Regentropfen-Objektive: Kleine Entdeckungen vergrössern

Kleine Motive sollten genauso gross inszeniert werden wie grosse. Hier wäre ein Versuch mit Makro-Ansätzen sinnvoll gewesen.

Regentropfen am Fenster in dieser Fotografie wirken wie Objektive

Olympus E-M5 MarkII. 1/30s bei Blende 8 mit 12mm Brennweite und ISO 200

Johann Schreml aus Bad Wörishofen schreibt zu diesem Bild: Das Foto entstand durch den fast die ganzen Osterfeiertage durchgängigen Regen. Also warum nicht einmal ein Regenfoto machen von innen nach außen, wenn man schon nicht hinaus kann?
Genauer gesagt ein Foto von Regentropfen an der Fensterscheibe. Diese blieben wahrscheinlich auch nur so schön an der Scheibe haften, weil das Fenster nicht geputzt war und diese Tatsache ist nun zukünftig auch als Argument noch brauchbar ;-). Erst als ich dann am nächsten Tag das Foto sichtete und hineinzoomte, sah ich, daß die Regentropfen auf der Fensterscheibe wie kleine Objektive wirkten und das Gebäude im Hintergrund zwar verzerrt und auf dem Kopf stehend, aber schön scharf stellten. Ich habe auf die Regentropfen scharfgestellt und die Regentropfen auf das Gebäude. Dies hat mich an diesem Foto so fasziniert. Der jetzige Ausschnitt zeigt nur 10% des Originalfotos, ansonsten würde man bei 2000Px die wichtigen Details, die ja das Foto ausmachen, nicht erkennen. Das Foto im Ganzen hätte ich wohl nicht aufgehoben, jetzt gefällt es mir.

Um kleine Details gross zu inszenieren, gibt es die Technik der Makro-Fotografie: Nahaufnahmen in einem Massstab von 1:1 oder grösser. Allerdings muss man dazu rechtzeitig erkennen, dass das Motiv ein Makro-Objekt ist…

Wir ahnen in dieser Farbfotografie ein Mehrfamilienhaus in einem Park – es ist unscharf und durch etwas hindurch abgebildet, was sich erst bei genauem Hinsehen als Fensterscheibe mit unregelmässig grossen Wassertropfen entpuppt. In der Brechung der in der Bildmitte angesiedelten Tropfen ist das kontrastreiche Gitter der von Fenstern durchzogenen Hausfassade erkennbar.

Bei der Durchsicht der eingereichten Fotografien habe ich in dieser Aufnahme als Miniatur nur ein Regenwetterbild erkannt – ohne den Titel „Regentropfen-Objektive“ wäre ich nicht einmal auf die Idee gekommen, die Fotografie genauer anzusehen.

RFegentropfen an der Fensterscheibe

Kontrast mit S-Kurve in der Gradation verstärkt.

Technisch gesehen ist es ein etwas flaues Farbbild, das sich durch nichts hervorhebt, einer dreissigstel Sekunde bei mittlere Blende, sehr kurzer Brennweite und niedriger Empfindlichkeit aufgenommen wurde. Der Weitwinkel des Objektivs erklärt zusammen mit dem Umstand, dass Du uns hier einen kleinen Ausschnitt aus dem Gesamtbild zeigst, dass es nicht verwackelt ist. Der gezeigte Crop allerdings lässt auch eine eher längere Brennweite erwarten.

Mir ist nicht wirklich klar, was Du eigentlich fotografiert hast, wenn das hier nur ein kleiner Ausschnitt aus dem Bild Deiner [amazon  B00SMPL4WI]Olympus E-M5 MarkII[/amazon] ist. Vor allem aber bin ich der Überzeugung, dass der Ausschnitt noch immer viel zu gross ist – ohne Deinen Titel wäre ich, wie gesagt, nicht näher ran gegangen und hätte das Spiel der Regentropfen mit dem Licht nicht gesehen.

Das ist aber ein durchaus lohnendes Motiv, hier vor allem deshalb, weil die markante Struktur des unscharfen Gebäudes in mannigfaltiger Verzerrung und deutlich schärfer als im Hauptbild in den Tropfen zigfach wiederholt wird.

Also hätte ich das Bild noch weitaus grosszügiger geschnitten, wobei wir dann aber tatsächlich rasch an die Grenzen der Auflösung stossen.

Ein noch beherzterer Schnitt rückt die Tropfen mit dem Haus ins Zentrum...

Ein noch beherzterer Schnitt rückt die Tropfen mit dem Haus ins Zentrum…

Und die eigentliche Vorgehensweise bestünde darin, das Motiv am Tag der Aufnahme zu erkennen und dann spezifisch die Regentropfen in einer Makrofotografie aufzunehmen: entweder mit einem Makro-Objektiv oder mit einer langen Brennweite und vielleicht [amazonna B002VFGWU4]Distanzringen,[/amazonna] wobei anzumerken ist, dass dabei die Schärfentiefe wohl dermassen stark reduziert würde, dass das Haus hinter der Scheibe nicht mehr zu erkennen wäre.

...aber eigentlich plädiere ich für einen Motivauftritt dieser Art: Eine Makro-Aufnahme der Tropfen.

…aber eigentlich plädiere ich für einen Motivauftritt dieser Art: Eine Makro-Aufnahme der Tropfen.

Meine Annahme wäre, dass sich ungefähr der hier abgebildete Effekt mit einer mittellangen Brennweite und einer weiter geschlossenen Blende machen liesse, wobei der Gesamtausschnitt der Aufnahme sich dann auf die Tropfen mit dem Haus darin beschränkten. Die volle Auflösung des Sensors würde danach eine Vergrösserung der Fotografie erlauben, und Du könntest eine Aufnahme schon so fotografieren, dass  sie ohne weiteres Cropping den eigentlichen Effekt der Lichtbrechung in den Regentropfen und deren eigenartige Formen zum Motiv macht.

Das nachträgliche Ausschneiden aus einem Weitwinkelbild kann nur ein grober Behelf sein, und auch wenn wir die Idee hier erkennen können: Eine wirklich gelungene Fotografie setzt voraus, dass die Idee der Aufnahme vorausgeht und nicht umgekehrt. Also warte auf den nächsten Regentag (Schnee geht ja wohl nicht) und mach’s nochmal, sofern die Scheiben noch dreckig sind…

6 Kommentare
  1. dierk
    dierk sagte:

    ich habe zu dem Thema einen Test gemacht (wollte ich schon lange), leider auch mit ungeputzter Scheibe. Die Tropfen waren schön fein und gut verteilt.

    Vollformat Kamera mit 15mm Laowa Makro Weitwinkel und f/16
    (geht bis Abbildung 1:1, das Objekt stößt dann vorne an das Objektiv)

    das Objektiv liegt an der inneren Isolierglasscheibe an, die äußere Scheibe ist ca. 2cm entfernt
    das untere Bild ist ein 1:1 Ausschnitt
    die Tropfen sind maximal 3mm im Durchmesser.
    VG
    dierk

    Antworten
  2. Heiko Rau
    Heiko Rau sagte:

    Hallo Johann,

    vielen Dank für Dein Bild. Das hat mich spontan an meins erinnert (http://fokussiert.com/2015/02/04/leserfoto-1000-sonnen/). Damals hatte ich auch damit angefangen, das gesamte Fenster zu fotografieren. Bei der Kontrolle der Bilder auf dem Kameradisplay war ich aber nicht zufrieden und bin immer näher herangegangen – hier hat mir tatsächlich das Zitat von Robert Capa geholfen (https://de.wikipedia.org/wiki/Robert_Capa#Zitate). Da ich kein Makro habe, habe ich aus meinem Tele eben alles herausgeholt, was ging.

    Nach Peters Beschnittvorschlägen denke ich aber mittlerweile, das ein noch kleinerer Ausschnitt wünschenswert wäre. Dann wäre es allerdings in meinem Bild um den Farbverlauf im Hintergrund geschehen. Bei Deinem Motiv wäre das nicht der Fall. Gerade die Struktur der Stockwerke und Fenster des gegenüberliegenden Hauses würden sich schön in den Tropfen abbilden. Auch den von Peter gewählten Ausschnitt finde ich gut. Er zeigt als unscharfen Hintergrund genau die Struktur, die in den Tropfen scharf wiederholt wird.

    Es wäre bestimmt sehenswert, wenn Du bei Gelegenheit das Foto, wie von Peter vorgeschlagen, noch einmal machst und hier zum Vergleich zur Verfügung stellst. Allerdings würde ich an Deiner Stelle vorher doch noch zu Eimer und Putzlappen greifen. Denn bei der Vergrößerung macht sich der Zustand der Scheibe deutlich bemerkbar. Meiner Erfahrung nach bleiben die Tropfen auch an einer sauberen Scheibe haften.

    Antworten
    • Johann
      Johann sagte:

      Hallo Heiko,
      Danke für die Infos. ich werde beim nächsten Regen mein Ergebnis hier posten.
      Dein Foto gefällt mir sehr gut.

  3. Johann
    Johann sagte:

    Danke für die Kritik. Ich kann Dir nur Recht geben, insbesondere an der Tatsache, daß ich das Motiv hätte erkennen müssen, was leider nicht der Fall war. Hier noch ein Foto mit original Abbildung, daß ich ja wie beschrieben und so auch leicht nachvollziehbar, gar nicht aufgehoben hätte, da zu nichtssagend. Was man daraus lernen kann? Beim Fensterputzen nicht zu genau hinsehen, bei der Motivsuche aber um so mehr ;-)
    Gruß
    Johann

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