Seedrama: Schwarz-Weiss wird zu Silber

Wetter allein kann bisweilen dramatische Szenerien abgeben: Wolken und Wasser sind vor allem in Schwarz/Weiss hervorragende Stimmungsträger. Besonders bei gekonnter Nachbearbeitung.

Leserfoto: Klick für Vollansicht (© Johannes Huss).

Kommentar des Fotografen:

Die Hoffnung auf gutes Wetter stirbt zuletzt. Dieses Bild ist abends während eines Kurzurlaubs am Bodensee entstanden und drückt recht gut meine/unsere Stimmung zu dieser Zeit aus: Vorsaison, d.h. extrem wenig los, durchwachsenes Wetter in Verbindung mit fehlenden Rückzugsmöglichkeiten (fremdes Hotelzimmer). Leica M8 mit 25mm Voigtländer Objektiv, verfeinert mit Silver Efex Pro.

Peter Sennhauser meint zum Bild von Johannes Huss:

Warum auf „besseres“ Wetter hoffen? Für den Fotografen besteht schlechtes Wetter aus strahlendem Sonnenschein bei blauem Himmel.

Ich würde doch meinen, dass Dich dieses Bild für den entgangenen Segeltörn oder was immer Du verpasst hast bestens entschädigt. Jedenfalls ist es in der vorliegenden Bearbeitung ein impressionistischer Blickfang erster Güte und eine andere Sicht auf den See – egal auf welchen.

Wir sehen einen von Böen aufgewühlten Bodensee, dessen Oberfläche gequirlt wird vom Wind und kleine, wilde Wellen wirft; einen dramatischen Himmel voller Wolken, der tiefliegende Walzen wohl mit ziemlichem Tempo durch die Landschaft und über das nicht ferne, aber dunkle Ufer ziehen, und dahinter, wie von einem Vorhang verdeckt, die winterlich angeschneiten Berge. Die einsame Boie oder das Segelboot – so genau ist das in dieser Auflösung nicht zu erkennen – wirkt in dem wellenden Wasser verloren und einsam und unterstreicht den Eindruck, den Naturgewalten ausgeliefert zu sein.

Der Gegensatz der beiden Elemente – Wind und Wolken und darunter das Wasser – ist bestechend. Vor allem in den Wolken, die fast vier Fünftel des Bildes einnehmen, ist das Spiel des Lichts ausgeprägt und zweifellos durch die Bearbeitung verstärkt worden – weit hinten, über dem linkerhand sichtbaren Ufer, bricht sogar die Sonne durch und sorgt für einen Lichtfleck mitten im stürmischen Gewühl, der den Blick anzieht: Wir fangen unwillkürlich an, nach Anzeichen für eine Wetterbesserung oder den nahenden Sturm zu suchen.

Trotzdem, irgendwie zieht das Auge immer wieder auf diese leicht gepeitschte, gleichmässig aufgewühlte Wasseroberfläche mit der seltsamen Spiegelung in den tausenden von Wellen, die sich mit ihren vielen Ecken und Kanten so deutlich abhebt von den rollenden Lichtwellen am Himmel.

Ich habe mehrfach an andern Bildern kritisiert, dass sie zwar eine gute Bühne abgäben, aber kein Motiv enthielten: Das gilt hier nicht, weil die Bühne das Motiv ist – die Erwartung der Dinge, die sich hier bald ereignen werden, des Wetters, das sich entwickelt, ist Drama genug.

Die Tonwert-Verteilung und die lokalen Unterschiede in Belichtung und Kontrast schreibe ich der Bearbeitung mit den vielfältigen Filtern für die Schwarz-Weiss-Bearbeitung „Silver Efex Pro“ von Nik Software zu, und ich finde sie sehr gekonnt angewandt. Für meinen Geschmack – aber wie gesagt, das ist eine geschmackliche Frage – zu deftig ist die Abdunkelung der Wolken im Vordergrund ausgefallen, die den Rahmen für das einflutende Sonnenlicht doch etwas gar symmetrisch macht.

Spannend wäre es hier, die Aufnahmen der Reihe nach zu sehen: Das farbige „Negativ“, die in PS grob umgewandelte erste Schwarz-Weiss-Version und Deine Bearbeitung. Denn sie könnte deutlich zeigen, dass die Umwandlung einer Farbaufnahme in Schwarz-Weiss meistens nicht der letzte Schritt einer Bildbearbeitung sein darf. Wenn Du sie nachlieferst, stelle ich sie gerne zum Text hinzu.

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