Nachtfotografie: Die Reduktion der Nacht genutzt

Für die Fotokamera sind nachts keineswegs alle Katzen grau. Die klare Trennung von dunkel und hell hilft, starke Reduktionen zu inszenieren.

Leserfoto: Klick für Vollansicht (© Anton Krieger).
Kommentar des Fotografen:

Ein Foto aus einem nächtlichen Spaziergang. Ich hatte Lust ein wenig frisches Luft zu schnappen und habe meine Kamera mitgenommen. Auf dem Weg nach Hause entdeckte ich ein interessantes Motiv. Eine einsame Lampe, die einen kleinen, leeren und mit Schnee bedeckten Parkplatz beleuchtet. Unter der Lampe ein Fenster der im warmen, gelben Farbton erscheint. Da ich Freihand fotografiert habe, wählte ich die Blende von 1,4, um die Belichtungszeit kurz zu halten. Später wurden am Foto kleine Korrekturen vorgenommen wie Ausschnitt, Kontrast etc.

Peter Sennhauser meint zum Bild von Anton Krieger:

Eine Hauswand im rechten Bildteil mit einer montierten Strassenlaterne, die einen durch die Perspektive elliptisch wirkenden Lichtkreis auf den ansonsten in völliger Dunkelheit liegenden Vorplatz wirft. Wie ein Bühnenspot beleuchtet die Strassenlampe mit ihrem kalten Halogenlicht einen kleinen Teil der Hauswand und einen klar begrenzten Raum der Strasse:

Teile der Fassade werden im Umfeld des Scheinwerfers sichtbar, gegen den Bildrand hin verläuft alles ins radikale, totale Schwarz der Nacht.

Ein einziges schräggestelltes, mit einem Vorhang gedämmtes Fenster im Hochparterre wirft einen Spalt warmen, gelblichen Lichts in die Nacht hinaus und verleiht dem vermeintlich kalten, abweisenden Haus eine Andeutung von Geborgenheit, die hinter den dunklen Fenstern herrschen könnte.

Ein impressionistisches Bild, welches nicht nur den Gegensatz von Licht und Dunkel, sondern auch verschiedener Arten von Licht benutzt: Der bläulich-helle Spotkreis auf dem Vorplatz wirkt, obwohl erhellt, keineswegs einladend. Vielmehr würde man hier sichtbar mitten in der Bedrohung des von allen Seiten herankriechenden Dunkels stehen.

Die Hauswand, der horizontale Fensterlinien den Sog in die Schwärze hinten links verstärken, wirkt abweisend und aussperrend – und mitten drin gibt es diesen einen Hoffnungsschimmer, das gelbliche Licht einer Behausung hinter der Fassade, das alles verspricht, was die sonstige Umgebung verwehrt.

Diese Fotografie ist ein schönes Beispiel für die starke Wirkung der Reduktion, welche Du als Fotograf hier nicht „herstellen“ musstest, weil sie durch das nächtliche Dunkel geliefert wird: Wesentliche Elemente sind die beiden Lichtquellen und der Lichtschein auf der Strasse.

Die Hausfassade sorgt für strukturierte Linien und setzt die Lichtquellen in einen Kontext (aussen, abwehrend), bleibt aber genau im richtigen Masse im Hintergrund. Dass auch noch just unter dem erleuchteten Fenster, der Höhle mit dem Feuer, das den Menschen Schutz vor den Monstern der Dunkelheit bietet, Graffiti an der Wand stehen wie die Signale einer Zivilisation mit ihren eigenen Dschungel-Regeln, ist ein neckisches Interpretations-Detail; dass die Läden der untersten Fensterreihe im Vordergrund dicht verschlossen sind, ein inhaltlicher Glücksfall.

Und zugleich beweisen diese Details, dass es hier viel zu entdecken und zu interpretieren gibt, und das Spotlicht der Strassenlaterne zieht die Blicke magisch an, um in konzentrischen Kreisen das Bühnenbild dieser Vorstadt-Nacht zu erkunden.

Dieses Motiv muss man auf einem nächtlichen Spaziergang erst mal so sehen – Gratulation dazu.

Die Komposition indessen hätte meines Erachtens besser sein können. Zunächst ist das Hochformat hier nur auf den ersten Blick die richtige Wahl – die Hausfassade braucht das aufstrebende Format nicht, zusammen mit dem Lichtschein am Boden sorgt sie in jedem Fall aus dem gespiegelten „L“ für einen vertikalen Vektor.

Der in Dunkelheit getauchte Vordergrund ist zu umfangreich. Wenn zwischen Lichtschein und Bildkante nur ein schmaler Rand ohne Licht liegt, reicht das für den Eindruck beim Betrachter, in der Dunkelheit zu stehen. Dieser negative Raum trägt – anders als die grosse, bedrohliche schwarze Fläche oben links, die als Hintergrund wahrgenommen wird – nichts zum Bild bei.

Quadratischer Beschnitt mit Ergänzungen am linken Bildrand.Schliesslich stört der abgeschnittene linke Rand des Strassenlichtscheins. Wenn es möglich war, hättest Du hier besser einen leicht verschobenen Standpunkt gewählt und versucht, die gesamte Lichtfläche von Dunkelheit umgeben sein zu lassen. Dafür hätte sich vielleicht ein Querformat (und ein paar Schritte rückwärts) aufgedrängt. Mit einem nach links verschobenen Ausschnitt hätte sich zudem die Fassade aus dem aktuellen 50/50-Verhältnis bringen lassen.

Ich habe das im Beispiel mit etwas Klonarbeit zu simulieren versucht. Ausserdem habe ich die Hausfassade um eine Stufe stärker belichtet und zugleich die Spreizung gesenkt, so dass etwas mehr Detail sichtbar wird, der Verlauf ins Dunkle im Hintergrund aber eher verstärkt wird. Mit einem quadratischen Schnitt schliesslich habe ich versucht, eine spürbare Gewichtung zwischen Lichtschein und Hausfassade in der Drittel-Regel zu erreichen.

In der Rubrik “Bildkritik” analysieren Profi-Fotografen im Auftrag von fokussiert.com montags bis freitags jeweils ein Foto aus der Leserschaft.
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3 Kommentare
  1. dierk
    dierk sagte:

    der leere Vordergrund gefällt mir besser (wie das ganze Bild), so kommt die nächtliche Leere der Straße gut zum Ausdruck.

    Links ein bisschen mehr wie bei Peters Bild, und die Komposition wäre für mich perfekt.

    viele Grüsse
    dierk

    Antworten
  2. Anton Krieger
    Anton Krieger sagte:

    Hallo Peter,

    ich möchte mich bei Dir für die Kritik bedanken. Es freut mich sehr, dass mein Foto ausgewählt wurde. Eine konstruktive Kritik ist für mich sehr wichtig und wertvoll. Denn nur so kann man was lernen und sich weiter entwickeln.
    Was das Foto betrifft stimme ich dir in allen Punkten zu. Der schwarze Vordergrund ist wirklich zu umfangreich. Bei der Bildbearbeitung ist mir das irgendwie nicht aufgefallen, aber wo Du jetzt darauf hingewiesen hast stört es mich auch ein wenig.
    Das mit dem abgeschnittenen Rand des Lichtscheins ist natürlich ärgerlich. Ich habe auch ein paar Bilder im Querformat gemacht. Leider war der Lichtschein im Original nicht spotartig sondern eher länglich. Natürlich wären Stempelwerkzeug und Klonarbeit gute Alternativen, da ich aber im Stempeln noch nicht so gut bin, entschied ich mich für Hochformat, denn da wirkte der Lichtschein so wie ich es haben wollte.

    Mit freundlichen Grüßen

    Anton Krieger

    Antworten

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