Sonnenstrahlen: Unsichtbares Motiv
Die Sonne oder ihre Strahlen abzulichten ist ein schwieriges Unterfangen und meist nur in Verbindung mit Wolken, Dunst oder Nebel möglich und attraktiv.
Kommentar der Fotografin:
Ich liebe die Sonne in jeder Hinsicht. Aber Sonnenstrahlen, die sichtbar am Himmel auftauchen, berühren mich auf ganz besondere Art und Weise und dies wollte ich weitergeben mit diesem Foto. Ich bin ein Anfänger und freue mich über jede Kritik, nur so komme ich weiter. Aufgenommen am 23.3.09 abends in Niederrohrdorf/AG
Peter Sennhauser meint zum Bild von Petra Jaldon:
Eine der frustrierenden Seiten der Fotografie besteht darin, dass wir häufig etwas anders sehen, als es nach dem Druck auf den Auslöser am Monitor der Kamera oder auf Prints erscheint. Das liegt nicht nur daran, dass unser Auge den technischen Wunderwerken der digitalen Kameras in Anpassungsfähigkeit und „Einstellungstempo“ haushoch überlegen ist, sondern auch an der Unterstützung durch einen „Prozessor“ mit Emotions-Faktor: Unserm Hirn.
Deswegen ist die Beherrschung der Technik eine absolute Voraussetzung, um Fotografie als Kunst zu betreiben. Statt den Kameraeinstellungen ausgeliefert zu sein, willst Du sie nutzen können, um damit das Resultat so zu beeinflussen, dass es dem Bild in Deinem Kopf enstpricht.
Damit ist nicht gemeint, dass man alle Knöpfe der Kamera kennen und überhaupt eine Kamera mit vielen Knöpfen haben muss. Wichtiger ist es, die Wirkung verschiedener Funktionen zu kennen, um ihre Auswirkungen aufs Bild einschätzen und ganz gezielt einsetzen zu können.An diesem Abend hat Dich das Licht am Himmel fasziniert, in dem durch eine ideale Kombination von Schatten und Wolken und Dunst Teile des Lichts eben wie sichtbare Sonnenstrahlen erscheinen. Das Problem ist nur, dass die auf deinem Bild fast gar nicht und nur nach dem Hinweis erkennbar sind.
Der wichtigste Grund dafür liegt darin, dass die Belichtung der Kamera, die Du verwendet hast, auf einem Mittelwert, dem 18%-Grauwert, beruht. Weil eben der Prozessor der Kamera keine Assoziationen machen kann wie Dein Gehirn und deshalb nicht „weiß“, dass Du abends und gegen die Sonne fotografierst und dadurch der Kontrast extrem und die Szene theoretisch eher „zu dunkel“ ist, stellt sich das Gerät automatisch auf einen Standardwert ein.
Das ist der 18%-Wert, den eine durchschnittliche Tageslichtszene aufweist – Licht und Schatten über das ganze Bild verteilt ergeben einen gleichmässigen Grauwert von 18 Prozent. Weil die Kamera, wenn sie auf Automatik und Matrixbelichtung steht, immer von diesem Wert ausgeht, kommt es zu Fehlbelichtungen, sobald die Szenerie vom Standard abweicht: Sandstrände und Schneeberge werden grau statt weiß, weil sie heller sind als der Durchschnitt; düstere Wolken am Himmel werden freundlich hell, weil die Kamera von einem Sonnentag ausgeht. Lowkey- und Highkey-Aufnahmen nennt man das, wenn die Belichtung übermässig dunkel oder hell sein soll.
Die Belichtungskorrektur mit +/- EV-Blendenwerten ist dazu da, der Kamera gewissermassen zu sagen, dass die Szene eben dunkler oder heller ist. In diesem Fall hättest Du der Kamera mitteilen müssen, dass sie „unterbelichten“ soll, um einen kontrastreicheren und dunkleren Himmel zu kriegen, an dem man die Sonnenstrahlen auch wirklich sieht.
Eine alternative Methode ist die Umschaltung auf „Spotmessung“, bei der die Kamera nicht die ganze Sensorfläche, sondern nur das Zentrum im Sucher für die Belichtung misst. Damit würdest Du dann einen der hellen Bildteile für die Belichtung anvisieren, die Belichtungswerte speichern, das Bild neu komponieren, scharf stellen und auslösen.
Die meisten Kompakten und alle Spiegelreflex beherrschen die Speicherung des Belichtungwertes unabhängig vom Fokus, aber man muss meistens im Handbuch nachschlagen, wie das bewerkstelligt wird. Der Vorgang ähnelt dem der Scharfstellung auf ein nicht im Zentrum des Bildes liegendes Motiv; vielfach ist es aber leider so, dass ein halb gedrückter Auslöser Fokussierung und gleichzeitig Belichtung speichert, wenn Du die Kamera auf Spotmessung stellst – denn meistens soll das Motiv ja scharf und „korrekt“ belichtet abgebildet werden.
Das würde in dieser Szene zu verheerenden Resultaten führen. Denn Deine Idee, die Bäume als Silhouette und unteren Bildrahmen zu benutzen, ist zwar gelungen. Aber die Schärfe müsste ebenfalls auf den Bäumen liegen, und wenn Du das mit der Methode „halbgedrückter Auslöser“ angingest, wäre das Bild danach eindeutig überbelichtet.
Du hast auf die Wolken am Himmel scharf gestellt, die weit entfernt sind. Das führt leider dazu, dass die Bäume unscharf werden – zumal du eine recht weit geöffnete Blende von 5.6 verwandt hast. In der Landschaftsfotografie – und dazu zählt dieses Bild im weiteren Sinne – ist es fast immer richtig, den Vordergrund jedenfalls scharf zu halten. Je nach Blende und damit der Schärfentiefe wird dabei der Hintergrund ebenfalls im richtigen Masse scharf. (Bei Kompaktkameras muss man sich, weil ihre Schärfentiefe grundsätzlich grösser ist als die der Spiegelreflex, eigentlich nur um den Vordergrund kümmern.)
Also hättest Du hier mit einer kleineren Blende auf die Bäume scharfstellen müssen (wodurch die Wolken auch noch im Schärfentiefenbereich gelegen hätten). Würdest Du das aber mit dem halb gedrückten Auslöseknopf ohne zusätzliche Belichtungsmessung/Belichtungskorrektur tun, dann würde die Kamera zugleich auf die dunkle Baumlinie belichten. Den starken Schatten würde sie durch eine (zu) lange Belichtungszeit kompensieren, und das Resultat wären graue Bäume und ein ausgebrannter, fast weißer Himmel ohne sichtbare Wolken.
Du müsstest also entweder von Hand aufgrund Deiner Erfahrung oder durch Experimentieren via Belichtungskorrektur mit der Wahl von minus einem oder zwei Lichtwerten (EV) dafür sorgen, dass die Kamera nicht überbelichtet (alternative: Auf Belichtungsreihe – Bracketing – stellen und drei Bilder in Serie mit jeweils einer Drittelblende Abstand schießen); oder aber du stellst sie auf Spotmessung um, worauf Du in diesem Bild zuerst die Belichtung an einer der weißen Wolken am Himmel messen und speichern, dann den Fokus auf die Bäume setzen und speichern und schliesslich das Bild neu komponieren und auslösen würdest. Dabei ist wichtig, dass Du in den Menü-Einstellungen Deiner Kamera dafür sorgst, dass Belichtungs- und Fokusspeicherung mit zwei verschiedenen Knöpfen separat genutzt werden können.
Ein weiteres Problem ist schliesslich die Nachbearbeitung des Bildes am PC in einer Software wie Photoshop oder Lightroom. Sie ist nämlich bei Bildern im JPG-Format bezogen auf die Helligkeitsabstufungen – aus denen Dein Bild im Wesentlichen besteht – nur sehr beschränkt möglich. Das liegt daran, dass Dein Auge nicht nur sehr viel mehr Abstufungen von Licht und Schatten erfassen kann als die Kamera (Kontrastumfang/Dynamik), sondern dass das Dateiformat JPG diesen Umfang noch weiter einschränkt. Was auf deinem Bild schwarz erscheint, ist schwarz und kann nicht mehr aufgehellt werden, was weiss erscheint, ist weiss und hat keine Zeichnung mehr.
Die Sensoren der Digitalkameras können aber mehr erfassen, wenn auch nicht den vollen Dynamik-Umfang unseres Auges. Deswegen ist bei heiklen Aufnahmen mit hohem Kontrastumfang eine Speicherung im Rohformat (RAW, ist bei vielen Kompakten leider gar keine Speicheroption) unbedingt nötig. In diesen Dateien ist jenseits von „weiss“ und „schwarz“ noch viel mehr Information im Bild verfügbar, und Du kannst diese Abstufungen ganz gezielt in einer Bildbearbeitung hervorholen und zum Beispiel die Sonnenstrahlen hier verstärken, ohne dabei den Rest des Himmels gleichzeitig aufzuhellen.
Ich habe in Lightroom dennoch versucht, mit einer Kontrasterhöhung, Steigerung des Schwarzwertes und einer leichten S-Kurve (Verstärkung der hellen Bildteile, ebenfalls kontrastwirksam), etwas mehr von den Sonnenstrahlen sichtbar zu machen. Das Resultat ist alles andere als optimal, aber ein bisschen mehr von dem, was Du abbilden wolltest, scheint mir doch sichtbar.
Grade für schwierige Belichtungen in „Nicht-Standard“-Situationen wie High- oder Lowkey oder Gegenlicht sind Kompaktkameras problematisch, weil sie konsequent auf Durchschnittsnutzung ausgelegt sind.
Wenn man aber, wie Du, eine Spiegelreflex besitzt, ist die Speicherung im JPG-Format ein frewilliger Verzicht auf künstlerische Freiheit und Qualität. Denn Dateien im RAW-Format lassen Dir ungleich viel mehr Spielraum bei der Nachbearbeitung, um zu dem Bild zu kommen, dass Du persönlich gesehen hast.
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