Möwenbild: Fehlender Bezug

Schnappschüsse sind attraktiv. Sie wirken spontan und erzählen uns oft eine kleine Geschichte. Aber damit sie auch wirken, benötigen sie einen für den Aussenstehenden Betrachter erkennbaren Grund und Bezug.

[textad]Leserfoto: Klick für Vollansicht (© Ralf Joost).

Kommentar des Fotografen:

Die Möwe, welche anscheinend auf Schaufensterbummel ist, sah ich in Alkmaar in der Nähe des Käsemarkts. Bei der Bildbearbeitung habe ich die Schärfe und die Helligkeit leicht korrigiert. Aufgenommen wurde es im Juli 2011.

Profi Martin Zurmuehle meint zum Bild von Ralf Joost:

Ralf Joost hat mit seinem Schnappschuss eine Momentaufnahme eine Situation in einer Stadt aufgenommen. Die Möwe marschiert hier gemütlich, stolz und angstfrei über den Straßenbelag. Diese Situation ist für uns ungewöhnlich, weil normalerweise Vögel ziemlich schreckhaft sind und schnell wegfliegen, wenn man sich nähert.

Die Möwen haben sich aber an Touristen gewöhnt, und wir können uns ihnen so leichter nähern. Der hier gezeigte Vogel wird, trotz der relativ kleinen Blende von 7.1, durch die Unschärfe des Hintergrunds etwas freigestellt und so auch betont.

Von der Komposition her wäre es aber besser gewesen, wenn der Vogel nicht so nahe am Bildrand in Laufrichtung platziert worden wäre. Eine traditionelle Gestaltungsregel besagt, dass in einer Richtung bewegende Motive mehr Raum in der Bewegungsrichtung erhalten sollten als in der entgegengesetzten Richtung (außer wenn wir eine hohe Geschwindigkeit symbolisieren möchten).

Das Hauptproblem bei dieser Aufnahme ist für mich aber der fehlende Bezug zwischen der Möwe und dem Hintergrund. Wenn wir zwei so dominante Bildbereiche sehen, so suchen wir automatisch nach einer Verbindung. Diese wird hier aber nicht erkennbar. Zwischen dem Geschäft und der Taube gibt es keine Beziehung und so bleibt alles zufällig und deshalb auch weitgehend wirkungslos.

Es ist ausgesprochen schwierig, bei Schnappschüssen solche Beziehungen zu sehen und im Bild zu zeigen. Ein Meister dieses Fachs war Henri Cartier-Bresson. Es lohnt sich, seine Bilder anzusehen und zu studieren, denn bei allen Schwierigkeiten des Schnappschusses und der knappen Zeit, die uns dabei für die Aufnahme bleibt, hatte er alle seine Bilder hervorragend gestaltet und er war immer in der Lage, den genau richtigen Zeitpunkt für die Auslösung zu erwischen.

Fazit: Eine an sich interessante Situation genügt noch nicht für eine wirkungsvolle Aufnahme. Wir müssen diese auch perfekt gestalten und erkennbare Bezüge herstellen.

In der Rubrik “Bildkritik” analysieren Profi-Fotografen im Auftrag von fokussiert.com montags bis freitags jeweils ein Foto aus der Leserschaft.
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2 Kommentare
  1. Ralf Joost
    Ralf Joost sagte:

    Vielen Dank für das Interesse an meinem Foto und für die
    Veröffentlichung. Man kann von jeder Bildkritik, die täglich hier erscheint, nur lernen…

    Antworten
  2. Istvan Lörincz
    Istvan Lörincz sagte:

    Die Möwen werden immer frecher. Eine Möwe flog zu meinem Schatz die auf einer Bank am Nordsee saß, pickte ihr in die Hand, sie ließ den Sandwich fallen und die Möwe schnappte es im Flug. So sind sie. Das wäre auch ein Foto wert gewesen, aber es ging alles zu schnell um es zu fotografieren. :-)

    Antworten

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