Porträts: Das Modell weiss es am besten

Wenn man Auftragsporträts macht, ist es am besten, die Kunden zu fragen, ob es bestimmte Dinge gibt, die sie möchten oder nicht möchten.

Leserfoto: Klick für Vollansicht (© Lars Frik).

Kommentar des Fotografen:

Entstanden mit einer Rolleiflex T mit maximaler Blende (3.5) und sehr kurzer Belichtungszeit (wohl um die 1/250) und mit Ilford HP5+ 400 Rollfilm. Es kommt aus einer Reihe von Bildern meines ersten Foto Shootings mit einer Freundin, Thema war Herbst. Die eine Hälfte war mit Farbfilm, die andere Hälfte wie dieses Bild mit s/w Film. Bei der Nachbearbeitung habe ich das minimale und maximale Ende der Tonwertkurze etwas abgeschwächt, um eine etwas milchigere und weichere Ansicht zu gekommen.

Profi Douglas Abuelo meint zum Bild von Lars Frik:

Aus mehreren Gründen ist dieses Foto schön.

Die Frau wirkt entspannt und zufrieden, der Hintergrund ist gut abgestimmt und etwas verschwommen, das weiche Licht umschmeichelt ihr Gesicht und sie ist gerade so dezentral, dass das Foto interessant wirkt.

Ich mag auch, wie du die Baumreihe im Hintergrund benutzt hast, um die Schulterlinie durch das ganze Bild zu verlängern. Ich kenne die Frau nicht und weiß nicht, ob sie das Foto gut findet. Ich denke aber, du hast sie auf eine interessante und gut abgestimmte Art und Weise porträtiert.

Trotzdem giebt es zwei Dinge, die mich ein bisschen stören: ihre Haare sind ein etwas durcheinander und es ist etwas zu viel Platz am oberen Bildrand. Nichts Großartiges, aber es fällt auf.

Wenn man Porträtfotografien für Kunden macht, ist es am besten, dass die Leute die Fotos schmeichelnd finden. Das scheint zu offensichtlich, um es zu erwähnen, aber ich habe das einmal am eigenen Leib erfahren. Als ich zu fotografieren begann, wollte ich, dass jedes einzelne Foto ein Meisterstück wird, das noch in 100 Jahren bewundert wird. Ich wollte Fotos machen, die ich toll finde, und es war mir egal, wie die fotografierte Person darüber dachte. Als ich dann aber Aufträge für Porträts erhielt, stellte ich schnell fest, dass die Vorstellung meiner Kunden von einem schönen Foto sich oft von meiner unterscheidet.

Einmal sollte ich ein Porträtfoto von einer ungefähr 45jährigen Frau machen, die 15 Jahre lang das gleiche Foto für das Mitarbeiterverzeichnis ihrer Firma benutzt hatte. Als sie die Fotos sah, die ich sehr gut fand, sagte sie, man würde ihre Falten zu sehr sehen. Sie bat mich, Vaseline auf die Linse zu schmieren, um so etwas wie einen Weichzeichner-Effekt zu erzielen, der die Falten weniger sichtbar macht.

Damals habe ich nicht verstanden, was ihr Problem war. Sie sah nun mal so aus! Später habe ich dann verstanden, dass sie (wie viele Menschen) wollte, dass die Kamera sie besser aussehen macht, als sie in der Realität aussah. Heute versuche ich mein Bestes, Porträtaufnahmen zu machen, die den porträtierten Personen schmeicheln.

Zuerst sollte man fragen, was die Leute möchten und was sie nicht möchten. Viele Leute finden zum Beispiel eine Gesichtshälfte vorteilhafter als die andere. Wenn das der Fall ist, konzentriere ich mich beim Fotografieren auf die bevorzugte Seite. Kleine Sachen wie diese können die Zufriedenheit der Kunden stark beeinflussen.

Eine letzte Sache: bei Falten schmiere ich immer noch keine Vaseline auf die Linse, aber ja: ich habe einen Weichzeichner-Filter für den Fall eines faltigen Problems.

In der Rubrik „Bildkritik“ analysieren Profi-Fotografen im Auftrag von fokussiert.com montags bis freitags jeweils ein Foto aus der Leserschaft.
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3 Kommentare
  1. Corinne ZS
    Corinne ZS sagte:

    Bin ich die einzige, deren Blick beim Ausschnitt hängen bleibt? Weil er schön weiss auf schwarz gezeichnet ist und ein klares V zeichnet. Und weil hier der Fokus liegt (und nicht auf dem Gesicht). Die Heiterkeit der Frau und ihr selbstbewusster Blick sind aber trotzdem ein Hingucker.

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  2. Lars Frik
    Lars Frik sagte:

    Hallo Douglas,

    vielen Dank für die interessante Kritik und Tipps :-)

    Wir hatten wegen des anstehenden Sonnenuntergangs wenig Zeit und sind an den See gehetzt, haben dort drei Bilder gemacht und weiter gings. Insofern wurde das Bild eher intuitiv (und ohne Stativ) gemacht als durchdacht komponiert.

    beste Grüsse,
    Lars

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  3. Stefan Fürtbauer
    Stefan Fürtbauer sagte:

    Hi Douglas!

    Wie bekannt mir doch die von Dir angesprochene Diskrepanz zwischen Fotograf und Model vorkommt!!! Ich musste das auch leider schön öfters erfahren, dass einem Model ausschließlich ihr/sein Aussehen interessiert – und zwar von der besten Seite (manchmal ging das sogar Richtung Fiktion). Kunst, Ausdruck etc. sind dabei manchen völlig egal – und genau hier hört aber dann auch die Kreativität auf. So lange es nicht um Auftragsarbeiten handelt, sollte es dem Fotograf überlassen sein, über die Gestaltung des Portraits zu entscheiden. Alleine! Alles andere dient nur als Beitrag zum Lebensunterhalt ;-)

    Gruß,
    Stefan

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