Randkontrolle bei Panoramaaufnahmen: Elphi im Sommer
Auch bei Panoramaaufnahmen sollte man auf die Bildränder achten und diese zumindest in der Nachbearbeitung bereinigen, wenn dadurch die Komposition verdichtet werden kann.
Sven Mahn aus Hamburg schreibt zu diesem Bild:
Bei einem Abendshooting vor ein paar Tagen ist mir die ruhige Elbe und die nun fast Ohne Einrüstung stehende Elbphilharmonie aufgefallen. Ich denke in ein paar Jahren wird sie eine der meisten abgelichteten Objekte in Deutschland werden. Kosten und Mühen des letzten Jahrzehnts werden vergessen sein, wenn sie im Januar eröffnet wird. Das Bild wurde mit eine H5D40 und einem ND Filter geschossen.
Einleitende Anmerkungen
Die Elbphilharmonie in Hamburg reiht sich in eine ganze Liste von baulichen Großvorhaben der letzten 10-plus Jahre ein, die sich am Anfang gut anhörten und aber dann nach Kostenexplosionen, Verzögerungen und anderen Kontroversen bereits VOR ihrer Fertigstellung (im Fall des Berliner Flughafens bezweifeln wohl die meisten, ob und wann er jemals fertig werden wird) einen Ruf im Sinne von „berühmt-berüchtigt“ entwickelt haben. Ich bin allerdings wie Du der Meinung, dass die Elbphilharmonie in ein paar Jahren wie geplant zum neuen Wahrzeichen Hamburgs werden wird – schon jetzt wird sie begeistert besucht und fotografiert, obwohl sie erst im Januar 2017 eröffnet werden soll.
Technische Umsetzung
Als ich las, mit was für einer [amazon B00CX881CG]Kamera[/amazon] Du da unterwegs warst, war ich nicht nur beeindruckt, sondern auch ein wenig neidisch. Das Ding ist ein „Biest“, oder „beast“, wie Amerikaner das nennen würden – eine überaus hochwertige digitale Mittelformatkamera, die OHNE Objektiv für um die schlappe €9.000 zu haben ist (oder mehr, je nachdem, bei welchem Anbieter man schaut).
Bei den Fähigkeiten dieses Apparats hättest Du ohne weiteres in einem höheren ISO arbeiten können, und man hätte es bei dieser Auflösung kaum bemerkt.
Durch den ND-Filter hast Du das vorhandene Licht optimal genutzt und verhindert, dass die Farben zu blass wurden. Er hat auch bewirkt, dass in Verbindung mit dem geringen ISO eine lange Verschlusszeit notwendig wurde, wodurch das Wasser weich verschwamm.
Komposition
Bei näherer Betrachtung sieht man, dass Du die drei die Aufnahme dominierenden Gebäude in jeweils (fast) einem Drittel (grün) angeordnet hast.
Das von Dir gewählte Panoramaformat hat alles aus dem Goldenen Schnitt heraus verschoben (rosa), und da der natürliche Horizont sich beinahe in der Bildmitte (hellblau) befindet, wird das Bild durch die Uferlinie in zwei Bereiche zerteilt – oben Himmel, unten Wasser.
Die Elbphilharmonie wird gerne entweder von ihrer Umgebung isoliert dargestellt, wie ich bei einer Google-Suche feststellte, oder so, dass man die Bautätigkeit um sie herum so wenig wie möglich wahrnimmt. Letzteres ist Dir zwar auch gelungen – man sieht erst beim zweiten Hinsehen die noch vorhandenen Baukräne – aber Du hast das Gebäude im Kontext seiner Umgebung belassen, was ich gut finde.
Durch Deinen Aufnahmestandpunkt „spielst“ Du mit den Linien im Bild. Erstens einmal mit einer aufsteigenden/abfallenden, die über die Kirchen links zur Elbphilharmonie führt:
Durch die Spiegelungen im Wasser aber auch mit den dazugehörigen Vertikalen:
Das erzeugt genug visuelles Interesse, um aus einem einfachen Stadtpanorama etwas zu machen, das man sich gerne länger anschaut, und ich könnte es mir sehr gut als großformatigen Druck irgendwo vorstellen.
Problemzonen
Es gibt trotzdem eine Anregung, die ich mit Dir teilen möchte, deren Umsetzung aber letztlich Deine Entscheidung ist. Im Normalfall ändere ich ein paar der Parameter – Farbsättigung, Beschnitt und so weiter – wenn ich sie als mögliche Problemzonen sehe, und das Ergebnis dieser Experimente bestimmt dann, ob ich sie als Änderungsvorschläge anbringe.
Erst habe ich mir überlegt, ob man an der im Foto angelegten warmen Abendstimmung noch etwas „drehen“ sollte, was sich aber als unnötig herausgestellt hat. Durch den ND-Filter hast Du aus dem Motiv herausgeholt, was aus ihm herauszuholen war, und alles Drehen führt daher zu Verschlimmbesserung, jedenfalls für mich, denn etwa so könnte das aussehen:
Ich habe weiterhin mit Deiner fast perfekten Zweiteilung gespielt und bin zu dem Schluss gekommen, dass diese hier die richtige Entscheidung war. Wenn man einen klassischen Goldenen Schnitt anlegte, würde das Bild vorhersagbar und damit irgendwo langweilig – außerdem ist im Wasser nicht genug Spiegelung vorhanden, und so gewönne man unten zu wenig, um den Beschnitt des Himmels oben zu rechtfertigen.
Ich denke allerdings, dass man links und rechts ein paar – für mich störende – Elemente entfernen kann:
Bruce Barnbaum nennt die besondere Aufmerksamkeit, die man Bildrändern widmen sollte, „border control“, was in der deutschen Übersetzung mit „Grenzkontrolle“ etwas verloren geht (im Englischen ist es ein Wortspiel, denn „border“ kann sowohl „Grenze“ als auch „Rand“ bedeuten), jedoch im allgemeinen folgendes bedeutet: als Fotograf ist man grundsätzlich so mit dem eigentlichen Bildgegenstand beschäftigt, dass sich oft Störfaktoren insbesondere am Bildrand einschleichen, die man bereits bei der Aufnahme, jedenfalls aber in der Nachbearbeitung hätte vermeiden können.
Änderungsvorschläge
In diesem Fall tragen für mich die Fragmente links und rechts nichts zum eigentlichen Motiv bei, und ich würde sie daher durch einen Beschnitt entfernen. Das bedeutet NICHT, dass man das Panoramaformat in ein normales Querformat zurückquetschen muss:
Die ursprüngliche mittige Anordnung der Gebäude/Uferlinie bleibt erhalten, nur die Ränder sind jetzt entfernt.
Meines Erachtens verdichtet das die Komposition, bleibt aber dennoch Deiner künstlerischen Intention treu. Natürlich verliert man auch oben und unten etwas, aber das lässt sich nicht verhindern, will man das Seitenverhältnis nicht beeinflussen. Letztlich kommt es jedoch, wie oben erwähnt, darauf an, was DU entscheidest.
Mit Beschnitt sähe Dein Bild dann etwa so aus:
Fazit
Auch, wenn man aus der Ferne Panoramen aufnimmt, sollte man die Bildränder mit berücksichtigen und notfalls in der Nachbearbeitung bereinigen. Bei einer hochklassigen, mittelformatigen 40MP-Kamera fällt ein Beschnitt dem Betrachter kaum auf.
Kurzkritik
Einleitung | Auch – oder: insbesondere – kontroverse Bauvorhaben eignen sich hervorragend als fotografische Motive, ob aus der Nähe oder vom anderen Ufer. |
Technisches | Die EXIF-Daten zeigen, dass Du mit vorheriger Überlegung an die Aufnahme herangegangen bist. Die gewählte Kamera glänzt besonders in Situationen wie dieser, weil sie auch aus großer Entfernung noch extrem viel Detail bietet. Auch die Verwendung des ND-Filters war absolut richtig, denn erstens einmal wurden dadurch die Farben im Foto verstärkt, andererseits die Verschlusszeit verlängert, was in Verbindung mit dem geringen ISO eine weiche Verschwimmung des Wassers zur Folge hatte. |
Komposition | Die Anordnung der Gebäude in Verbindung mit der hälftigen Teilung des Bildes – oben Himmel und Stadt, unten Wasser, bringt visuelles Intersse ins Foto, das bei einer Aufteilung nach dem Goldenen Schnitt etwa nicht vorhanden wäre. Diese Regel wurde gekonnt gebrochen. |
Problemzonen | Es befinden sich links und rechts Elemente, die ich als störend empfinde. |
Vorschläge | Ich würde das Foto so beschneiden, dass das jetzige Seitenformat beibehalten wird, aber die Ränder links und rechts verschwinden. |
Fazit | Auch bei Panoramaaufnahmen sollte man auf die Bildränder achten und diese zumindest in der Nachbearbeitung bereinigen, wenn dadurch die Komposition verdichtet werden kann. |
[premiumkritik]
Moin moin,
gerade die Pastelltöne und die Ruhe waren mein Ziel. Ich habe Deinen Hinweis bzgl. s/w mal aufgenommen und angehängt. Ich habe bisher immer auf Farbe gebaut, die Beispiele aus Deinem Link sind mir zu düster. Künstlerisch stark ausgearbeitet, aber eben nicht mein Fall.
HDR finde ich ebenfalls übertrieben, aber auch hier gibt es ja auch Spezis, die die Aufnahmen bis zum letzten ausreizen.
Was Weitwinkel und Beschnitt betrifft: Die 50mm H5 sind ja eher 39mm Normalbild, die Masse an Bildinformationen erlaubt das gesehene Format. Was als Panorama gilt würde mich auch mal interessieren, vielleicht gibt Sofie dazu nochmal einen Hinweis.
Gruß
Sven
Also „Panorama“ und Definitionen kann man auf Google finden, dafür braucht man mich doch nicht. :) Abgesehen davon denke ich, dass man ruhig als Panorama bezeichnen kann, was über ein „normales“ Seitenverhältnis von 4:3, 3:2 oder so hinausgeht, und da ist für mich 16:9 bereits dabei. Ich habe, das möchte ich noch erwähnen, auch mit SW gespielt hier, und bin doch immer wieder bei Svens Version gelandet – und das sagt mir im Normalfall, dass das so stimmen muss, wenn auch jede(r) seine/ihre eigene Version eines Fotos hat. Ist das hier die ultimative Version der Elbphilharmonie? Das mag jede(r) selbst entscheiden.
Hallo Sven,
das gefällt mir schon eher! Ich hätte dem Bild noch etwas mehr Brillanz in den Höhen gegönnt und den Himmel etwas abgedunkelt/vignettiert, aber das ist dir zu düster. Welch ein Glück, dass es so viele Ansätze gibt, die Freiheitsgrade heute sind doch traumhaft.
HDR bringt bei so einem Motiv und dem Sensor sicher nichts.
Sven,
wie schon gesagt, würde ich das Motiv in S/W machen. Dann mit erheblich längerer Belichtungszeit (Minuten), besser dafür auch später mit weniger Licht und mit schnell ziehenden Wolken (im Hamburger Westwind kein Problem).
Bei der H5 mit dem größeren Sensor und 16 Bit RAW sollten traumhafte Grautöne möglich sein.
Als Anregung schau doch mal diese Bilder an:
https://www.flickr.com/photos/38181284@N06/albums/72157634199145534/with/24201892930/
VG
dierk
Ich muss leider sagen, dass ich das Bild eher langweilig finde :-(
Es fehlt für mich jede Art von „Drama“, wie z.B. besondere Wolken.
Diese Pastellfarben passen nicht zu dem technischen Motiv. Ich hätte es deshalb eher in S/W gemacht.
Der wolkenlose Himmel hat fast die gleiche Farbe wie das Wasser.
Für mich ist es kein Panorama, bestenfalls in dem letzten Beschnitt von Sofie (wie auch immer ein Panorama Format definiert ist, bei Wiki habe ich nichts gefunden). Bei dem Bild hätte ich unten noch weitere 20% entfernt.
Mich überrascht, dass du mit einem leichten Weitwinkel so weit über die Elbe kommst, oder ist es ein Ausschnitt??
VG
dierk
Es ist vielleicht etwas hart ausgedrückt… aber mir geht es wie Dir, Dierk… eher langweilig…
Wir hatten hier in den letzten Tagen 2 Beispiele von ND Filtern. Es ist vielleicht auch diese Effekthascherei, die ich nicht mag. Ein bisschen wie HDR, oder ?
Nachtrag: Sven hat mir nach Erhalt seiner Besprechung eine Beschnittvariante geschickt (hier eingebunden), die ich für die definitive Version dieses Fotos halte. Mit anderen Worten, so stimmt es für mich.
Er schreibt: „Die Ränder, insbesondere der rechte Rand mit dem Kran ist mir auch erst später aufgefallen. Allerdings würde ich den Beschnitt auf der rechten Seite nicht so weit treiben, da die Heizungstürme der Hafencity vielleicht nicht so ansehnlich sind, nehmen sie aber in der Symmetrie die fallende Linie der Elphi gut wieder aus. Ich bin so frei und hänge das Ergebnis meines – nachträglichen Beschnitts – mal an.“
Das können natürlich andere ganz anders sehen, und ich bin weiterhin auf Feedback gespannt!
Grundsätzlich stimme ich Sofie zu, allerdings ist mir das Bild in diesem Beschnittvorschlag vor allem nach oben zu eng. Rechts zwischen den beiden niedrigen Gebäuden und unten mehr schneiden als oben wäre meine Variante