Mark Morrisroe: Mythos und Charisma
Um Mark Morrisroe ranken sich Geschichten, die mehr Mythos sind als Wahrheit. Ein charismatischer Mensch muss er gewesen sein, der früh Verstorbene.
Der amerikanische Fotokünstler Mark Morrisroe wurde nur dreißig Jahre alt. In den rund zehn Jahren, die ihm als Schaffenszeit blieben, lieferte er ein erstaunliches Werk an fotografischen Experimenten ab.
Mark Morrisroe galt im Boston der frühen Achtzigerjahre als charismatische Figur, so teilt das Fotomuseum Winterthur mit. Dort ist aktuell die erste große Übersichtsschau seines außergewöhnlich vielseitigen Werks in Europa zu sehen. Als Künstler und Fotograf war Morrisroe im Mittelpunkt einer lebendigen Bostoner Punk- und Kunstszene, deren wichtigste Protagonisten weit über die Stadt hinaus bekannt wurden – im Bereich der Fotografie Nan Goldin zum Beispiel. Wie sie zog Morrisroe Mitte der Achtziger nach New York. Im Juli 1989 ist er dort gestorben – 30-jährig, an den Folgen von Aids.
Hinweise auf Mark Morrisroes Herkunft und seine Vergangenheit sind liegen in einem Nebel, der Legenden und Wahrheit nicht voneinander unterscheiden lässt. Morrisroe verstand es, sich einen Mythos zu stricken und diesen mit Fantasiegesichten immer weiter auszuschmücken.
Im Rückblick sind Mark Morrisroes Kunststudium in Boston und seine Jahre in der Punk- und Kunstwelt dieser Stadt wohl als seine zufriedenste und produktivste Zeit zu sehen. Hier entdeckte er einen positiven Zugang zu seiner Sexualität und fand seine erste große Liebe, die in vielen der Fotografien und Polaroids zu sehen ist. Hier entstanden die ersten intimen Porträts von Vertrauten sowie viele seiner selbstverliebten Inszenierungen vor der Kamera. Hier drehte Morrisroe seinen Low-Budget-Trashfilm namens Nymph-O- Maniac.
In der Winterthurer Ausstellung werden frühe Farb- und Schwarzweiß-Abzüge, Polaroids und Polaroid-Negative gezeigt, außerdem von ihm bearbeitete Fotogramme. Morrisroe experimentierte bereits während des Kunststudiums an der School of the Museum of Fine Arts Boston (1978-1982) mit verschiedenen Arten von Vervielfältigung, dachte sich in mediale Möglichkeiten und verwandte verschiedene Vergrößerungsverfahren für seine Fotoabzüge.
Besondere Aufmerksamkeit erlangten die sogenannten „Sandwich“-Prints. Das sind Vergrößerungen von übereinander montierten Negativen des gleichen Motivs. Morrisroe sah die Abzüge als eigenständige Bildobjekte, die von ihm verfremdet, koloriert oder beschriftet wurden.
Mark Morrisroes Nachlass ist seit 2006 im Fotomuseum Winterthur deponiert. Rund 600 Farbabzüge, ungefähr gleich viele Silbergelatine-Abzüge, rund 800 der 2000 bekannten Polaroidaufnahmen, sämtliche Negative, Kontaktabzüge sowie ein Teil seiner persönlichen Schriftstücke, lassen die unbändige Lust und Energie erahnen, mit der er sich ins Leben und in die Arbeit gestürzt hat. Bis zum Ende produzierte er fieberhaft, in seinem Krankenhaus wurde noch provisorisch eine Dunkelkammer eingerichtet.
Zu dieser ersten großen Museumsausstellung erschien eine dicke Monografie: [amazon 3037641215]Mark Morrisroe[/amazon], herausgegeben von den beiden Kuratoren Beatrix Ruf und Thomas Seelig, JRP-Ringier Verlag.
Mark Morrisroe
Bis 13. Februar
Fotomuseum Winterthur, Grüzenstraße 44+45 , CH-8400 Winterthur (Zürich)
+41 52 234 10 60, fotomuseum@fotomuseum.ch
Geöffnet Dienstag bis Sonntag 11 – 18 Uhr, Mittwoch 11 – 20 Uhr
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