wäre alles nichts

Photomontagen und Photoshop-Spielereien setzen vor allem eines voraus: Eine gute Idee. Erst sie rechtfertigt weitreichende Manipulationen, welche sich im Bild aber gleichsam auflösen.

Leserfoto: Klick für Vollansicht (© Horst Fuchs).

Kommentar des Fotografen:

Das Bild entstand aus zwei einzelnen Bildern, die per Ebenen in Photoshop übereinander gelegt wurden. Der Hintergrund ist ausgetauscht um die langweilige, einfache Farbe meiner Kellerwand zu ändern. Ein weißer Durchlichtschirm von oben und ein silberner Reflektor leuchteten das Gesicht aus. Hinter mir stand ein weiterer Blitz (Nikon SB-25), der die Wand ausleuchtete und dabei wahrscheinlich auch ein bisschen die Decke, was ein leichtes Glanzlicht auf den Haaren verursachte.

Peter Sennhauser meint zum Bild von Horst Fuchs:

Dieses Bild ist ein Hingucker, bei dem sich der Betrachter nicht einfach nur fragt, wie es entstanden ist. Das durch die Hände scheinende Gesicht ist eine Herausforderung für unser logisches Sehen: Was macht eigentlich ein Gesicht aus? Reichen Nase, Mund und Augen, um einen Menschen zu erkennen? Und wieviel sagen die Hände über einen aus?

Du lieferst uns zwar nicht viel Information über deine Beweggründe, grade dieses Bild zu machen, die Entstehungsgeschichte der Idee, sozusagen:

Aber das ist vorerst nicht wichtig, weil die Idee auf jeden Fall funktioniert. Wer sich Durch Flickr und die diversen Grafik-Talentsites des Internet kämpft, stösst auf unzählige aufwändiger und zugleich absolut nichtssagender Fotomanipulationen: Einmal mehr verleiten die Möglichkeiten der Technik (zu) viele Leute zu gedankenlosen Spielereien – was an sich nichts Negatives ist – und dazu, sie serienweise und meist kommentarlos einem Publikum zu präsentieren, um nach dem Effekt zu fischen, der bei den Leuten ankommt.: Die Idee gewissermassen im Nachhinein zu kreieren.

Die Beliebigkeit wirkt dabei inflationär: Die wirklich gute Idee, das einzelne, wohlüberlegte, in vielfachen Varianten perfektionierte Werk geht in der Masse der Mittelmässigkeit unter.

Ich gehe deshalb in diesem Fall davon aus, dass es sich nicht um einen reinen Zufallstreffer handelt, sondern dass Du während der Porträtfotografie angefangen hast, Dich mit dem Phänomen „Gesicht“ auseinanderzusetzen und plötzlich erkannt hast, dass Gesichtsprojektionen – vielleicht auf sich selber, vielleicht auf andere Teile des Körpers, die ebenso wichtig sein könnten – die Fragen im Bild ausdrücken würden.

Das stelle ich mir alles vor, ohne dass Du es uns verrätst – aber allein meine Interpretationen und Überlegungen beweisen schon, dass Dein Bild funktioniert. Ob als Glückstreffer oder als Konzeptarbeit ist eigentlich völlig wurscht.

Interessanterweise beschäftige ich mich fast gar nicht mit den Fragen, zu denen Du die Antworten lieferst: Die Technik der Aufnahme.

Und genau so sollte es sein. Denn was wirklich in deinem Bild steckt, ist nicht die Art der Beleuchtung, das zufällige Glanzlicht im Haar oder der ausgetauschte Hintergrund – sondern der gesamte Fragenkomplex rund um Porträt, Gesicht, Körper, Individuum. Die Technik tritt in den Hintergrund, wo sie hingehört, und der Ausdruck des Bildes kommt voll zur Geltung.

Damit das geschieht, ist eine gute techische Umsetzung Voraussetzung: Sichtbare Fehler und Stümpereien würden nämlich ablenken und die Idee stören. Das ist allerdings nicht der Grund, sondern meist nur ein zusätzliches Problem in der mangelnden Wirkung der inflationären Masse an Bildmontagespielereien.

Bei genauerem Hinsehen fallen mir auch in deiner Arbeit einige Ungenauigkeiten auf – aber ich hätte sie wohl ohne deine Hinweise auf die Technik übersehen. So wirkt der Hintergrund in der Beleuchtung irgendwie nicht stimmig, was allerdings dem Bild einen zusätzliche Anziehungskraft verleiht; die hellste Stelle liegt ausgerechnet genau hinter dem Kopf des Modells. Zudem ist die Freistellung des Kopfs, der Haare, aber auch der Schultern etwas gar schroff. Das fällt mir aber eben erst auf, wenn ich danach suche, was ich ohne den Hinweis über den Ausgetauschten Hintergrund nicht getan hätte.

Auf den ersten Blick fand ich übrigens den Hintergrund ausgesprochen wirksam, weil er einerseits zusätzliches Leben in das abgesehen vom Montage-Effekt doch eher langweilige Porträt bringt. das gleiche gilt für das T-Shirt, dessen Beschriftung einen zusätzlichen Haltepunkt bietet und die Aufnahme weniger „inszeniert“ erscheinen lässt. Vielleicht steckt darin ein weiterer Gedanke: Die Gute Idee ist wohl zentral in einem derartigen Bild, aber sie entfaltet ihre Kraft dann am besten, wenn sie wie ein nebensächliches Element ins Bild integriert und nicht wie eine Schrotladung daraus hervorgeschossen kommt.

Ich verstehe indes nicht, warum Du nicht auch die beiden Linien in der oberen Bildhälfte wegretuschiert hast.

Auf jeden Fall finde ich das Bild gelungen, als Plattencover, für das Du es vielleichtin dieses Format gegossen hast, sicher valabel, und die Grundidee eine weitere Serie von Experimenten wert.

Was uns nämlich viele erfolgreiche Fotografen auch noch beizubringen haben, ist, an einem Projekt und einem Stil dran zu bleiben, ihn zu verfeinern und weiter zu entwickeln. Und darin liegt der Unterschied zum dilettantischen Herumprobieren: Weiterentwickeln kann man nur etwas, hinter dem bereits ein Konzept steckt.

In der Rubrik “Bildkritik” analysieren Profi-Fotografen im Auftrag von fokussiert.com montags bis freitags jeweils ein Foto aus der Leserschaft.
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3 Kommentare

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  1. […] Kunst Hierunter fallen alle Bilder, in denen das Foto so stark verfremdet ist, daß von einer Fotografie […]

  2. […] er wahrscheinlich noch dieses Jahr trotzdem sein, eine Ebenenmanipulation mit Photoshop und eine ausführliche Interpretation. Rot-(rot)-Grün in Hessen kommt bald, er ist wieder da, einem einträglichen […]

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