Motivsuche: Nur Trophäen moderner Jäger und Sammler?

Meine persönliche Motivation bezüglich Fotografie auf dem Prüfstand. Fotografiere ich wirklich die „richtigen“ Motive? Oder gebe ich mich zu sehr der Trophäenjagd hin und kümmere mich zu wenig um Inhalte, die nachhaltig Bedeutung haben?

Katze Frau Intimität

Beispiel für ein Bild von Belang (zumindest für mich): Katze Frau Intimität

Die Fotografie ist mittlerweile über 175 Jahre alt und hat in ihrer relativ kurzen Geschichte schon so einige gravierende Wandel durchgemacht. Das Aufkommen des Kleinbild-Formates hat es ermöglicht, auch die Kameras und Objektive kompakter und leichter zu bauen. Die Filme waren günstiger und einfacher zu handhaben. Das Aufkommen des Farbfilms erlaubte eine natürlichere Abbildung des Motivs und fügte eine weitere Meta-Ebene hinzu, denn Farben, Farbkombinationen, und Kombinationen aus Farbe, Form oder Motiv haben oft eine eigene Bedeutung, die wir nicht selten unterbewusst werten. Die digitale Fotografie ermöglichte es, deutlich mehr zu fotografieren, denn auf eine Speicherkarte passen hunderte Bilder, die dazu quasi auch noch kostenlos sind, denn man kann die Speicherkarte immer wieder verwenden und muss die Bilder nicht mit Chemikalien entwickeln.

All diese Fortschritte haben ihre Vor- und Nachteile. Wenn man sich dessen bewusst wird, kann man sich quasi die Rosinen vom Kuchen picken.

Bevor unsere Vorfahren sesshaft wurden, lebten sie in kleinen Gruppen, die ihren Nahrungsquellen hinterher zogen. Tiere wurden gejagt, Obst, Gemüse, Getreide, Wurzeln usw. wurden gesammelt. Diese Überlebensstrategie hat lange Zeit sehr gut funktioniert, und sich dabei tief in uns verankert. Obwohl wir diese Lebensweise nicht mehr praktizieren, haben wir auch heute noch den Drang dazu. Nur dass wir heute meistens keine Tiere mehr jagen und keine Nahrung mehr sammeln, weil alles zu fast jeder Zeit verfügbar ist.

Wir projezieren diese Verhaltensweisen auf andere Gebiete. Die einen laufen einen Marathon, die anderen sammeln Briefmarken. Obwohl Fotografie mittlerweile Konkurrenz bekommen hat (Film zum Beispiel), ist sie immer noch sehr beliebt. Trotz der ganzen Wandel, die sie durchgemacht hat, befriedigt sie immer noch unseren Drang zu jagen, aber auch zu sammeln.

Enten See Sonnenuntergang Trophäenbild

Beispiel für ein typisches Trophäenbild (Enten im Sonnenuntergang)

Jeder, der sich ein wenig intensiver mit Fotografie beschäftigt hat, kennt das Gefühl. Man schnappt sich die Kamera, und zieht los, auf der Jagd nach der besonderen Situation, dem decisive Moment, wie es Henri Cartier-Bresson nannte. Oder man plant voraus, sucht sorgfältig die richtige Stelle, legt sich auf die Lauer. Hat alles wie geplant geklappt, oder hatte man einfach Glück, und konnte sein Trophäen-Bild machen, ist man natürlich stolz. Es sind die Streicheleinheiten fürs Ego, die Belohnung für die Mühe, die man sich für ein Bild gemacht hat.

Petit France Trophäenbild

Beispiel für ein typisches Trophäenbild (Petit France)

Haben wir ein Bild gemacht, archivieren wir es in irgendeiner Art und Weise. Ob es nun in ein Album geheftet, an die Wand gehangen, im Internet präsentiert oder einfach auf der Festplatte abgelegt wird, wenn es sich um ein gutes Bild handelt, werden wir es uns von Zeit zur Zeit anschauen und davon zehren.

Greifvogel Trophäenbild

Beispiel für ein typisches Trophäenbild (Greifvogel)

Wenn man Fotografie aus dieser Perspektive betrachtet, stellt sich die Frage, welche Bilder, die man heute macht, einem auch in Zukunft gefallen werden. Wie schon erwähnt, macht Fotografie, wie jede bildende Kunst, eine stetige Wandlung durch. Und zwar nicht nur technisch, sondern auch inhaltlich. Sie unterliegt auch immer einer aktuellen Mode. Schaut man sich Bilder früher Jahrzehnte an, so kann man das ganz gut erkennen. Je nachdem wie exzessiv eine Mode bedient wurde, kann es sehr gut sein, dass Bilder, die früher einer Mode entsprachen und damals sehr gefeiert wurden, heute überholt, altmodisch und nicht mehr als zeitgemäß empfunden werden. Meine Vermutung ist, dass sich dieser Effekt durch die Digitalisierung und die dadurch erzeugte Bilderflut noch verstärken wird.

Trophäenbild Schiff See

Beispiel für ein typisches Trophäenbild (Schiff)

Auf der anderen Seite gibt es Bilder, die als zeitlos schön/interessant/sehenswert beschrieben werden, unabhängig davon, ob sie nun schwarzweiß, bunt, analog, digital, oder wie auch immer sind. Man merkt an dieser Aufzählung, dass eigentlich das Motiv das Zeitlose ausmacht, und nicht die technische Ausarbeitung.

„Ein Bild sagt mehr als tausend Worte.“ Diesen Spruch kennt wohl fast jeder. Aber stimmt das auch? Es stimmt, dass Fotografie eine Art der visuellen Kommunikation ist.
Hat der Fotograf wenig zu sagen, so werden die Bilder, die er macht, oft inhaltlich sehr flach. Das merkt man insbesondere dann recht gut, wenn bei einer Bildkritik die Besprechung des Inhalts schnell abgeschlossen ist, oder gar nicht erst stattfindet. Stattdessen wird sich schnell in die Besprechung des Entstehungsprozesses und der technische Umsetzung gerettet, denn diese sind oft einfach quantifizierbar.

Burg Graben Trophäenbild

Beispiel für ein typisches Trophäenbild (Burg)

Ich betrachte mittlerweile meine Bilder und frage mich, wie wohl meine Beziehung zu dem jeweiligen Bild in 10, 20, 30, und mehr Jahren sein wird. Auch ich habe so manche Mode nachfotografiert. Im Prinzip fotografieren wir meistens Werbung nach, worüber sich die Industrie freut, weil man dafür recht kostspieliges Equipment benötigt.
Ein Trophäen-Bild pusht momentan mein Ego. Natürlich sollte jeder Fotograf auch ständig eine Entwicklung durch machen und sich weiter entwickeln. Wenn man alle Bilder, die man vor einigen Jahren gemacht hat, immer noch gut findet, dann ist man in seiner Entwicklung stehen geblieben. Die Bilder, die einem auch noch nach einem langen Zeitraum gefallen, oder besser gesagt, die einen berühren, werden meistens nicht die Trophäen-Bilder sein.

Trophäenbild Brückenkopf Langzeitbelichtung

Beispiel für ein typisches Trophäenbild (SoDa-Brücke)

Als Beispiel nehme ich mal das Bild von meiner Partnerin und ihrer Katze (siehe erstes Bild; Bild bitte anklicken, um es komplett zu sehen). Auf den ersten Blick ist es ein gewöhnlicher Schnappschuss. Technisch und kompositorisch nicht mal besonders gut. Dennoch weiß ich jetzt schon, dass mir dieses Bild auch noch in 40 Jahren (sofern ich dann noch Bilder anschauen kann) nicht nur gefallen wird, es wird auch dann noch eine tiefere Bedeutung für mich haben, es wird für mich auch dann noch von Belang sein und mich berühren. Es zeigt einen typischen Sonntagmorgen bei uns. Das Frühstück steht auf dem Tisch, wir sitzen in unseren Wohlfühlklamotten dabei und starten entspannt den Tag. Die Katze ist, wie fast immer dabei. Mich berührt vor allem der innige, ja fast intime Blick, wie sich die beiden anschauen. Ich kenne ja beide sehr gut und weiß, dass sich beide innig lieben. Auch noch in vielen Jahren wird mich das Bild an die beiden und ihre besondere Beziehung zueinander, aber auch zu mir berühren.

Als weiteres Beispiel möchte ich die Bilder des Fotografen und Bildhauers Alain Laboile vorstellen. Die Bilder, die er von seiner Familie gemacht hat, sind so unfassbar ausdrucksstark, dass sie mich immer wieder aufs Neue umhauen. Manche der Bilder werden sicher gestellt sein, und trotzdem sind es nicht die üblichen kitschigen Bilder, die man von Kindern sonst so kennt.

Trophäenbild Landschaft

Beispiel für ein typisches Trophäenbild (Landschaft)

Ein Trophäen-Bild, für das ich vielleicht viel Aufwand getrieben habe, zu dem ich aber sonst keine Beziehung habe, wird höchstens als (schöne) Deko enden, oder irgendwann im Archiv vergraben werden.

Trophäenbild Dom Langzeitaufnahme

Beispiel für ein typisches Trophäenbild (Dom)

Ich glaube, dass wenn man ein guter Fotograf werden möchte, dann muss man dem Drang widerstehen Bilder zu machen, um andere zu beeindrucken. Diese Bilder werden nicht lange Bestand haben. Man wird immer neuen Trophäen nachjagen, und nie dauerhaft das Gefühl haben, das die eigene Fotografie für irgendwen wichtig ist.
Ich will aber auch nicht zu dogmatisch sein. So eine Fotojagd macht Spaß, vor allem, wenn man erfolgreich war.

Ich will nur darauf hinweisen, dass man auch hin und wieder die wirklich wichtigen Dinge im Leben fotografieren sollte. Und das sind selten die Dinge, die man in den Motivkategorien der Amateurfotografie findet. Wählt eure Motive nicht nur nach banalen Kriterien, wie „Ach, ist das nicht schön“ aus. Reine Abbildungen davon, wie Dinge aussehen, sind vielleicht in Katalogen ganz sinnvoll, vermitteln dem Betrachter aber kaum etwas. Als Betrachter merken wir recht sicher, ob das Motiv für den Fotografen irgendeine Bedeutung hat. Und darum geht es doch schließlich am Ende des Tages. Einen Transport von Emotionen, wie man ihn nur mit Worten nicht bewerkstelligen könnte.

14 Kommentare
  1. Werner
    Werner sagte:

    Ein polarisierender Artikel. Aber gerade daher ist er gut. Und ich denke, es geht dir um die Frage „was bleibt“. Die bewegt uns ja irgendwie alle: Ob nun Maler, Fotograf, Bildhauer.
    Neben persönlichen Beweggründen für ein Foto ist es wohl die Auseinandersetzung mit einem Sujiet,die einem Bild Tiefe verleiht. Das unterscheidet dann auch die „Trophäe“ von einem „bleibenden Werk“ –
    Danke für deine Gedanken

    Antworten
    • Darius Kupczak
      Darius Kupczak sagte:

      Danke für deine Meinung und dein Lob.
      Ein Artikel, der so ein Thema behandelt, muss polarisierend sein, damit man zum Nachdenken und es dann zu einer Diskussion kommt.
      Du hast auf deinem Blog Andreas Feininger zitiert: „Das Wort Amateur kommt vom lateinischen amator, „Liebhaber“, und von amare, „lieben“.“
      Die Frage ist halt, was man liebt. Liebt man den fotografischen Prozess? Liebt man das, was auf dem Bild zu sehen ist? Liebt man es, für seine Bilder bewundert zu werden?
      Wenn es gut läuft, vermutlich etwas von allem. Meine persönliche optimale Rangfolge wäre:
      1. Ich liebe das, was auf dem Bild zu sehen ist.
      2. Ich liebe den fotografischen Prozess.
      3. Ich leibe es für meine Bilder bewundert zu werden.

      Leider klappt das noch nicht so ganz, aber ich arbeite dran. Ich glaube aber auch, wenn man aus meiner Rangfolge vor allem Punkt 1. aber auch Punkt 2. wirklich konsequent lebt, dann folgt Punkt 3. fast automatisch. Bei vielen Fotografen folgt Punkt 3. aber erst im hohen Alter oder sogar erst posthum.

      P.S.: Dein Blog gefällt mir sehr gut. Leider kommt aber ein Fehler, wenn man auf „Portfolio“ klickt ;-)

  2. Chilled Cat
    Chilled Cat sagte:

    Ich verstehe ja schon, was du mit dem Bild „Katze Frau Intimität“ ausdrücken willst und wie es sich von den anderen Beispielen unterscheidet. Dieses Bild hat jedoch für dich eine ganz andere Bedeutung als für mich, der ich weder Katze noch Frau kenne.

    Auch wenn Menschen sich besonders für Menschen und deren Emotionen auf Bildern interessieren, scheint es mir doch zu stark vereinfacht, Bilder ohne Menschen darauf als „Trophäen“ mit minderem Wert einzusortieren.

    Ein Gegenbeispiel: Ansel Adams‘ „Clearing Winter Storm“ von 1944 ist auch heute noch nicht in Vergessenheit geraten.

    Das soll jetzt niemanden davon abhalten, die Menschen in seiner Umgebung zu fotografieren, zu denen er oder sie eine besondere Beziehung hat.

    Antworten
    • Darius Kupczak
      Darius Kupczak sagte:

      Selbstverständlich hat dieses Bild eine andere Bedeutung für dich als für mich. Das trifft vermutlich auf sehr viele Bilder zu. Sollte das Bild für uns die gleiche Bedeutung haben, dann müssten wir beide die Person kennen und möglichst die gleiche Beziehung zu ihr haben.
      Das war auch gar nicht mein Anspruch.

      Oh, das ist mir bisher gar nicht aufgefallen, dass ich bei den Trophäen-Bildern keine Menschen dabei hatte. Das war unbeabsichtigt. Mir ging es dabei nicht um Bilder mit und ohne Menschen. Ich habe nur Bilder ausgesucht, mit denen sich gut der Begriff „Trophäen-Bilder“ verdeutlichen lässt. Natürlich gibt es auch Trophäen-Bilder mit Menschen, sehr viele sogar. Und natürlich gibt es Bilder ohne Menschen, die für den Betrachter von besonderer Bedeutung sind. Man kann natürlich auch eine besondere Beziehung zu einem Ort oder zu Gegenständen haben.

      Ansel Adams‘ „Clearing Winter Storm“ ist ein gutes Beispiel. Für mich ist es ein gut gemachtes Schwarzweiss-Foto mit einer schönen Landschaft. Mehr aber auch nicht. Ich war eben noch nie dort.
      So weit ich weiß, hat Ansel Adams dort jahrelang gelebt und gearbeitet. Für ihn hatte dieses Bild sicher eine ganz andere Bedeutung, als für mich.

    • Sofie Dittmann
      Sofie Dittmann sagte:

      „Clearing Winter Storm“ vs. „Katze Frau Intimität“. OK. ??

      Meines Erachtens unterscheidet sich jemand wie Ansel Adams und seine Landschaftsmotive vom Trophäenjäger doch dadurch, daß sich Adams zeit seines Lebens mit diesen speziellen Motiven beschäftigt hat, wodurch ja dann diese spektakulären Aufnahmen entstanden sind. Man sieht diese intime Vertrautheit. Im Gegensatz dazu dann entsprechende Schnappschüsse derselben Motive, die das Netz überfluten.

      „Es wurde alles schon mal so fotografiert, nur noch nicht von jedem.“

    • Chilled Cat
      Chilled Cat sagte:

      Ich war schon im Yosemite National Park und dann natürlich auch an der Stelle, von der aus „Clearing Winter Storm“ aufgenommen ist. Das ist halt ein Aussichtspunkt im Park.

      Wenn du als Tourist dort ein Foto machst, dann ist das sehr wahrscheinlich um Lichtjahre von Anselm Adams‘ Foto entfernt. Einfach schon aus dem Grund weil dein Urlaub rum ist bevor an der Stelle das passende Wetter ist.

  3. Jürgen Hurst
    Jürgen Hurst sagte:

    Ein sehr guter Artikel. Mir geht es ähnlich. Was macht ein gutes Bild aus? Nicht so sehr Technik, auch nicht unbedingt Gestaltung, nein, es ist die Bedeutung. Selbst wenn diese von Betrachter zu Betrachter sich verändern sollte, der Inhalt ist, der einem Bild zur Bedeutung verhilft.

    Das Trügerische an der ausschließlichen Orientierung an Technik und Gestaltung ist, dass sie – sobald der „Trophäen-Effekt“ verpufft ist – als wesentliches Kriterium herhalten muss. Und dadurch die technischen-gestalterischen Defizite als dominierendes Merkmal solcher Bilder überdauern.

    Vielen Dank für die Darstellung.
    Jürgen

    Antworten
    • Darius Kupczak
      Darius Kupczak sagte:

      Danke schön.
      Gestalterische und technische Ausarbeitung sind für Bereiche wie Produkt- und Werbefotografie schon sehr wichtig. In anderen Bereichen ist es, zumindest für mich, der Feinschliff. Ein wirklich gutes Bild vereint das alles in sich.

Trackbacks & Pingbacks

  1. […] auf einer Festplatte oder DVD. Doch keiner interessiert sich nach ein paar Jahren für die Trophäenbilder, die man aus dem Urlaub mitgebracht hat, oder die Aufnahmen des Kindergeburtstages, wenn man sie […]

  2. […] Anschluß an ein paar vor kurzem von Darius und mir erschienene Artikel will ich hier im einzelnen noch einmal auf projektbezogenes […]

  3. […] geschraubt und sind in „Hab-Acht-Stellung“: Bereit Trophäen zu sammeln (siehe auch hier)  Sie bilden eine breite Front und ich bin fast versucht zu glauben, die Queen, die Stones oder […]

Hinterlasse einen Kommentar

An der Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar zu Jürgen Hurst Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert