Rineke Dijkstra: Die jungen Menschen

Das Heranwachsen junger Menschen – das ist zentrales Thema der niederländischen Fotografin und Videokünstlerin Rineke Dijkstra.

Rineke Dijkstra, I See a Woman Crying (Weeping Woman), 2009; Videostills: Rineke Dijkstra © Rineke Dijkstra, Courtesy Galerie Max Hetzler, Berlin

Wer Dijkstras frühere Porträts von Jugendlichen kennt – die vom Strand etwa, der will immer noch mehr von ihr sehen. In Frankfurt am Main gibt es jetzt eine umfassende Ausstellung, die vor allem auch ihre Videoarbeiten zeigt.

Nach zehn Jahren ausschließlich fotografischen Schaffens kehrte Dijkstra 2007 zur Arbeit mit dem Bewegtbild zurück, wie das Museum für Moderne Kunst MMK Frankfurt mitteilt. Daraus gingen eine Reihe neuer Videoinstallationen hervor, die sich mit dem Akt des Betrachtens und dem Prozess der Identitätsfindung in der heutigen Gesellschaft auseinandersetzen. Mittelpunkt und titelgebende Arbeit der Ausstellung ist die 4-Kanal-Videoprojektion „The Krazyhouse“, die 2009 in dem gleichnamigen Liverpooler Club aufgezeichnet wurde: Die fünf jungen Protagonisten im Video, die Dijkstra auf nächtlichen Streifzügen durch die Liverpooler Clubszene entdeckte, tanzen alleine vor strahlend weißem Hintergrund zu ihrer Lieblingsmusik. Die fünf Sequenzen sind hintereinander und rotierend auf die vier Wände des Ausstellungsraumes projiziert.

Installationsansicht Rineke Dijkstra. The Krazy House, 2013; Rineke Dijkstra, Almerisa, 1994–2007 © Rineke Dijkstra, Courtesy Galerie Max Hetzler, Berlin und Reiner Ruthenbeck, Umgekippte Möbel, 1971 © VG Bild-Kunst, Bonn 2011, Foto: Axel Schneider

Erstmals in einer Ausstellung zu sehen sind die beiden Arbeiten „Dress Rehearsal“ (2006) und „The Power House“ (2007/08). Die Aufnahmen für letztere Arbeit entstanden 2007 in der ehemaligen Power House Gallery in Memphis und zeigen die jungen Tänzerinnen Monica und Maneka, wie sie während der Tanzsequenzen immer wieder die Konzentration verlieren und die Aufnahmen unterbrechen. Durch den neutralen weißen Hintergrund im Bild und die Präsentation in vier kleinen, dicht aneinander gereihten Rück-Projektionen wirken die Videosequenzen wie Skizzen oder animierte Zeichnungen auf Papier.

Dijkstras erste Videoarbeiten, „The Buzz Club/Mystery World“ und „Annemiek (I wanna be with you)“, entstanden 1996/97 in Großbritannien und den Niederlanden. Sie zeigen junge Menschen an der Schwelle zum Erwachsenwerden beeinflusst von der Pop- und Jugendkultur ihrer Zeit. Für „The Buzz Club“ nahm Dijkstra junge Clubgänger im gleichnamigen Liverpooler Club sowie in der Diskothek „Mystery World“ im niederländischen Zaandam auf. Die zu einer Doppelprojektion montierten Aufnahmen entstanden vor provisorischer weißer Studiokulisse während des laufenden Clubbetriebes.

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Neben Fotografien, die in Zusammenhang mit den Videoinstallationen entstanden sind, zeigt das MMK weitere Foto-Serien der Künstlerin, wie beispielsweise „Almerisa“, bestehend aus elf Einzelporträts. Dijkstra begann im Jahr 1994 das damals fünfjährige bosnische Flüchtlingskind in der niederländischen Stadt Leiden zu porträtieren. Die in unregelmäßigen Abständen entstandenen Fotografien folgen über 15 Jahre Almerisas persönlicher Entwicklung von einem schüchternen Mädchen bis zu einer jungen selbstbewussten Mutter. Die äußerlichen Veränderungen in Kleidung und Einrichtung dokumentieren gleichzeitig das Hineinwachsen Almerisas in die aktuelle niederländische Gesellschaft.

Dijkstra wählte für die Frankfurter Ausstellung rund 100 Werke von Künstlern aus der Sammlung des MMK aus, die sie in Dialog mit ihren eigenen Arbeiten setzte. Auf Wunsch der Künstlerin ist auch ein Werk von Pablo Picasso zu sehen: Das Gemälde „Weinende Frau“, eine Leihgabe der Tate Sammlung, ist Inspirationsquelle für zwei der jüngsten Videoarbeiten Dijkstras. In der 3-Kanal-Videoarbeit „I See a Woman Crying (Weeping Woman)“ beschreibt und interpretiert eine Liverpooler Schulklasse Picassos berühmtes Gemälde. Während der Bildbetrachtung gleiten drei Kameras über die Gesichter der Kinder, ohne je das beschriebene Bild einzufangen. „Nach und nach beginnen die Kinder, geprägt durch ihre eigenen Lebenserfahrungen das Schicksal der ‚weinenden Frau’ zu deuten. Aus der Bildbetrachtung entsteht ein Selbstbildnis der Gruppe“, sagt Ausstellungskurator Peter Gorschlüter.

Mit der neuen App des MMK (AppStore, Samsung oder PlayStore) können wir uns über einen Rundgang Informationen und Hintergründe zu sämtlichen Werken Dijkstras besorgen – von Zuhause aus oder vor Ort. Für die Museumsbesucher stehen kostenlose Leihgeräte zur Verfügung. Über Rineke Dijkstra, Jahrgang 1959, erfahren wir mehr auf Wikipedia, eine eigene Website hat sie nicht.

Rineke Dijkstra – The Krazy House
Bis 26. Mai
MMK Museum für Moderne Kunst, Domstraße 10, D-60311 Frankfurt am Main
+49 (0) 69 21230447, mmk@stadt-frankfurt.de
Geöffnet Dienstag, Donnerstag, Freitag, Samstag, Sonntag 10 – 18 Uhr; Mittwoch 10 – 20 Uhr. An den Feiertagen mit Ausnahme Karfreitag geöffnet, auch montags.

Rineke Dijkstra bei Wikipedia
Museum für Moderne Kunst

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