Sonnenaufgang am Steg: Auf Bildränder achten

Insbesondere bei minimalistischen Aufnahmen ist „Grenzkontrolle“ an den Bildrändern unabdingbar.

NIKON D7000 - 1/250s - f/10 - 16 mm - ISO 100 - (c) Thomas Bannenberg

NIKON D7000 – 1/250s – f/10 – 16 mm – ISO 100 – (c) Thomas Bannenberg

Thomas Bannenberg aus Vechelde schreibt zu diesem Bild:

Die Aufnahme entstand kurz vor Weihnachtszeit 2014 herum, während eines Indonesienurlaubs auf der Insel Selayar, die südlich von Sulawesi gelegen im Indo-Pazifik liegt. Kurz nach Sonnenaufgang blickte ich aufs Meer hinaus und sah den mit Scheierwolken verhangenen Morgenhimmel und die gerade aufgehende Sonne.
Nun ist ein ins Wasser laufender (Boots)Steg natürlich prädestiniert für derartige Landschaftsaufnahmen, verleiht der die Fotos zusätzlich an Tiefe und Räumlichkeit. Dies wollte ich in meiner Aufnahme ebenfalls mit einfließen lassen. In der gezeigten s/w-Bearbeitung liegt das Augenmerk, im Vgl. zu der Farbversion, stärker auf dem hörzernen Steg und dem Wolkenhimmel, wobei letzterer m.E. entscheidend(er) für die Bildstimmung ist.

„Steg ins Wasser“ ist eines dieser ergiebigen (Urlaubs-)Motive, die wir auch hier immer wieder zu sehen bekommen. Dankbarerweise in dieser Fall mit etwas zusätzlichem visuellen Interesse – oft sieht man den Steg vollkommen mittig in absolut ruhiges Wasser ragen. Hier bietest Du mir interessante Wolkenformationen und Steine (oder was sie auch immer sind) im Wasser, zusätzlich zur Maserung des Holzes.

Wegen des zusätzlichen visuellen Anreizes – und ein paar kleineren Problemzonen – habe ich Dein Foto auch ausgewählt.

Die EXIF-Daten sind, was ich erwartet hätte. Widmen will ich mich mehr der Komposition und Nachbearbeitung. Man ist gerne mit anderen Bildteilen so beschäftigt, daß man vergißt, auf die Bildränder zu achten. Bruce Barnbaum nennt das „Grenzkontrolle“ (der Ausdruck „border control“ macht im Englischen mehr Sinn, da „border“ sowohl „Grenze“ als auch „Rand“ heißen kann).

[bildkritik]

Du hast, wie erwähnt, den Steg nicht vollkommen mittig angeordnet (Goldener Schnitt in rosa, Drittelregel grün), und der natürliche Horizont (gelb), an den der Steg auch optisch anschließt, liegt außerhalb sowohl des Goldenen Schnitts als auch der Drittelregel. Der Steg dominiert das untere Drittel des Fotos:

Vergleichsfoto

Vergleichsfoto

Der Blick des Betrachters wird zum Ende des Stegs hingeleitet.

Vergleichsfoto

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Mit dieser Blickrichtung kontrastiert das Holz im Steg, das parallel zum Bildrand verläuft.

Vergleichsfoto

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Oder besser, verlaufen sollte. Denn was sofort auffällt bei einem Foto mit solch minimalistischer Komposition, ist die Tatsache, daß das Holz eben NICHT parallel zum unteren Bildrand verläuft. Es ist ganz klar, geschuldet der Brennweite von 16 mm verbunden mit Aufnahmestandpunkt und auch wohl der Konstruktion des Steges, verzerrt. Will sagen, es fängt unten rechts schief an, und wird dann langsam nach hinten hin optisch gerade:

Vergleichsfoto

Vergleichsfoto

Wie dem auch sei, es war das erste, was mir auffiel, und da Du laut EXIF in Photoshop CS6 nachbearbeitet hast, hättest Du es dort auch ohne weiteres korrigieren können. Das habe ich hier in einem Vergleichsfoto getan:

Vergleichsfoto

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Jetzt fängt der Steg zwar nicht mehr an beiden unteren Ecken des Bildes an, aber das muß man eben in kauf nehmen.

Die ausgebrannten Stellen am Himmel und im Wasser, durch die Sonne verursacht und, weil Du wohl keinen Grauverlaufsfilter auf dem Objektiv hattest, kann man im Nachhinein nicht mehr ausbügeln, sie sind aber auch nicht so besonders gravierend.

Vergleichsfoto

Vergleichsfoto

Du kannst Dir überlegen, den melancholisch-nachdenklichen Charakter des Bildes noch zu verstärken, indem Du den Kontrast noch etwas heraufschraubst und dafür die Helligkeit noch etwas herunter. Das würde dann so aussehen:

Vergleichsfoto

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Das ist allerdings Geschmackssache. Ansonsten ist es für mich mit der Korrektur des Holzes ein solider Schnappschuß, auf den Du mit Recht stolz sein kannst.

4 Kommentare
  1. Thomas Bannenberg
    Thomas Bannenberg sagte:

    Zunächst einmal möchte ich mich natürlich bei Sofie für die Arbeit und ihre Analyse bedanken! Ernstgemeinte Diskussionen / Kommentare finde ich immer anregend und i.d.R. auch äußerst lehrreich. Auch hier konnte ich wieder viel lernen und gerade der Blick eines Außenstehenden, der sich dem Fotografen in keiner Art und Weise verpflichtet fühlt und deshalb auch ganz ehrlich und quasi frei von der Leber weg kommentieren / argumentieren kann, ist für das eigene Vorankommen m.E. unerlässlich.
    Bzgl. der von Sofie angesprochenen, in erster Linie eher technisch motivierten Kommentare (Drittelregel, Goldener Schnitt, etc.), kann ich ihre Argumentation nachvollziehen bzw. ich verstehe, was sie mir damit sagen will und worauf sie hinaus wollte. Dem ist aus techn. Sicht auch nichts mehr hinzuzufügen, da Sofie diese Punkte hervorragend herausgearbeitet und sehr gut nachvollziehbar erklärt hat. Aber manchmal sind es gerade die kleinen „Fehler“, die ein Foto für den Betrachter interessant machen und genau dies hat Sofie, wenn ich sie richtig verstanden habe, ja auch letzten Endes veranlasst, sich meine Arbeit vorzunehmen. Zitat: „Wegen des zusätzlichen visuellen Anreizes – und ein paar kleineren Problemzonen – habe ich Dein Foto auch ausgewählt.“ Perfektion kann, wenn man mich fragt, manchmal auch langweilig sein bzw. werden. Dabei werden die bereits angesprochenen Regeln zur Bildkomposition von vielen als unumstößlich angenommen. Dabei sollten diese m.E. weniger als Dogmen, und vielmehr als hilfreiche Wegweiser, die einen „interessanten“ Bildaufbau in Aussicht stellen können, verstanden werden, welche aber zu gegebener Zeit gebrochen werden können, oder vielleicht sogar besser gebrochen werden sollten?!
    Bzgl. des Bildaufbaus war es mir z.B. wichtiger gewesen den Steg jeweils in den Ecken beginnen zu lassen, als vielmehr Wert darauf zu legen, dass die Holzbretter, zumindest anfänglich, zu 100% parallel zum unteren Bildrand verlaufen, da der Verlauf und die Bauweise des Steges auch nicht perfekt sind. Warum soll das nicht auch für die erster Meter im unteren Bildbereich gelten? In diesem Punkt stimme ich mit Andreas überein, dass mir das „krumme“, weniger perfekte Aussehen des Steges auch besser gefällt! Aber das ist meine Sichtweise, die meinem persönl. Geschmack entspringt und garantiert keine Allgemeingültigkeit besitzt. Das wäre schließlich auch extrem langweilig, wenn wir alle dasselbe spannend und schön finden würden!

    Mit herzlichem Gruß aus Niedersachsen
    Thomas

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    • Sofie Dittmann
      Sofie Dittmann sagte:

      Danke für die Erklärung hinsichtlich Deiner Motivation, was den Bildrand angeht. Ich muß mich, wenn ich eine Kritik schreibe, an das halten, was ich sehe, und, was der Fotograf zu seinem Bild schreibt. Ich habe meistens eine anfängliche Bauchreaktion, wenn ich ein Bild sehe, und dann formiert sich die Besprechung bereits im Geiste. So war das auch hier. „Steg ins Wasser“ ist ein etwas – OK, ziemlich – ausgelaugtes Motiv, und was bei Deinem bestach, waren die Details links und rechts im Wasser, und auch der Himmel. Hätte ich die Szene fotografiert, hätte ich mich wahrscheinlich auf den Steg gelegt oder sowas, einfach, um einmal eine andere Perspektive zu bringen. Du hast Dich für diesen Ausschnitt etc. entschieden, und, wie ich das immer wieder betone, eine Bildbesprechung ist ja kein göttliches Urteil, sondern die Meinung EINER Person. Ob das für den jeweiligen Leser oder Schöpfer des Fotos auf das, was sie sehen, zutrifft, ist irgendwo zweitrangig. Du fragst, wir antworten. Was Du mit Deinem Bild machst, ist Dir überlassen.

      Ich habe auch mehrmals betont, daß der Grund, daß ich mit Goldenem Schnitt etc. arbeite, der ist, daß man sich an IRGENDEIN Regelwerk und eine Struktur halten muß, soll die Besprechung Lesern etwas bringen. Am Goldenen Schnitt habe ich mich hier ja auch nicht aufgehängt. Es ist immer wieder interessant, woran die Leute kleben bleiben.

  2. Andreas
    Andreas sagte:

    Hallo,
    ich mag deine Bildbesprechungen und meistens gebe ich dir bei deinen Verbesserungen auch recht. Oft gibt das den Bildern den letzten Schliff.
    Wie auch, teilweise, bei diesem Bild.
    Die Erhöhung der Kontrastes und die Senkung der Helligkeit gefallen mir sehr gut.
    Aber (das musste ja kommen ;-) ) das „geraderücken“ der Bohlen auf dem Steg gefällt mir gar nicht.
    Das Bild wirkt dadurch langweiliger, spießiger. Das „krumme“ „nicht perfekte“ gefällt mir viel besser. Ausserdem mag ich es lieber, wenn de Steg aus den beiden unteren Bildecken kommt.
    Ich glaube auch, daß Thomas sich dabei was gedacht hat. Das passiert ja meistens nicht ungewollt. Es als einen „soliden Schnappschuss“ zu bezeichnen finde ich eher unzutreffend. Es ist ein tolles Bild, an dem noch etwas gefeilt werden kann, aber nicht muss.

    Gruß
    Andreas

    Antworten
    • Sofie Dittmann
      Sofie Dittmann sagte:

      Hey, wir müssen ja nicht alle das gleiche auf die gleiche Art mögen. Und Du wärst erstaunt, wie oft was ungewollt ins Bild rutscht. Vielleicht meldet sich Thomas ja, dann werden wir es herausfinden.

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