Segel-Idylle: Linien und Flächen

Fotografie am Wasser erlaubt starke Kompositionen nur aus Flächen und Linien. Das Konzept wirkt am besten, wenn es konsequent umgesetzt ist.

Leserfoto: Klick für Vollansicht (© Angela Hofmann).

Kommentar des Fotografen:

Aufgenommen am frühen Sonntagmorgen in Konstanz am Bodensee.

Peter Sennhauser meint zum Bild von Angela Hofmann:

Ein Segelboot läuft bei ruhig wirkendem Wetter aus dem Hafen aus und fährt auf einer kupfernen Fläche in Richtung der fernen Berge vom Betrachter weg. Diese sind in der Distanz scherenschnittartig als Flächen gegen das Licht zu sehen; der von waagerechten Wolkenfetzen durchzogene Himmel greift die Spiegelungslinien des diesigen Lichts auf, welches die Wasseroberfläche vom Hintergrund der Berge abhebt. Im obersten Bildrand flutet das Sonnenlicht vertikal herein, am rechten Bildrand sitzt ein Vogel auf einer Hafenmarkierung.

Bilder wie dieses setzen den Akzent auf Linien und Flächen; die Faszination geht davon aus, dass ein bildliches Motiv sich durch das Licht auflöst in die einfachsten Bestandteile und dabei eine harmonische Einheit bildet.

Das Erfolgsgeheimnis dieser Fotografie besteht in der dünnen Linie am Horizont des Bodensees, die sich durch den flachen Blickwinkel auf das – im Vordergrund silbern glänzende, im Hintergrund aber von direktem Sonnenlicht zur Spiegelfläche bestrahlten – Wasser ergibt. Diese scharfe Linie trennt das Bild in einer Drittelung, was neben dem Goldenen Schnitt eine Aufteilung nach harmonischer Regel ist. Eine zweite Horizontale ergibt sich durch die Wolkenbank, im oberen Drittel des Bildes, und durch die Redundanz wird die Komposition sehr schön aufgegriffen.

In der Waagerechten erhält die Fotografie dadurch eine fast schon grafisch anmutende Aufteilung in Segmente, die sich noch dazu alle inhaltlich von den andern unterscheiden – der Blick kann in Schritten vom Vorder- über den Mittel- in den Hintergrund oder viel mehr in den Himmel steigen.

In dieser ausserdem nach oben fast gleichmässig heller werdenden Fläche steht das Segel des auslaufenden Bootes, das in der Belichtung wie ein umgekehrter Verlauf wirkt: unten heller als oben, wo es in einer eleganten Spitze in den fast gleissenden Himmel ragt. Bis hierhin ist die Komposition geglückt und erhält durch die leichte Kupfertönung zusätzlich eine Stimmung, die sie wie eine Metalltafel wirken lässt.

Was leider nicht so gut passt, ist die exakte Zentrierung des Bootes in der Szenerie, deren Waagerechte sich an die harmonischen Aufteilungsregeln hält – das Segel fast genau in der Bildmitte stört dieses Verhältnis von Flächen und Linien doch sehr. Hinzu kommt die Hafenmarkierung rechts im Bild, die zwar vielleicht mit einer ansonsten im ganzen Bild nicht zu findenden zusätzlichen Form – der Kugel – eine Überraschung sein kann, aber durch ihre Platzierung im Niemandsland viel zu dicht am Bildrand das Gleichgewicht noch mehr stört.

Wären diese beiden Elemente – Segelboot und Hafenmarkierung – besser in den gesamten Rahmen eingeschoben, dann wäre das Bild eine Augenweide. So aber ist es zwar bemerkenswert, aber die Komposition scheint irgendwie störend verrutscht zu sein. Ich hätte persönlich wahrscheinlich ganz auf das Objekt am rechten Bildrand verzichtet und dafür dem Segelboot, das nach links unterwegs ist, mehr Platz gegeben, um ins Bild hinein zu fahren – vielleicht nicht im Drittel, sondern im goldenen Schnitt in der rechten Bildhälfte.

Ein weiteres, technisches Detail, das hier nicht so sehr ins Gewicht fällt, aber eine Rolle spielen kann, ist der Fokus auf dem Segelboot. Die feine Wasserstruktur im Vordergrund ist nämlich eindeutig ein Blickfang, auf den sich der Betrachter irgendwann einlassen wird, und dass sie in einer ganz leichten Unschärfe liegt, wäre mit einer weiter geschlossenen Blende und/oder einem vor das Boot gesetzten Fokus zu vermeiden gewesen.

In der Rubrik “Bildkritik” analysieren Profi-Fotografen im Auftrag von fokussiert.com montags bis freitags jeweils ein Foto aus der Leserschaft.
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