Produktfotografie: Spiel mit den Reflexionen

Ein Makro-Stillleben-Produktfoto mit Füllfederhalter: Bei Studioexperimenten kann man ideal mit Lichteinfällen üben. Man sollte sich aber nicht zu schnell zufrieden geben.

Parker Füllfederhalter auf Holztisch, Makrofotografie

NIKON D700 Aufnahmedaten: 1/200s bei Blende 11/1 mit 900/10mm Brennweite und ISO 200, © Matthias Bäuml

Matthias Bäuml: Das Bild entstand eigentlich beim herumexperimentieren. Zu den technischen Eckdaten: 90mm Makro Objektiv, Blende 11, Blitz (entfesselt). Mir gefiel die Struktur der alten Tischoberfläche im Kontrast zu dem Metall des Füllers. Da auf dem Bild nur klassische Gegenstände dargestellt werden, wie man sie schon seit Jahrzehnten hat, habe ich versucht dieses Look in Lightroom durch eine leichte Entsättigung, Modifikation der Gradiationskurve und hinzufügen einer Vignette zu verstärken.

Erstaunlich, wie sehr sich uns Markenembleme einprägen: Ich habe mich nie für Füllfederhalter interessiert, aber ich weiss sofort, was (Schleichwerbung ein) ein Parker und was ein Mont Blanc ist (Schleichwerbung aus – och nein, schalten wir noch einen Link: Hier zu [amazon  B001G71PY6]Parker[/amazon], hier zu [amazon B0051U3XYE]Mont Blanc)). So. Zur Bildbesprechung: Ein grauer Edelstahlfüllhalter liegt vor  seinem aufrecht auf die Öffnung gestellten Verschluss auf einer dunkelbraunen Holzplatte. Der Federhalter hat eine schwarze Vorderhälfte, die Verschlusskappe steht mit dem Veston-Clip in Form eines Pfeils gegen den Betrachter der Fotografie. Das Licht fällt von links hinten oben auf die beiden Objekte, so dass der Schatten der Verschlusskappe auf den Federhalter fällt; die der Tischplatte zugewandte Seite des Federhalters und die der Betrachterin zugewandte Seite der Verschlusskappe liegen im Schatten. Die Schärfentiefe verläuft nicht ganz vom unteren Bildrand bis etwa in die Hälfte des diagonal von oben rechts nach unten links im Bild liegenden Federhalters. Die Kappe steht ganz leicht nach links aus der Bildmitte versetzt.

Die Komposition dieser Aufnahme lässt uns etwas ratlos. Sie sieht zwar aus wie ein Produktfoto, sie kommt daher wie ein Produktfoto, sie riecht wie ein Produktfoto (wenn wir für einmal die Farbgebung als Geruch bezeichnen), aber sie ist kein Produktfoto. Denn dazu ist, ganz einfach gesagt, das Produkt viel zu wenig schmeichelhaft ausgeleuchtet oder überhaupt erkennbar.

Und damit sind wir bereits bei der Technik und der Umsetzung einer Bildidee, oder eben: Beim Mangel einer Umsetzung einer Bildidee. Und ich wage zu behaupten, Du hast mit dem neuen Makro herumgespielt und Dir zu wenig überlegt, was denn die Bildidee sein soll.

Klar: Das ist erlaubt, und wer von uns hat nicht schon mal einfach die Möglichkeiten seiner Ausrüstung ausprobiert.

Sinnvoller Weise geht man aber auch dabei etwas gezielter vor, weil man nämlich mit einem konkreten Bildplan reproduzierbar erkennt, was das Equipment leisten kann und was nicht. Hättest Du hier ein eindeutiges Ziel gehabt, dann hättest Du Dich so oder so nicht mit der aktuellen Aufnahme zufrieden gegeben, denn von zwei Zweckmöglichkeiten erfüllt sie keine: Sie ist weder eine Produktfotografie (die das Produkt im wahrsten Sinne des Wortes im besten Licht erscheinen lassen soll) noch ein Stillleben, das eine gewisse Stimmung, eine Emotion transportiert – dafür ist die Komposition viel zu gleichmässig, zu wenig zufällig, zu einsam.

parkerfederhalterDamit sind wir bei der Technik, denn die wäre ausserdem je nach Zweck der Aufnahme anders eingesetzt worden. Für das Produktfoto, von dem ich immer noch ausgehe, ist die Ausleuchtung zu einseitig. Zwar schafft das erhöhte seitliche Blitzlicht eine gute Räumlichkeit des Objekts, aber zugleich schimmern einerseits insgesamt mindestens drei weitere und eine deutlich gelbere Lichtquelle in Deinem Rücken als Reflexion mit, und zweitens ist trotzdem die Unterseite des Federhalters nahezu nicht erkennbar, sie verläuft in den Tonwerten mit dem Tisch im Schwarz. Ich bin, wie mehrfach erwähnt, alles andere als ein Studio-Spezialist, aber wenn ich in meinem Keller-Studio herumspiele, sind eigentlich immer zwei entfesselte Blitze mit Diffusoren/Schirmen und möglichst kein anderes Licht im Spiel.

Ich denke mir, dass gerade metallische Objekte und noch dazu zylinderförmige eine Vielzahl an Spielarten für den Lichteinfall ermöglichen, mit denen herumzuspielen sich lohnen würde: Für das Produktfoto hätte ich hier beispielsweise die gelbe Lichtquelle zu eliminieren versucht und mit einem zweiten Blitz aus einem ähnlichen Winkel oder von rechts einerseits das Objekt besser ausgeleuchtet und für weitere Reflexionen gesorgt.

Ein zweites Problem in dieser Aufnahme sehe ich in der geringen Schärfentiefe. Der genau in der Schärfenebene stehende Verschluss des Schreibgeräts ist durchgehend scharf; der Federhalter selber aber, der diagonal im Raum liegt, ragt im hinteren Teil aus dem scharfen Bereich hinaus. Das kann erwünscht sein und schadet dem Bild nicht, weil er nicht viel zu bieten hat – bei einem Produktfoto allerdings würde ich wiederum sagen, ich will jedes Detail des Geräts erkennen und betrachten können, und der Abschluss des Federhalters gehört dazu. Ausserdem ist mit dem Makro und sehr dünner Schärfenebene die Gefahr gegeben, dass bei einer Aufnahme von schräg oben hochragende Objekte wie die Spitze der Verschlusskappe auf der uns zugewandten Seite aus der Schärfenebene herausragen. Hier hättest Du wohl die gesamte Fokus-Ebene etwas nach hinten verlegen und damit die Tischplatte im Vordergrund unscharf werden lassen können.

Grundsätzlich finde ich die Wahl des Hintergrunds zum Schreibgerät für gelungen, zumal Du auf weitere Requisiten verzichtet hast, die ablenken könnten. Im Umfeld eines Stillebens allerdings wäre der Raum hinter dem Federhalter vielleicht für die Schaffung einer Ambiance mit weiteren «nostalgischen» Schreibutensilien (Unterlagen, Löschpapierstempel etc.) ganz gut geeignet.

Die Vingettierung schadet hier ganz bestimmt nichts, ich finde sie ein probates Mittel bei Aufnahmen mit überwiegend dunkleren Tonwerten und mit zentralem Motiv, um dieses etwas stärker herauszuheben, frage mich aber gelegentlich, ob es zusätzlich zu starken Begrenzungen der Fokusebene noch nötig ist.

Und jetzt bin ich gespannt auf die Meinungen und Kniffe von Euch Studioexperten: Wie inszeniert man ein solches Objekt, wenn nicht auf dem Leuchttisch?

2 Kommentare
  1. Matthias Bäuml
    Matthias Bäuml sagte:

    Vielen Dank für die konstruktive Bildbesprechung. Der Punkt, dass das Bild etwas unentschlossen zwischen Produktfoto und Stillleben daherkommt ist sehr interessant. Ich denke ich werde mich wohl nochmal etwas entschlossener im Bereich des Letzteren versuchen. Vielen Dank für die guten Hinweise.
    Eine Anmerkung noch zur Belichtung. Ich denke, dass sämtliches Umgebungslicht bei diesem Bild ausgeschlossen wurde und somit der Blitz die einzige Lichtquelle ist. Bei Blende 11, ISO 200 war bei einem Testfoto ohne Blitz das Bild schwarz. Somit gab es nur den Blitz von links hinten und ein Blatt Papier rechts zum aufhellen. Möglicherweise kommt die leicht „gelbliche“ Tonung in manchen Bereichen des Bildes von der Bearbeitung der Gradiationskurve in den RGB Kanälen – was mir persönlich aber recht gut gefällt, weil es Wärme ins Bild bringt.

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