„Spiegelreflex digital“ im Test: Labortest auf dem Haufen

„Spiegelreflex digital“ ist ein neues Monatsmagazin für SLR-Fotografie mit Schwerpunkt auf Testberichten aus dem Labor und Datentabellen. Fotografisches ist dazwischen wenig zu finden.

'Die erste Ausgabe von 'Spiegelreflex digital'

Foto-Magazine im TestWir testen und bewerten in lockerer Folge Zeitschriften zum Thema Fotografie aus aller Welt - mit Punkttabelle und Fazit.

„Kompetenz und Klarheit“ verspricht Artur Landt, der Herausgeber und Chefredakteur von „Spiegelreflex digital“.

„Die Zeit ist reif für eine neue Art von Fotozeitschrift: Klar strukturiert und ansprechend gestaltet führt sie Spiegelreflex digital in die faszinierende Welt der SLR-Fotografie ein.“

Klingt irgendwie so, als obs grad gar keine Zeitschrift gäbe, die das bisher getan hätte. Vor allem aber klingt es vielversprechend nach einer Einführung in die Fotografie mit der Spiegelreflex. Was ist dran?

Inhalt

Doppelseitige Testberichte dominieren das Magazin.Ich habe mir die Zeitschrift angesehen und bin schon beim ersten Durchblättern zum Schluss gekommen, dass der Titel dem Inhalt wesentlich besser gerecht wird als Landt’s vollmundiges Versprechen: Das Heft stellt Kameras, Gadgets und Objektive vor, und das geschieht in Form umfangreicher, vergleichbarer Tabellen und offenkundig nach Labor-Testmethoden.

Die Inhaltliche Gliederung richtet sich denn auch mit einer Farbkodierung der Seiten nach den Ausrüstungs-Klassen: Kameras, Objektive, Zubehör und Bildausgabe. Die vier grossen Teststrecken in der Oktober/November-Ausgabe sind Kameras, Objektive, Stative, Drucker und Software.

Von Fotografie als Kunst oder Handwerk ist allerdings fast gar nicht die Rede, sondern in erster Linie von Ausrüstung und Technik. Auch wenn die „Aufnahmepraxis nicht zu kurz kommen“ soll, ist sie ganz klar als Beilage zu den Testberichten deklariert. Mit grade mal sieben von Hundert Seiten wirken die drei „Aufnahmepraxis“-Artikel (zwei Seiten über Weissabgleich, eine Seite zu Scharfstellung mit Live View und vier Seiten über Weitwinkelaufnahmen) doch mehr wie eine Alibiübung.

Das Gros der Artikel besteht aus den grossen Labortests, Kaufberatung, Neuheiten-Meldungen und „Marktübersichten“ – also alles, was vor allem Werbekunden mögen.

Zwei Seiten Fotolexikon: Nicht wirklich zeitgemäss.Fachliche Ausnahmen sind die drei „Wissen“ Artikel zu Auflösung, Verzeichnung und Blitzsteuerung – wenn auch bei letzterem im Untertitel gleich wieder die Kaufberatung durchschimmert: „Alles, was Sie wissen müssen, damit der Blitzkauf nicht zum Fehlkauf wird.“ Magazine, die einem in jedem zweiten Titel versprechen, „alles“ zu einem Thema zu behandeln (oder auch nur alles, was ich wissen müsse), kriegen bei mir sofort den Hochstapler-Malus.

Tiefgang und Verständlichkeit

Inhaltlich wirkt Spiegelreflex Digital kompetent und vertieft, wenn es um Testberichte geht. Das bezieht sich allerdings auch mehr auf die Werte-Tabellen, die mich persönlich eher langweilen (und sich im Internet fortsetzen sollen). Die Zusammenfassenden Texte sind aufgrund der grossen Schrift und des luftigen Layouts recht kurz. Sonderlich einfallsreich sind die Texte auch nicht:

„Somit gelingen Landschaftsaufnahmen mit dunklen Wiesen und hellem Himmel … ohne dass die Schattenbereiche zulaufen oder die Lichter ausbrennen“

heisst es bei der Canon EOS 1000D, eine Seite vorher bei der Nikon D90 steht

„Auf Landschaftsbildern mit schattigen Wiesen und sonnendurchflutetem Himmel saufen weder die dunklen Partien ab, noch brennen die hellen Bereiche aus.“

'Farbwiedergabe ist eher neutral?' Und das zeigt man an einem Sepia-Bild?

Der Anspruch, verständlich zu bleiben, wird nur so lange eingelöst, als Testbericht und Datenmaterial auf der banalen Seite liegen. Immerhin werden hier auf je einer Doppelseite pro Kamera doch einige einzigartige Punkte hervorgehoben, und es wird eine Wertung in den wichtigsten Kriterien erstellt.

„Details“-Informationen sind manchmal interessant, manchmal wieder sehr, sehr aufgeblasen:

„Das Testbild des Digital Colorcheckers SG von Gretag Macbeth werten wir mit dem IE Analyser der ImageEngineering aus. Dabei wird in jedem Farbfeld der Farbabstand DeltaE ermittelt. Die E-520 schneidet gut ab, nahezu alle Farbfelder sind im grünen Bereich.“

Da liefert dem Laien genau im letzten Satz eine nützliche Information – alles vornedran ist unverständlich und jedenfalls damit – wohl aber auch sonst – völlig überflüssig.

Die Erklärung des Testverfahrens hingegen, die auf einer ganzen Seite am Testende folgt, zeigt zwar beeindruckende Screenshots von teuer aussehender Messoftware, liefert aber darüberhinaus kaum mehr als die Liste der Testkriterien und überhaupt keine Erklärung der Testsetups.

Ich will mich hier nicht über jedes Detail auslassen, aber das Beispiel des zweiten grossen Tests in „Spiegelreflex Digital“ – der von zehn Ultra-Weitwinkelobjektiven – bietet etwa das selbe, zeichnet sich aber durch die Absenz von vergleichbaren Testaufnahmen mit den Objektiven aus.

Aufmachung

Hier wirds absurd: Sind die Testbilder aus dem Internet zusammengeklaubt?

Absenz vergleichbarer Testaufnahmen? Nein: Bei genauem Hinsehen stellt sich heraus, dass das teuer aufgemachte Magazin „Spiegelreflex digital“ offenbar überhaupt keine Testaufnahmen – jenseits der Labortests – gemacht hat: Ausser bei einem einzigen steht bei allen der wild zusammengewürfelten und weder vom Aufbau noch vom Motiv irgendwie vergleichbaren Bildern „Aufnahme mit einem baugleichen Zoom“. Völlig absurd wird das, wenn es beim Canon 10-22mm heisst „Aufnahme mit einem baugleichen, aber wohl besser zentrierten Zoom“. Oder bei Pentax: „Die Aufnahme mit einem baugleichen Zoom bestätigt den guten Bildeindruck.“ Aha. Da musste wohl der Layouter noch schnell die Bildlegenden runterschreiben.

Das ist der ganze Artikel. Die Bilder sind PR-Material der Kamera-Hersteller.

Überhaupt kommt, wie eingangs schon erwähnt, die Fotografie neben der Fototechnik deutlich zu kurz. Dabei sollte doch das Testmaterial just jenen Kaufwilligen helfen, die sich die Möglichkeiten der Spiegelreflex erschliessen wollen. Da gehört es meiner Ansicht nach dazu, dass man das beste Anschauungsmaterial liefert, das man finden kann, ein bisschen Sehschulung und Bildkritik betreibt und vielleicht das eine oder andere Thema statt mit PR-Bildern der Hersteller, wie im Fall des netto ein paar Tausend Zeichen langen Textleins über die Scharfstellung bei Live View (ich habe mich an einem ähnlichen Aufsatz über die Möglichkeiten der Fokussierung mit Live View versucht und dazu auch mein eigenes Bildmaterial geschossen – das kriegt eine Fachzeitschrift auf Hochglanzpapier doch hoffentlich auch noch hin?)

Wie originell, die Verknüpfung von grossem mit kleinem Nashorn ("Rhinos"?). Dafür wurde bei den Produktbildern der Kameras gepfuscht.

Die Doppelseiten, die die grossen Tests mit einem thematischen Motivbereich aufmachen sollen – diesmal Afrika – wirken beliebig, die Bilder sind zum Teil ungeeignet für die grosse Aufmachung und völlig ohne Zusammenhang mit den Tests, aber auch sonst künstlerisch von nicht sofort erkennbarem Wert. Jegliche Unterstützung in Form von Text fehlt.

Service und Weiterreichendes

Spiegelrefelx digital erscheint in einer Kooperation mit dem deutschen Fotokamera-Portal „digitalkamera.de“. Dort sollen den auch – neben einem Blog mit ständig aktualisierten News – Testbilder und Charts und noch mehr geekige Daten zu finden sein.

Die Webadresse „spiegelreflex-digital.de“ führt schliesslich auch auf eine Unterseite von digitalkamera.de – und dort findet sich ein „Blog“ des Herausgebers – mit grade mal zwei Einträgen seit 19. September 2008 – und einer Downloadseite mit allen Labor-Testbildern und -Diagrammen des Kameratests. Wenn die Kommentarzahlen auf die beiden Einträge einen Hinweis geben, sind die Zugriffszahlen auf das Datenmaterial wohl kaum überwältigend.

Fazit: Teuer, aber billig

Das Magazin „Spiegelreflex digital“ kommt in sehr nobler Erscheinung daher, auf teurem Hochglanz-Papier und mit locker -luftig – modernem Layout. Statt aber irgendetwas neues zu bringen und die Unterscheidung zwischen Spiegelreflex-Fotografie und künstlerischem Anspruch gegenüber Kompaktkamera fürs Urlaubsbild zu betonen, setzt das Magazin voll auf Technik-Tests. Das ist zusätzlich unbefriedigend, als die Platzbeschränkung im Print den Labortests nicht gerecht werden kann. Die einzigen, die an diesem altbackenen Testtabellen-Haufen auf Hochglanz-Papier Freude haben dürften, sind die Mediaagenturen, auf deren Inseratekampagnen das Produkt zugeschnitten ist.

Für fünf Euro oder leicht überteuerte 10 Schweizer Franken gibts eine Sammlung von zweifellos professionell durchgeführten Labortests, aber alles in allem wird hier Fotografie auf Technik reduziert, und das mit einem Tiefgang, den die Wikipedia leicht übertrifft. Einen künstlerischen Anspruch kann ich nicht nur nicht ausmachen, er wird mit der lieblosen Sammlung von Stockphotos geradezu beleidigt.

Spiegelreflex digital erscheint alle zwei Monate und kostet 5 Euro / 10 CHF. Die getestete (Erst-) Ausgabe 06/2008 hatte einen Umfang von 100 Seiten.

Spiegelreflex digital“ im Test
Verständlichkeit ******
Tiefgang ******
Nutzernähe ******
Aufmachung ******
Aktualität ******
Zusatznutzen ******
Originalität ******
Präsentation ******
Sehschulung ******
Gesamtbewertung 17/54

5 Kommentare
  1. Peter Sennhauser
    Peter Sennhauser sagte:

    @Zippo: Die Stilblüte ist mir noch nicht mal (negativ) aufgefallen…

    @martin: Das hat was – aber insgesamt ist „Spiegelreflex digital“ durchaus verständlich geschrieben und auf einem Niveau, das Anfänger auch dank der Erklärungen nicht als abstossend fachidiotisch finden dürften.

    Ansonsten: Di zweite Nummer müsste seit Samstag in Deutschland an den Kiosks sein. Vielleicht guckt sie jemand durch und gibt hier ein Feedback? Ich komme leider nicht ran, bin etwas gar weit weg (zurück in San Francisco, aufgrund der Reise auch etwas knapp mit Postings dieser Tage).

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  2. martin
    martin sagte:

    bleibt eigentlich nur auf die nächsten tests von euch zu hoffen – und der wunsch, eine art von „fokussiert.com in print“ zu finden!

    wie kann eine zeitschrift, die offenbar vor allem mit fach- und technik-begriffen auskommt trotzdem fünf von sechs sternen bei der verständlichkeit erhalten!?? zumindest bei den von dir zitierten sätzen sehe ich das jetzt definitiv nicht so!

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