Mitzieh-Sportfoto: Dreh- und Angelpunkt

Durch mitziehen der Kamera lassen sich dynamische Fotos voller Bewegungsunschärfe schiessen. Die Richtung der Ziehbewegung allerdings ist eine Knacknuss.

Motorrad-Offroad-Mitzieh Fotografie

Canon EOS 60D Aufnahmedaten: 1/40s bei Blende 6.3 mit 18mm Brennweite und ISO 3200 © Magnus Peter

Magnus Peter aus Rastatt : Ich habe die Kategorie „Schnappschuss“ gewählt, da es keine Kategorie Sport gibt. Ein Schnappschuss ist es dennoch: Aufgenommen habe ich es bei einer Offroad-Tour durch die Karpaten (Rumänien). Bei einer kurzen Pause sausten dann zwei Cross-Fahrer vorbei. Ich Kamera hoch und zum Glück den Ai-Servo noch drin. Den einen Crosser habe ich „erwischt“.
An dem Bild habe ich nichts bearbeitet außer auf eure max. Größe gebracht.

Die erste Schwierigkeit beim Mitziehen der Kamera mit einem Bewegten Objekt liegt im richtigen Tempo. Und die zweite, das richtige Detail in den Fokus zu kriegen.

Eine Farbfotografie eines offensichtlich in wilder Fahrt von rechts nach links ein Bachbett im Wald hochfahrenden Motocross-Fahrers. Die gesamte Waldfläche ist stark in Bewegungsunschärfe verwischt, der Motorradfahrer und sein Fahrzeug liegen genau im Zentrum der Komposition.  Die Position des Fotografen scheint auf der gegenüberliegenden Seite des kleinen Baches oben auf dem Ufer zu liegen, erhöht über dem Motorradfahrer. Dieser quert im Augenblick der Aufnahme auch noch eine Stelle im Wald, wo das Sonnenlicht durchzudringen vermag. Er sieht aus, als ob er von einem Spot beleuchtet würde.

Ein gelungener Schnappschuss, muss man hier auf den ersten Blick konstatieren: Die Dynamik, die Position des Fotografen, die Belichtung und die Beleuchtung – Top, wenn auch offenbar ein Zufall, was der Wirkung der Fotografie ja keinen Abbruch tut.

[premiumkritik]

Die Kameraeinstellungen sind sicher nicht eigens so gewählt: Zwar ist die Empfindlichkeit relativ hoch mit 3200 Iso, das sorgt schon für einiges Rauschen, was aber bei einer grösstenteils verwischten Aufnahme keine Rolle spielt. Aber die Blende hätte ich für diesen Typ Aufnahme weiter geöffnet und dafür eine etwas kürzere Zeit erhalten, oder allenfalls die Empfindlichkeit noch weiter hochgeschraubt: 1/40 Sekunde scheint mir eine eher lange Belichtungszeit für ein bewegtes Objekt, das ich gerne scharf hätte. Dass das ganze dann auch noch mit dem Weitwinkel passiert ist spricht für die hohe Geschwindigkeit, die der Motorradfahrer drauf haben musste: Wischbilder sind mit einer langen Brennweite einfacher zu erzielen.

Damit sind wir bei einem zweiten Punkt, der Schärfe und dem Fokus. Generell sagen wir, wenn die Schärfe einer Fotografie nicht auf dem Fokus liegt, es sei verunglückt. Das wird da schwierig, wo der Fokus eine Sache ist, über die man debattieren kann:

Motocross-Motorrad, Mitzieh-Fotografie

Ausschnitt: Der Drehpunkt des Motorradfahrers ist scharf, der Kopf nicht: Er bewegt sich nicht nur vorwärts, sondern auch abwärts.

In dieser Fotografie liegt die Schärfe fast ganz genau in der Bildmitte, und das ist typisch für Mitzieh-Fotos: Ich nehme das Motiv in die Mitte des Suchers und ziehe mit, ich habe keine Zeit für etwas anderes. Ausserdem will ich nicht riskieren, dass ich mit dem Ausschnitt irgendein Teil des Sportlers amputiere. Und im Gegensatz zu weniger schnellen Fotogelegenheiten habe ich keine Musse, den Bildausschnitt zu komponieren: ich muss mir Ausschnitt und Mitzieh-Strecke vorher zurechtgelegt haben.

Nun ist es aber bei vielen bewegten Objekten so, dass der spannendste teil, der uns am meisten interessiert, nicht im Zentrum des Objekts liegt. Und ich sehe auf fokussiert sehr viele Mitzieh-Bilder, in denen der gleiche Effekt wie beim Motorradfahrer oben zu beobachten ist: Der Kopf und das Gesicht der Sportlerin sind wie vieles andere bereits in der Unschärfe, der kristallklare Fokus liegt irgendwo auf Hüfthöhe. Ein Mittel dagegen könnte es sein, zusätzlich einen Blitz einzusetzen: Aus der „Serie“ von Bildern des Motivs, die dieses auch noch leicht verwischen, wird dann eines besonders herausgeholt.

Ich habe selber nicht viel Erfahrung mit Mitziehern, ich fotografie selten solche Motive – und wenn, dann passiert mir meistens genau das, was Dir hier passiert ist. Ich frage mich  und vor allem Euch alle, die mehr darüber wissen, welche Mittel man gegen den Effekt einsetzen könnte.

Hilft es, sich auf den Kopf des Fahrers zu konzentrieren beim Mitziehen? Vielleicht ihn ins Zentrum des Sucherbildes zu rücken?

Motocross Offroad im Bachbett.

Grüne Pfeile: Kamerabewegung ungefähr in Fahrtrichtung. Blauer Pfeil: Motorrad-Bewegung. Blaue Pfeile: Nicken des Motorrads um die Querachse.

Wenn ich anhand der Verwischungen die Bewegung im Bild analysiere, dann fällt mir auf, dass

  • die Umgebung entlang der grünen Pfeile verwischt ist – das ist die Ziehbewegung der Kamera.
  • Der Mopedfahrer allerdings scheint sich erstens nicht genau parallel dazu bewegt zu haben und
  • hat ausserdem eine Kippung um die Querachse, ziemlich genau um den Angelpunkt des gestochen scharfen Schriftzugs „KTM“ aufzuweisen: Er springt hier ja auch über Felsbrocken und zieht nicht gleichmässig wie auf Schienen an uns vorbei.

Ich bin mir nicht sicher und habe jedenfalls auch keinen Beispielbeweis, dass dieser Effekt geringer ausgefallen wäre, wenn Du den Helm des Mannes statt seinen Rumpf ins Sucherzentrum genommen hättest. Rein physikalisch ändert sich nichts daran, dass Du mit der Kamera nur eine Richtung der Bewegung hättest mitmachen können.

Zumindest bei einer deutlich kürzeren Belichtungszeit, etwas längerer Brennweite und einer Belichtungsserie hätte aber ein Bild herausschauen können oder müssen, bei dem der Kopf in der Schärfe liegt.

Damit sind wir aber natürlich wieder weit weg vom Thema „Schnappschuss“ und im Bereich der Sportfotografie: An einem Streckenabschnitt eines Rennens, wo zwei Stunden lang Fahrer vorbeipreschen, ist sowas auszuprobieren sehr viel einfacher als bei einer zufälligen Begegnung im Wald, wo Du aus zwei Versuchen ein sehr gefälliges Bild gemacht hast.

1 Kommentar
  1. Klaus Mik " Mikkki"
    Klaus Mik " Mikkki" sagte:

    Hi,
    wenn ein soches Motiv spontan auftaucht, ist es bereits eine Herausforderung ein Mitziehen einigermassen parallel zur Motivbewegung hinzubekommen. Und dies geschieht zumeist mit Mittenausrichtung. Zu groß ist sonst die Gefahr Teile des Motivs abzuschneiden. Und da das Vorderrrad offenkundig in der Luft ist, ist die Bewegung des Kopfes noch eine andere. Günstiger wäre eine belichtungszeit von 1/1300 oder sogar 1/1600. von hier aus sieht es so aus, als hätten die Lichtverhältnisse das hergegeben.

    schöne Aufnahme

    Viele Grüße

    Mikkki
    Eine Fokussierung auf den Kopf halte ich für ausgeschlossen. möglicherweise könnte hier die Bildverarbeitung noch etwas bringen.

    Antworten

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