Porträt mit Vignettierung: Technik und Aussage

Oft sind wir begeistert von der Kraft eines Motivs, vernachlässigen dann aber vielleicht die technischen Aspekte der Aufnahme. Wieweit lassen sich solche „Aufnahmefehler“ mit den heutigen Möglichkeiten der Bildbearbeitung wieder korrigieren?

Leserfoto: Klick für Vollansicht (© Rafael Scheidle).

Kommentar des Fotografen:

Ein relativ spontanes Portrait mit wenig Vor-, aber umso mehr Nachbereitung. Schwarzweiß war von vornherein geplant; wichtig war mir einseitiges Fensterlicht. Die BEA ist kein Filter, o.ä., sondern ist „von Hand“ ´reingewedelt. Ich wollte einen Grat zwischen Realität (normale Kids-Kleidung / Fensterrahmen,…) und Verträumten (eben durch die BEA) erreichen. Der Fokus sollte auf dem Blick liegen. Dank denen, die sich mit dem Foto beschäftigen!

Profi Martin Zurmuehle meint zum Bild von Rafael Scheidle:

Rafael Scheidle hat recht. Sein Motiv wirkt sehr spontan und natürlich. Der scheue, aber trotzdem neugierige Blick des Mädchens, das grosse Auge, das skeptisch in die Kamera blickt, der abgedrehte Kopf (der so auf uns sehr attraktiv und sympathisch wirkt) und das durch die Haare abgedeckte Auge:

Sie erzeugen diese interessante Wirkung. Auch die Lichtstimmung mit dem Seitenlicht verstärkt diese schöne und gefühlvolle Bildstimmung. Die Darstellung in Schwarzweiss ist sicher richtig gewählt, weil so die Konzentration ganz auf den Gesichtszügen des Modells liegt.

Diesen positiven Aspekten stehen aber die technischen Probleme und Schwächen der Aufnahme gegenüber. Die überstrahlte, helle Fläche auf der rechten Seite dominiert das Bild und zieht den Blick zu sehr auf sich. Die Übergänge zwischen dieser hellen Fläche und den dunklen Bereichen sind (wahrscheinlich durch die Manipulationen der Bildbearbeitung) ausgefranst und es sind unschöne Helligkeitssprünge zu erkennen. Der Betrachter hat auch Mühe zu erkennen, was eigentlich auf dieser rechten Bildseite überhaupt ist. Der Kontrastumfang zwischen dem Fenster und dem Gesicht des Mädchens ist einfach zu hoch für eine einzige Aufnahme. Mit Zusatzlicht von links (Blitz, Reflektor) könnte dieser Kontrastumfang reduziert werden. Eine andere Möglichkeit wäre eine Aufnahmeserie (Braketing) und einem anschliessenden Zusammenbau in der Bildbearbeitung.

Dieses Beispiel zeigt wieder exemplarisch, dass eine qualitativ gute Aufnahme die notwendige Voraussetzung für eine gelungene Bildbearbeitung ist. Darin gleicht die digitale Fotografie der analogen Schwarzweissfotografie. Schon Ansel Adams wies auf die grosse Bedeutung eines richtig belichteten Negativs hin, dass die Basis für den anschliessenden Positivprozess bildete. Die digitale Bildbearbeitung kann wohl vieles, aber eine weiss ausgefressene Fläche kann sie auch nicht retten.

Fazit: Ein sehr schönes und stimmungsvolles Motiv, das leider nicht so schön und wirkungsvoll gezeigt werden kann, weil die technische Aufnahmequalität dazu nicht ausreicht.

In der Rubrik “Bildkritik” analysieren Profi-Fotografen im Auftrag von fokussiert.com montags bis freitags jeweils ein Foto aus der Leserschaft.
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4 Kommentare
    • augi
      augi sagte:

      LOL als ich diese MOTD gelesen habe. Da ich aber davon ausgehe, dass du nicht in die Kategorie DAU gehörst und dir mein erster Ratschlag JFGI auch nichts gebracht hat, hier nun also die Auflösung: BEA steht für Bildbearbeitung. Die unsäglichen Abkürzungen wuchern immer mehr im Netz. In diesem Sinne … GTG … ;-)

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