Sonnenuntergang: Die Berg-Königin kippt

Der Sonnenauf- oder Untergang als Hauptmotiv verlangt einer Fotografie besonders viel ab. die Majestät des Vorgangs muss im Bild erlebbar werden und toleriert keine technischen Makel.

Leserfoto: Klick für Vollansicht (© Matthias Wassermann).

Kommentar des Fotografen:

Aussicht von der Rigi (CH) auf das Nebelmeer. Der Pilatus schickt seinen Schatten über das Nebelmeer.

Profi Martin Zurmuehle meint zum Bild von Matthias Wassermann:

Ein schöner Ort und ein gutes Licht sind zwei Grundvoraussetzungen für ein interessantes und wirkungsvolles Bild. Ich kenne diesen Aufnahmeort auf Rigi Kulm sehr gut, denn ich hatte 10 Jahre lang auf Rigi Staffel eine Ferienwohnung.

Die Rigi ist die Königin der Berge und seit Mark Twains Schilderung der Sonnenauf- und -untergänge auch weltberühmt. Kann diese Aufnahme die besondere Magie dieses Ortes genügend gut wiedergeben? So ganz gelingen will dieses Unterfangen mit diesem Bild noch nicht. Die technische und gestalterischen Mängel beeinflussen die Bildwirkung zu stark:

Das Licht auf diesem Berg kann unglaublich schön und die Landschaft überwältigend sein. Allerdings sind diese beiden Faktoren keine Garantie für den Erfolg eines Bildes. Dazu benötigen wir auch noch eine sehr gute Aufnahmetechnik und eine wirkungsvolle Bildkomposition. Und in diesen beiden Bereichen hat dein Bild noch viel Potential.

Bei der Aufnahme (oder dann später in der Bildbearbeitung) solltest du zuerst darauf achten, dass der Horizont waagrecht ist. Hier kippt das Bild zu sehr nach rechts.

Auch die weissen Streifen am Himmel, verursacht durch Flugzeuge, lenken den Blick des Betrachters zu stark ab, weil sie „unnatürliche“ Elemente in der Natur sind. Falls du nicht warten kannst, bis sie sich aufgelöst haben (was manchmal sehr lange dauert), so kannst du sie in der Bildbearbeitung entfernen.

Ein weiteres technisches Problem ist der extreme Kontrastumfang der Aufnahme. Dieser übersteigt bei weitem die Möglichkeiten des Films oder des Sensors. Die Belichtungsautomatik nimmt dann einen Mittelwert, der den Vordergrund genügend hell zeigt, dafür aber die Sonne überstrahlen lässt. Solche Mittelwerte sind aber oft nicht ideal.

Besser ist es, ab Stativ eine breite Belichtungsreihe (5 bis 9 Aufnahmen im Abstand von 1 Blendenstufe) zu machen. Dann hast du eine genügende Auswahl an Belichtungsvarianten, um die beste auszuwählen. Eine dunklere Aufnahme zeigt die Sonne meistens viel klarer und wirkt auch stimmungsvoller als eine eher hell belichtete. In der Bildbearbeitung kann du dann noch der Feinschliff machen und den Kontrastumfangs steuern (z.B. mit HDR).

Von der Bildgestaltung her gefällt mir deine Idee mit dem ins Bild führende Zaun sehr gut. Diese diagonale Linie gibt dem Bild eine klare Struktur und eine starke Tiefenwirkung. Solche Motive haben in der Landschaftsmalerei eine lange Tradition.

Sehr störend sind aber die dunklen Grasflächen im Vordergrund und die vielen Spuren im Schnee. So wird der Eindruck einer überwältigenden Naturlandschaft stark beeinträchtigt: Jeder Grasfleck und jede Schneespur lenkt den Betrachter vom eigentlichen Motiv der Aufnahme ab. Es wäre besser gewesen, wenn du einen Aufnahmestandort mit einer homogenen, geschlossenen Schneedecke mit möglichst wenigen Schneespuren gewählt hättest. Dann hätte das Bild eine wesentlich stärkere Wirkung auf den Betrachter.

Fazit: Eine ganz tolle Landschaft und ein schönes Licht alleine genügen noch nicht, es braucht auch eine gute Aufnahmetechnik und eine bewusste Bildgestaltung, um die angestrebte Bildwirkung zu erreichen.

In der Rubrik “Bildkritik” analysieren Profi-Fotografen im Auftrag von fokussiert.com montags bis freitags jeweils ein Foto aus der Leserschaft.
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1 Kommentar
  1. Matthias Wassermann
    Matthias Wassermann sagte:

    Danke für die Anmerkungen.
    Hatte an dem Abend noch mehrere Bilder von der Stelle gemacht. Eines davon habe ich in Flickr hochgeladen, bei dem ich ein paar Anmerkungen umsetzen konnte. Grundsätzlich hatte ich eine andere Position gewählt, habe das Bild dennoch etwas beschnitten. hier der Link zum Bild http://www.flickr.com/photos/mawas/5312535485/

    Beim wählen einer anderen Position bin ich aber anderen Fotografen immer vor der Linse rummarschiert, da am Silvesterabend einige Fotografen an der gleichen Stelle waren.

    Grundsätzlich lehne ich HDR ab und bin da beratungsresistent. In Post helle ich die Schatten etwas auf.

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