Naturfoto: Der Kreis des Lebens

In der Natur ist nicht alles lieblich, aber mancher unappetitliche Anblick macht nachdenklich und bedeutet mehr als die Summe der Dinge.

Leserfoto: Klick für Vollansicht (© Christoph Holz).

Kommentar des Fotografen:

Geprägt wird dieses Bild von einem Widerspruch; Ein totes Lebewesen, an dem sich eine Fliege zu schaffen macht. Im Vorbeigehen würde dies wohl bei vielen Menschen ekel hervorrufen. Doch gleichzeitig harmonisieren die Beiden ausgesprochen gut; Das Licht, die Nähe, ein anmutender „Kuss“ bringt sie in Einklang. Das Foto ist natürlich ein Schnappschuss: Schnell musste reagiert werden, die Fliege im richtigen Moment getroffen werden. Gleichzeitig sollte natürlich Umgebung, Licht und Bildkomposition stimmen. Genau darauf zielt auch die Frage ab: Wie am besten reagieren und fotografieren wenn’s schnell gehen muss und der passende Moment getroffen werden soll?

Peter Sennhauser meint zum Bild von Christoph Holz:

Eine grüne Schmeissfliege sitzt auf dem Kopf eines an Land liegenden, offensichtlich toten Fisches und tut sich an ihm gütlich. Die hochformatige Farbfotografie setzt die Fliege ins Zentrum, die ausgerechnet am Mund des Fisches sitzt, als ob sie ihn küsste.

„Gefällt mir“ ist manchmal bei Fotorafie einfach nicht der richtige Ausdruck. Diese Aufnahme wird wohl nur wenigen Menschen „gefallen“ – zumindest in dem Sinne, dass sie sie in grossem Format als Druck im Wohnzimmer übers Sofa hängen möchten.

Aber gute Fotografie muss eben nicht „gefallen“. Sie muss ausdrucksstark sein, spannend, emotional, zum Nachdenken anregend oder faszinierend. Und das können auch Anblicke, namentlich aus der Natur, die weder besonders appetitlich noch im eigentlichen Sinne ästhetisch („schön, ansprechend“) sind.

Auch wenn ich es anders ausdrücken würde als Du, indem die beiden Tiere hier wenig Harmonie und mehr eine Wahrheit des Lebens ausdrücken:

Das Bild ist jedenfalls nicht alltäglich, und es thematisiert den immerwährend Kreis von „Fressen und Gefressen Werden“, und das auf eine andere als die gängige Art. Als Denkanstoss, der Fotorafie oder jede Kunstform ja auch sein soll, ist es ein gelungenes, spannendes und überzeugendes Bild – aber einen Kalenderbeitrag wirst Du damit wohl nicht drucken.

Was die Technik angeht, frage ich mich einzig über das Hochformat. Etwas mehr Fisch und weniger Vorder- und Hintergrund wären „logisch“, andrerseits spielt die entstandene Schärfen-Untiefe dem Motiv in die Hand und der grün-braune Hintergrund sorgt dafür, dass klar wird, dass dies keine Aufnahme vom Fischmarkt, sondern aus einer natürlichen Umgebung ist.

Dabei stört mich aber doch der abgeschnittene Schatten rechts in der Bildmitte, den ich versucht hätte zu integrieren.

Andrerseits musste es schnell gehen, und in der Not frisst der Teufel… – lassen wir das. Dennoch würde ich die Aufnahme nicht als Schnappschuss bezeichnen: Du warst em Motiv nicht ausgeliefert, und es handelt sich nicht um einen Zufallstrefer, sondern Du hast eine Situation gesehen und sehr schnell darauf reagiert. Geübte Fotografen unterscheiden sich von Anfängern wohl dadurch, dass sie solche Bilder nicht nur sehen, sondern ebenso schnell die Kamera bereit- und alle Einstellungen in den richtigen Parametern haben.

Der Möwenkuss... © Peter SennhauserMir ist es übrigens schon zu oft passiert, dass ich die Aufnahme verhauen habe, weil die Kamera eben nicht wirklich für die vorliegende Situation konfiguriert war. Inzwischen habe ich erstens drei gespeicherte Basis-Einstellungen an meiner Nikon D300 für verschiedene Situationen, die ich schnell aufrufen kann; zweitens habe ich mir angewöhnt, nach jeder Bildserie alle Einstellungen wie ISO-Empfindlichkeit, Belichtungskorrektur, Automatik-Modus, Belichtungsmessungs-Modus etc auf (meine) Standardwerte zurück zu setzen, so dass ich im „Ernstfall“ ohne Überraschungen (hohe Empfindlichkeiten machen einem gerne einen Strich durch diese Rechnung) in Stellung gehen und abdrücken kann.

Lustigerweise habe ich ungefähr das Bild, das Dir hier gelungen ist, mit einer Möwe und einem Fisch auch schon geschossen – und dabei kam mir die „Einstellungs-Neutralisierung“ sehr entgegen.

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