Silhouetten-Foto: Das Fußball-Panorama

Ikonische Zeichen leben von der Reduzierung auf das Wesentliche und einer leichten Wiedererkennbarkeit. Beides ist in diesem Foto von Fußball-Fans gut verpackt, vor allem durch den starken Schwarz-Weiß-Kontrast.

[textad]

Leserfoto: Klick für Vollansicht (© Andi Gentsch).

Kommentar des Fotografen:

Jetzt trau ich mich mal. Das Bild entstand spontan während eines Fussballspiels in Cape Town. Ich war am experimentieren in den Katakomben mit verschiedenen Einstellungen. Schon im Sucher hat mir das Sujet gefallen. Hätte mich das Spiel, oder eher die Zuschauer, etwas weniger fasziniert wärs wohl noch zu einen weiteren Versuch mit einem etwas tieferen Winkel gekommen.

Ganz schwarz wollte ich den Rahmen nicht machen um die Stadionatmosphäre nicht ganz zu verlieren, das selbe gilt für die wenigen erkennbaren Elemente im Gegenlicht.

Ich habe im LR den Kontrast um 30 erhöht, den Schwarzwert und die Belichtung leicht angepasst und Dynamik und Sättiung runtergeschraubt. 1/60 bei f/3.5, ISO 100, BW 30mm

Profi Robert Kneschke meint zum Bild von Andi Gentsch:

Dieses Bild hat etwas Ikonisches. Genau genommen ist nichts zu erkennen, dunkle Schatten vor überstrahltem Weiß. Aber genau davon leben ikonische Zeichen im semiotischen Sinne. Durch die Reduzierung auf allein die Formen der Menschen wird das Bild so vereinfacht, dass relativ schnell und leicht zu erkennen ist, was die Umrisse der Menschen da machen:

Sie stehen, sitzen, warten, interessiert, aber nicht vollkommen bei der Sache.

Es mag vermessen klingen, aber ich komme nicht umhin, das Foto mit dem Abendmahl-Gemälde von Leonardo da Vinci vergleichen zu müssen. Was ich meine, wird in der abstrahierten Form des Künstlers Christopher Lewis noch besser deutlich. Dieser hat die Personen auf dem Abendmahl-Bild durch menschliche Piktogramme ersetzt, und die Anordnung erinnert an die Fußball-Fans auf dem Foto.

Vielleicht ist es diese unterschwellige Anlehnung an eins der berühmten Gemälde der Welt, was das Foto so ansehnlich macht. Das Ikonenhafte wird interessanterweise auch auf andere Weise deutlich. Ich habe mit der Google Bildersuche mal nach ähnlichen Motiven basierend auf dem Foto suchen lassen, und als Treffer zu „optisch ähnlichen Bildern“ erhielt ich fast ausnahmslos Logos, Markennamen und plakativen Text, also alles Motive, die von einer klaren, schnellen Erkennbarkeit leben.

Enger beschnitten, weniger Schwarzraum

Das Format des Motivs legt nahe, dass sich hier ein Panorama-Format anbieten würde, damit die Augen nicht unnötig lange über die großen schwarzen Flächen wandern müssen, wo es eh nichts zu sehen gibt. Ich habe das Format mal geändert, und so wirkt das Motiv noch stärker. In diesem Format kann ich es mir sehr gut auf einer Leinwand für das Wohnzimmer vorstellen.

Wo wir schon bei Verbesserungsvorschlägen sind: Die dritte Person von links, die alleine zwischen den zwei sitzenden Zuschauern steht, ist als einzige Person von der Kontur her schwierig zu erkennen. Hier hätte der Fotograf zwei, drei mehr Bilder machen können, um eventuell eine passendere Körperhaltung einfangen zu können.

In der Rubrik „Bildkritik“ analysieren Profi-Fotografen im Auftrag von fokussiert.com montags bis freitags jeweils ein Foto aus der Leserschaft.
Mehr über die Profi-Bildkritik erfahren / Eigene Bilder zur Kritik einreichen.

7 Kommentare
  1. Dave Makoun
    Dave Makoun sagte:

    Ja, das ist möglich; im Entwickeln-Modul unter Lightroom findest du den Punkt „Objektivkorrekturen“. Wenn du dich dort in den manuellen Modus begibst, solltest du das Bild transformieren können. Eine Arbeit, die ich vor dem Beschnitt erledigen würde, womöglich sogar vor den Helligkeitsspielchen :)

    Antworten
    • Andi
      Andi sagte:

      Daran hatte ich mich eigentlich versucht, allerdings offensichtlich mit zu wenig Erfolg. Jetzt ärgert es mich natürlich jedes Mal ein wenig, wenn ich das Bild anschaue. :D Das Gleiche gilt für den „abgesoffenen“ Kopf links. Es gibt keine andere Lösung: Ich muss wieder runter und an ein Spiel.

  2. Dave Makoun
    Dave Makoun sagte:

    Um erhlich zu sein, verstehe ich es nicht, warum dieses Bild nicht 100% akkurat ausgerichtet wurde, sowohl in der ersten als auch in der 2. Version, zumal ich das Gefühl habe, dass ein Hauch einer kissenförmigen Verzeichnung im Bild liegt.

    Die Dynamik würde ich noch ein wenig heruntersetzen und insgesamt versuchen, es so erscheinen zu lassen, dass man erst einige Mal hingucken muss, ob es sich um ein Bild oder ein Artwork handelt.

    Antworten
    • Andi
      Andi sagte:

      Danke für den Hinweis, das stört mich ebenfalls, leider stand ich nicht genau in der Mitte des Blocks, sondern leicht versetzt. So ganz konnte ich das offensichtlich nicht beheben. Kann die Verzeichnung auch davon kommen? Da kenne ich mich nicht gut genug aus.

      Die Idee mit der Dynamik probiere ich gerne mal aus.

  3. thomas
    thomas sagte:

    Ich denke auch, dass einige weitere Fotos des Motivs möglicherweise noch ein besseres Ergebnis erzielt hätten. Hier im Web scheint doch ein wenig zu viel durch das Licht wegzubrechen und die oben angesprochene Person im linken Bildteil ist in der Tat etwas störend – wenn auch sie perfekt gleichermaßen zwischen den zwei Sitzpärchen steht! Andererseits ist das im Nachhinein auch immer leicht gesagt. Es kann ja nicht jeder immer so toll dastehen, wie der HGerr ganz rechts.

    Mich erinnert das Bild eher weniger an das Abendmahl, sondern an (filmischen Ursprungs) südamerikanische Tagelöhner, Arbeitssuchende, oder alte Herren, die in der Mittagshitze ihre Siesta machen. Wie sie mürrisch in die Kamera gucken. In diesem Fall ist das Bild natürlich aber – der noch nie dagewesene – Blick von hinten.

    Antworten
  4. Andi
    Andi sagte:

    Jetzt bin ich ziemlich baff… vielen herzlichen Dank für diese grossartige Kritik. Damit hätte ich nun wirklich nicht gerechnet, das ist sehr motivierend.

    Auch der angepasste Zuschnitt gefällt mir sehr, die Aussagekraft wird dadurch viel eindrücklicher. Auch der Hinweis zum weniger deutlich umrissenen Herrn links ist hilfreich, vielleicht bringt es mich dazu künftig etwas geduldiger zu sein.

    Antworten

Hinterlasse einen Kommentar

An der Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar zu Andi Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert