Mondfotografie I/II: Die vertrackte Silberscheibe

Er ist sehr weit entfernt und liegt als Motiv so nah: Der Mond stellt Fotografen vor aussergewöhnliche Anforderungen. Dabei ist die korrekte Belichtung (fast) das kleinste Problem.

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Aufgehender Vollmond mit Jumbojet-Passage (Bildausschnitt). ISO 400, 400/600mm, Blende 5.6, 350/s. Klick aufs Bild: 1:1-Ansicht (pixelweise). Die „Unschärfe“ ist eine Folge des flachen Aufnahmewinkels: Die aufsteigende warme Luft dicht über dem Boden zum Horizont hin erzeugt ein Flimmern. (© PS)

Der Faszination des Mondes kann sich wohl kaum ein Mensch entziehen – und schon gar kein Fotograf. Aber wer mit dem Erdtrabanten und der Kamera zu experimentieren beginnt, macht rasch zwei grundlegende Erfahrungen:

  • Belichtungstechnisch sind Mondbilder ein Kinderspiel
  • Künstlerisch sind Mondbilder eine Schlangengrube

Wie bitte? Wer mit der Kompaktkamera oder der automatischen Spiegelreflex schon einmal versucht hat, den „riesigen“ Mond am klaren Firmament abzulichten, hat mit fast an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit enttäuschende Ergebnisse zu beklagen gehabt. Im Bild zu sehen war ein grosses schwarzes Nichts mit einem hoffnungslos überbelichteten weissen Punkt drin – je nach Teleobjektiv grösser oder kleiner. Warum?

Weil das winzige, helle Sujet der Belichtungsmessung der Kamera einen Streich spielt. Die ist nämlich darauf geeicht, eine Kombination von Blende/Verschlusszeit zu wählen, welche dem Sensor über fast die gesamte Bildfläche eine festgelegte durchschnittliche Menge an Licht zuführt.

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Mit welcher Verschlusszeit wurde wohl dieses Bild (Ausschnitt! Klick aufs Bild = 1:1 pixelweise) aufgenommen? Antwort im Text weiter unten. (© PS)

Das liegt daran, dass bei Tageslicht aufgenommene Fotos eines durchschnittlichen Motivs in durchschnittlichem Abstand einen etwa gleich bleibenden, durchschnittlichen Wert an Hell/Dunkel-Anteilen aufweisen (18 Prozent-Grauwert). Darauf ist die mittengewichtete Messung der Kamera geeicht.

Das reziproke Strand/Schnee-Problem

Ein schwarzer Himmel mit einem kleinen, hellen Mond in der Mitte ist aber alles andere als Durchschnitt. Die Kontraste sind nicht gleichmässig verteilt. Das bringt die Automatik der Kamera dazu, so lange zu belichten, bis der Mond als einzige „Lichtquelle“ diesen Durschnittswert für rund 75% der gesamten Bildfläche geliefert hat. Der arme Kerl muss also sozusagen den stockdunkeln Resthimmel kompensieren und verglüht dabei zu einem weissen Fleck im Bild.

(Ein ähnlicher Effekt ist zu beobachten, wenn mit Automatik gegen die Sonne, hellen Himmel, im Schnee oder an einem hellen Sandstrand fotografiert wird – diese Umgebungen sind überdurchschnittlich hell und werden deshalb von der Kamera unterbelichtet. Aus diesem Grund verfügen die meisten Kompaktkameras über eine Belichtungsvorwahl namens „Strand/Schnee“.)

Bevor wir zur korrekten Belichtung für das Mondbild kommen, deshalb noch ein Einschub: Egal, wie gross der Mond subjektiv erscheinen mag (und er erscheint nicht messbar grösser am Horizont als im Zenith, dabei handelt es sich nachgewiesenermassen um eine optische Täuschung): Er ist ein schrecklich kleines Motiv. Das erkennt der Fotograf spätestens dann, wenn er staunend die „riesige“ Scheibe anglotzt, die Kamera anhebt und durch den Sucher im Normalobjektiv versucht, den Mond auszumachen – und kaum einen Stecknadelkopf sieht!

Lange Brennweite oder Stecknadelkopf

Anders gesagt: Für Bilder des Erdtrabanten, auf denen mehr als ein weisser Punkt zu sehen ein soll, ist eine möglichst lange Brennweite nötig. Selbst mit einem „Fernrohr“ wie dem für den obigen Bildausschnitt verwandten Nikon 80-400mm, was beim Crop-Faktor meiner D200 einem 600mm-Teleobjektiv für Kleinbild entspricht, nimmt der Mond grade mal knappe 20 Prozent der Bildvertikalen im Querformat ein.

Mondbild

Gesamtansicht obiger Aufnahme, die mit einer Brennweite von 400/600mm entstanden ist: Der Mond nimmt keine 20% der Bildvertikalen ein! (© PS)

Was also ist zu tun? Die Antwort ist für Besitzer preiswerter Kompaktkameras vernichtend: Belichtungsautomatik ausschalten. Das ist ein hartes Urteil, weil das bei billigen Kameras nur zu oft gar nicht möglich ist. Die Automatik ist aber für einen „korrekten Mond“ nicht nur unnötig, sondern ein ernsthaftes Hindernis.

Alternativen sind eine experimentelle manuelle Blendenkorrektur, wenn die Kamera dies erlaubt, oder die Spotmessung, die nur gerade die Belichtung im Bildzentrum berücksichtigt – leider funktioniert auch dies nur bei Kameras mit einem leistungsstarken Teleobjektiv ab etwa 400mm Kleinbild-Äquivalent, weil der Mess-Spot selbst hier meist noch grösser ist als die abgebildete Mondfläche.

Der Mond ist ein Felsklotz in praller Sonne

Wie also wird der Mond denn nun richtig belichtet? Ist vielleicht die Einstellung „Nachtaufnahme“ richtig? Ganz im Gegenteil. Der Mond sollte so fotografiert werden wie ein in praller Sonne liegender Felsklotz. Warum? Weil es sich genau darum handelt.

Der Mond (wir reden hier der Einfachheit halber von einem Voll- oder gut sichtbaren Teilmond bei klaren, ungetrübten terrestrischen Verhältnissen) wird von der Sonne immer genau gleich hell beleuchtet. Es gibt keine Wolken auf dem Mond, und das einzige, was ihn bisweilen in den Schatten rückt, ist die Erde – dann reden wir von einer Mondfinsternis.

Fototechnisch kann deshalb die „sonnig f16“-Regel angewandt werden. Sie besagt, dass die richtige Belichtung bei sonnigem Wetter bei Blende 16 dem ISO-Wert als Sekundenbruchteil entsprechen soll. Daraus folgt bei ISO 100 für eine Fotografie des Mondes eine Belichtungszeit von 1/100s bei Blende 16, 1/200s bei Blende 11, 1/50s bei Blende 22 etc.

Mond Brennweitenvergleich

Der Mond bei Tag und mit vier üblichen (Tele!-) Brennweiten im vollen Bildformat. Von oben links nach unten rechts (jeweils im Kleinbild-Äquivalent): 120mm, 300mm, 450mm und 600mm. Typische Kompaktkameras haben eine maximale Brennweite von 200mm KB. (© PS)

Die „sonnig f/16 Regel“

Das scheint auf den ersten Blick schrecklich kurz zu sein, aber es führt auf jeden Fall zu brauchbaren Ergebnissen. Und das unabhängig davon, wieviel Bildfläche der Mond einnimmt und in welcher Phase er sich befindet (ausser bei Neumond), denn die beleuchtete Fläche ist immer „sonnig“ nach der f/16-Regel.

Nicht überzeugt? War ich auch nicht. Das klang mir alles zu logisch. Also bin ich raus auf die Feuerleiter und hab genau nach Handbuch mit dem 400mm Nikkor und der Nikon D200 (600mm auf Kleinbild) das oberste Bild geschossen: ISO 100, Blende 8, 1/400s (zwei Blendenstufen über f16 = 1/4 der Ursprungsverschlusszeit). Et voilà!

Das ist nicht alles, was man über die Belichtung von Mondfotos wissen kann, aber ich denke nach etlichem Herumprobieren, dass es alles ist, was man wissen muss . Jedenfalls, wenn es um Fotos des Mondes hoch oben am Himmel geht – die Bildkomposition und Motivwahl ist ein ganz anderes Thema, das ich in einem nächsten Artikel abhandeln will.

Mondfotografie II/II
Mondfotografie III/II

12 Kommentare
  1. Olli
    Olli sagte:

    Danke für die Hinweise, am Mond wollte ich mich demnächst auch einmal versuchen – auch, wenn es wohl schon Tausende (oder Millionen ;) ) vor mir getan haben..

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  1. […] habe mich schon vor längerem ausgiebig mit Mondfotografie beschäftigt und dabei schnell und viel gelernt. Unter anderem, dass der Erdtrabant […]

  2. […] kann ich der Versuchung nicht widerstehen, die mühsam zusammengesuchten Erkenntnisse zur Mondfotografie umzusetzen zu […]

  3. […] Solothurn: Um solche Bilder hinzukriegen, war noch vor ein paar Jahren einiges an Aufwand mit Astro-Tabellen, Winkelmessern und Landkarten nötig. Ich habe meine ersten Versuche in der Mondfotografie auf fokussiert.com […]

  4. […] über dem Pilatus gefällt:Du hast eine ziemlich gute Zeit erwischt mit etwas Restlicht und dem Mond über dem Berg, obwohl ich mir aus eigener Erfahrung dehr gut vorstellen kann, dass Du Dir bei der Vorbereitung […]

  5. […] fokussiert.com schon länger liest, kennt meine Erfahrungen mit dem Mond – und meine vielen Versuche und Anleitungen, die ideale Zeit und die ideale Position für das ultimative Mondbild zu finden. Anfangs habe ich […]

  6. […] habe auf fokussiert.com eine inzwischen recht lange Serie von Postings zur Mondfotografie publiziert, die sich nicht nur mit den technischen Herausforderungen befassen. Es gibt einen Haufen […]

  7. […] Das ist nicht einerlei: Denn während der Abstand zum Mond immer der gleiche ist und seine Grösse im Bildausschnitt folglich nur mit Mühe und sehr langer Brennweite wirklich beachtenswert gemacht werden kann, kann […]

  8. […] Auch hat sich jeder halbwegs ambitionierte Fotograf auch schon einmal am Sternenhimmel oder Mond versucht und so die “klassischen” Nachtszenen irgendwie auf einer Fotografie verewigt. […]

  9. […] den Vollmond hinter markanten Motiven ablichten will, hat zunächst ein paar Astronomie-Lektionen und einige […]

  10. […] besteht nicht so sehr in den technischen Einstellungen. Wir haben im ersten Posting zur Mond-Fotografie behauptet, eine lange Brennweite, manuelle Einstellmöglichkeiten der Kamera und die sonnig […]

  11. […] sind, da unsere Zeitmessung vom Sonnenlauf abhängt, zum Glück einfacher einzuschätzen als die Auf- und Untergänge des Mondes. Astrologische Astronomische Tabellen in Zeitungen oder auf Astro-Websites wie derjenigen des […]

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