Richtiger Moment: Falsche Perspektive

Wenn er einen besonderen Moment erlebt, muss ein Fotograf alles geben, um diese Stimmung auch im Bild zu transportieren. Diskretes Vorgehen ist immer vorteilhaft, aber Hemmungen sind hinderlich.

Leserfoto: Klick für Vollansicht (© Patrick Figaj). - Canon EOS 350D DIGITAL - 1/40s - f/5.6 - ISO 400 - 45mm (67mm)
Leserfoto: Klick für Vollansicht (© Patrick Figaj). – Canon EOS 350D DIGITAL – 1/40s – f/5.6 – ISO 400 – 45mm (67mm)

Kommentar des Fotografen:

Die Aufnahme entstand in einem kleineren Tempel in Bangkok, abseits der „Schauzeremonien“ schon zu recht später Stunde. Nach einem freundlichen Blick eines seitlich betenden Mönchs kniete ich mich in die letzte Reihe und wartete erst einige Minuten ab, bevor ich ein paar Bilder schoss – inzwischen saßen auch betende Mönche hinter mir. Für mich ein magischer und auch authentischer Moment in einer sonst hektischen Stadt.

Profi Jan Zappner meint zum Bild von Patrick Figaj:

Dieses Bild funktioniert meiner Meinung nach nicht. Vor allem aber deckt sich die emotionale Beschreibung des Moments nicht mit dem transportierten Inhalt des Fotos. Dies hat mehrere inhaltiche Gründe:

Was sehe ich zuerst auf diesem Bild? Einen unscharfen goldenen Buddah in einem Gebetsraum, sitzende Mönche und viele Rückenansichten. Die Schärfeebene liegt auf den Rücken der Mönche.

Zum Informations- und Inhaltsabgleich kann man auch auf die Caption des Fotografen zurückgreifen, in der er zu Recht einen magischen Moment beschreibt. Jeder Gebetssituation wohnt etwas sehr intimes inne, da man Menschen sieht, die in sich versunken im Zwiegespräch mit Gott sind. Das kennt man entweder aus persönlicher Erfahrung oder vom Zuschauen.

Wie stellt man diese Situation jedoch auf einem Foto dar? Dazu gehören meiner Meinung zwei Komponenten.

Einmal der Mensch selber und zwar der Teil des Menschen, der Emotionen transportiert: das Gesicht. Und zweitens (optional) der Gott, zu dem gebetet wird oder die Umgebung des Gotteshauses, um klar zu machen, zu wem gebetet wird.

Der zweite Aspekt ist hier gelungen. Jedem Betrachter ist sofort klar, dass hier Buddhisten beten. Die Magie des Momentes jedoch wird durch das Fehlen von Gesichtern nicht deutlich. Man könnte jetzt sagen, dass es ein eher dokumentarisches Fotos sein soll. Aber dann müsste die Schärfe auf der Buddahstatue liegen. Auf keinen Fall jedoch auf den Rücken der Mönche.

Wie fotografiere ich also die Gesichter? Genau so, wie es der Fotograf eigentlich schon gemacht hat, nur ein wenig mutiger vielleicht. Nämlich zuerst hinsetzen, zuschauen, zuhören, die Stimmung aufnehmen und die Magie begreifen. Und wenn dann auch noch der Mönch neben einem lächelt, dann steht dem Vorhaben nichts mehr im Wege:

Zuerst (um selber Sicherheit zu bekommen) den lächelnden Mönch fotografieren, dann sich langsam in die erste Reihe am Rand vorarbeiten. Langsam ist hier das Stichwort. Die Gesichter beobachten und den Moment abpassen, in dem die Mönche besonders in sich versunken sind – und dann fotografieren. Diese (eigene, emotionale) Grenze, die Hemmung davor, indiskret zu sein, muss überschritten werden, um magische Momente auch im Bild transportieren zu können.

In der Rubrik «Bildkritik» analysieren Profi-Fotografen im Auftrag von fokussiert.com montags bis freitags jeweils ein Foto aus der Leserschaft.
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7 Kommentare
  1. kai
    kai sagte:

    Das mit dem Respekt ist ja immer wieder eine interessante Diskussion und einen Erfahrungsaustausch wert. Jeder der schon mal die Grenzen seines Landes verlassen hat, findet und sieht auf seiner Reise Horden von Touristen die wie ein Fotokopierer durch die Landschaft laufen und alles was sich vor ihrer Linse befindet ablichten. Nur zu oft wird dann ungefragt und dreist mit der dicken Spiegelreflex vor den Einheimischen rumgefuchtelt. Die Frage ist im Endeffekt, was uns als Fotografierende unterscheidet? Eigentlich hat es Jan Zappner ja schon geschrieben. Es gibt einen Unterschied zwischen dem von mir erwähnten Bild und dem eher vorsichtigen beobachtenden respektvollen und „auf Augenhöhe“ aufgenommenen Bild und das ist letztendlich nicht nur die Qualität. – Abgesehen davon das Bilder, die uns als Betrachter jene intensive und auch erklärende Nähe zum Fotografierten geben, nicht ohne das Einverständnis (oft/meist auch nonverbal)und vor allem durch viel Zeit zustande kommen. Unfreiwillige Fotos ob aus nächster Nähe oder mit Tele aus dem Hinterhalt vermögen es meistens nicht uns eine Geschichte hinter dem visuell erfassten zu erzählen. Ich denke, dass der „fotografische Raudi“ gelegentlich ein gutes Bild macht, ihm im Endeffekt aber durch seine Vorgehensweise eine ganze Welt verschlossen bleiben wird und das nicht nur weil die Porträtierten ihm diese Welt verwähren sondern auch weil er nicht verstehen will. Naja große Worte…
    Die Überwindung der eigenen Grenzen ist für mich ein ganz eigenes Thema. Für mich und gewiss auch für andere, die daran interessiert sind, Menschen authentisch in ihrem sozialen Kontext zu fotografieren (und ich schließe hier die Streetfotografie mal aus)ist es unentbehrlich auf Menschen zu zugehen und die eigenen Barrieren, die uns an einer wie auch immer gearteten Kontaktaufnahme hindern, einzureißen. Fotografie darf ja auch Arbeit/Auseinandersetzung an sich, mit sich selbst bedeuten und ein jeder hat da auch andere Bewegründe wieso es (anfangs) so schwer fällt auf andere Menschen zu zugehen. Aber ohne den Abbau dieser Scheu geht es nicht und fotografieren wir nur noch unbekannte Menschen auf öffentlichen Veranstaltungen oder halt im Urlaub in Folklore.

    kai

    Finde das Foto wie die Kritik daran gelungen

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  2. Peter Sennhauser
    Peter Sennhauser sagte:

    @BL: Ich möchte betonen, dass wir das Niveau unserer Kritiken demjenigen der Bilder anzupassen versuchen. Ich für mein Teil kann es nicht ausstehen, wenn meine Bilder von Leuten, von denen ich weiss, dass sie mehr als eine Ahnung von Fotografie haben, mit „schönes Bild“ abgehakt werden. Genau darum geht es in dieser Rubrik – oder vielmehr im ganzen Blog: Wir wollen gemeinsam etwas lernen. Zum Bild von Jan, das Du verlinkt hast: Gesichter sind hier ziemlich viele zu sehen, und der Fokus liegt nicht im Vordergrund, sondern auf eben diesen Gesichtern.
    @Pablo: Diesen einen Satz habe ich beim Gegenlesen von Jans Kritik leicht verschärft und damit vielleicht die Feinheit unterdrückt, dass die Überwindung der eigenen Hemmungen nicht in Respektlosigkeit umschlagen darf.
    @Patrick: Danke für die Ergänzungen. Ich wünschte, alle Kritisierten würden uns ihrerseits ein Feedback geben und ihre Gedanken mit uns teilen.

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  3. jan zappner
    jan zappner sagte:

    freut mich, dass hier so viele meinungen geäußert werden. deshalb einige anmerkungen: meine kritiken sollen weder hart noch beschönigend sein. sie geben meine meinung zum ihnhalt und der technischen umsetzung eines fotos wieder. zusätzlich versuche ich, eigene erfahrungen weiterzugeben und – wenn alles klappt – mit diesen tipps zu motivieren. wenn eine kritik zu hart rüberkommt dann liegt das vielleicht daran, dass ich bei einem bestimmten qualitativen level davon ausgehe, dass der fotograf das auch aushalten kann, besser gesagt: muss!
    zum respekt beim fotografieren: grundsätzlich ist dieser immer zu wahren. manchmal müssen allerdings grenzen überschritten – oder verschoben – werden. das heißt noch lange nicht, dass man respektlos ist. ich habe schon häufiger situationen erlebt, in denen leute mir schläge angedroht haben, wenn ich ein foto mache und drei minuten später kamen sie mit einem lächeln zu mir und wollten die fotos kaufen. die wahrnehmung ist da manchmal schwierig. genau das macht aber auch die spannung beim fotografieren aus: die intensität und emotionalität im umgang mit fremden menschen.

    grüße, jan

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  4. Patrick Figaj
    Patrick Figaj sagte:

    Erst einmal danke für die Kritik – damit kann ich umgehen, sonst hätte ich das Bild nicht zur Verfügung gestellt.
    Mit dem Respekt ist das natürlich immer so eine Sache – einerseits überschreiten, andererseits die Situation nicht unnötig ausreizen, wenn die eigene Anwesenheit schon sehr stark Beobachtet wird.
    Mir ging es um die Einheit, einen Moment inmitten der betenden Mönche festzuhalten – dieses halb aufschauen, halb niederträchtig beten, auf Schärfe kam es mir nur in zweiter Linie an.
    Vor allem aber ging es um den Augenblick, den Moment der Situation, und da kann – dies ist nur eine Meinung von vielen – auch die technische Umsetzung wieder in den Hintergrund treten.
    Es ging tatsächlich, wie angenommen, ume eine Dokumentationsaufnahme.

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  5. Pablo
    Pablo sagte:

    Diese (eigene, emotionale) Grenze, die Hemmung davor, indiskret zu sein, muss überschritten werden, um magische Momente auch im Bild transportieren zu können.

    Und wo bleibt der Respekt? Nicht viele Mönche in Thailand waren Glücklich, fotografiert zu werden, als ich zuletzt in Thailand war. Bestätigt wird dies von allen Reiseführern, die explizit davon abraten, ungefragt Fotos von Mönchen zu machen.
    Hübsches Foto schön und gut, aber der Respekt gegenüber anderen Religionen geht meiner Meinung nach vor.

    Gruß,
    Pablo

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  1. […] Dokumentation/Bildjournalismus Fotos, die Zeitgeschehen dokumentieren, Reportagen, Bildgeschichten. Fotos einer politischen Rede, Demonstration usw. Nicht zu verwechseln mit Street/Straße. […]

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