Schnappschuss ohne Durchblick: Durchg’schaut

Eine begrenzte Schärfentiefe hat ähnliche Wirkung wie Freistellung. Sie kann Blicke fangen, aber nicht nachhaltig Blicke führen.

durchgschaut

Andreas Spachtholz aus Zangberg schreibt: Das Bild entstand spontan, als ich meine Tochter so interessiert durch das Fernrohr blicken sah. Ich wollte das Bild so gestalten, dass der Betrachter über sie auf die Landschaft gelenkt wird. Deshalb wählte ich die geringe Tiefenschärfe. Leider war für einen zweiten Versuch mit einer kleineren Blende die Zeit nicht mehr da.

Ein junges Mädchen ist auf dieser Farbfotografie von hinten zu sehen, wie es durch ein festmontiertes Münz-Teleskop eine Meeresküste entlang schaut. der Vordergrund mit der Kleinen und einem dunklen Geländer liegt im Schärfebereich, der Hintergrund mit einem Sandstrand voller Felsformationen und in Dunst-Schichtungen in der Ferne aufhellender Küstenwälder liegt in einer leichten Unschärfe.

Das ist ein gelungener Schnappschuss deiner Tochter. Noch viel besser wäre er allerdings, wenn wir auch das Gesicht deiner Tochter sähen, was die Fotografie zu einem schön komponierten Urlaubs-Schnappschuss machen würde.

Zwar ist das Bild (mit Blendenpriorität) technisch einwandfrei fotografiert, die Belichtung hat ein leichtes Clipping in den Tiefen, frisst dafür aber in den Lichtern nirgends aus. Blende 7 sorgt aber beim [amazon B00A2I1D56]Canon EF 24-105mm[/amazon] in der längsten Brennweite und in dieser verhältnismässig kurzen Distanz zum Vordergrundobjekt für eine beträchtliche Unschärfe in den Hintergrundbereichen.

Du schreibst, das sei beabsichtigt, um den Betrachter oder die Betrachterin in dieser Fotografie von Deiner Tochter in die Landschaft zu führen. Ich bin allerdings der Meinung, dass Schärfentiefe genau umgekehrt funktioniert: Sie zwingt den Betrachter, das Objekt in der Schärfe anzusehen, denn nur dort wird er Details finden. Das lässt spannende Spielereien zu, indem man die Blicke mit Schärfe dorthin zwingen kann, wo in einem durchgehend scharfen Bild niemand zuerst hingucken würde. Ich habe die Schärfentiefe deswegen auch schon als fotografisches Ausrufezeichen bezeichnet.

Die Schärfenuntiefe aber umgekehrt zu verwenden, um eine Blickreihenfolge zu definieren, das halte ich für eine unglückliche Absicht. Natürlich schaue ich mir hier in diesem Bild zuerst Deine Tochte an. Sie ist ja das Objekt in der Schärfe und damit eindeutig Dein Motiv. Wenn Du aber denkst, das ich danach die Schönheit der Landschaft in der Unschärfe betrachte, ist etwas falsch – dort muss ich mir zuviel ausdenken, was Du mir durch die Unschärfe vorenthältst.

Wenn Du also mit der Schärfentiefe arbeitest, musst Du Dir sicher sein, was Dein Motiv ist, und kompromisslos dafür sorgen, dass das im besten Licht besteht – denn alles andere in dieser Fotografie ist nur Umgebung, die vielleicht noch durch Licht und Farbe das Motiv rahmen kann.  Würde sich hier, wie gesagt, Deine Tochter auf Deinen Zuruf hin nach Dir umdrehen und fröhlich in die Kamera lachen, dann wäre die faszinierende Landschaft ein würdiger Rahmen für das fröhliche Kindergesicht.

So aber, wenn Du Deine Tochter nur als Station für meinen Blick in die Ferne brauchen wolltest, hättest Du entweder die Blende schliessen und das ganze Bild scharf machen müssen (womit eine Landschaftsaufnahme mit Vordergrund entstanden wäre) oder aber Du hättest das Verhältnis umgedreht und die junge Dame im Vordergrund in die Unschärfe gestellt, auf dass wir (naturgemäss) zuerst kurz die menschliche Gestalt erfassen, um dann sozusagen zusammen mit ihr die Faszination der Landschaft im Hintergrund zu geniessen.

 

3 Kommentare
  1. Tilman
    Tilman sagte:

    Hallo, interessante Diskussion! Mir geht es wie Peter, ich finde das Motiv einfach zu nichtssagend, nicht wichtig genug, um es alleine in den Mittelpunkt zu stellen. Der Beschnitt von Chilled Cat verbessert das geringfügig. Für mich wäre das Bild besser, wenn das Mädchen einfach nur der Einstieg wäre, um anschließend eine grandiose Landschaft zu betrachten.
    MfG, Tilman

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  2. Chilled Cat
    Chilled Cat sagte:

    Ich finde die Bildidee gut und die Unscharfe Landschaft stört mich nicht. Allerdings ist für meinen Geschmack das Hauptmotiv etwas zu klein geraten. Das macht aber nichts, das lässt sich leicht beheben denn am oberen und am rechten Rand ist der Raum leer genug um hier etwas abzuschnippeln.

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  3. fherb
    fherb sagte:

    Oft lasse ich mich verleiten, knackschharfe Bilder von vorn bis hinten zu machen. Dieses Bild gefällt mir, weil durch die ausschließliche Schärfe auf das Mädchen, der Blick zwar durch den inhaltlichen Bezug versucht, in die Ferne zu schweifen, aber durch die Schärfe bzw. Unschärfe sofort wieder zurück geholt wird. — Trotzdem bleibt mir ein sehr entscheidender Aspekt der Landschaft im Kopf, obwohl ich immer wieder auf das Mädchen gezogen werde: Die Unschärfe des Hintergrunds lässt nämlich zwei Haupteindrücke ungefiltert hindurch: Die fantastische dreidimensionale Staffelung der Inseln und Landzungen durch ihre Anordnung verbunden mit dem „Tiefenmaß“ Nebel bzw. Dunst. Dazu kommt vermutlich auch durch den Dunst, der trozdem sehr viel Zeichnung hindurchläßt, ein wohltuender Weichzeichnereffekt. Und dann gibt es noch einen Abstraktionslevel: Die statische Landschaft, das Drumherum bewegt sich in einem schmalen Farbband von Schwarz (Dunkelgrau) über Braungrau hin zum farblosen hellgrauen Nebel. Ganz im Kontrast dazu steht das Mädchen in Blau und kräftigen Hauttönen (und eben auch der hohen Schärfe) im Vordergrund. Modisch, jedoch bezogen auf den Bildinhalt wenig überzeugend sind heute solche Bilder, die nachträglich ins Schwarz-Weiß umgewandelt werden und nur ein Objekt im Bild behält die Farbe bzw. wird sie in der Sättigung noch überzeichnet. Diesen Effekt findet man hier ebenfalls. Jedoch ist er hier natürlich, glaubhaft. Das Bild wirkt letztlich neben der inhaltlichen Staffelung auch in der Farbe auf diese Staffelung. – Motiv, Schärfeverlauf, Farbe… Es passt hier wunderbar und ungezwungen zueinander. Meiner Meinung nach. :-)

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