Spinnenfoto: Ein tiefer Blick

Alltägliche Motive müssen mit fotografischen Mitteln spektakulär gemacht werden. Die können technischer und kompositorischer Art sein.

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Leserfoto: Klick für Vollansicht (© Florian Heeg).

Kommentar des Fotografen:

Bei der Kategorie bin ich mir nicht sicher: Ich habe dieses Raubtier unterm Briefkasten entdeckt, sozusagen „bei der Arbeit“. Einige Stunden hat sich die Spinne zum Bearbeiten Ihrer Beute schon genommen. Hätte ich mir die auch für das Foto nehmen sollen? ;-) Leider war die Spinne mit dem Rücken zur ca 5cm entfernten Hauswand gewandt, was ein freistellen erschwerte. Letztendlich hab ich versucht es mit dem Blitz so gut wie möglich zu bewerkstelligen.

Peter Sennhauser meint zum Bild von Florian Heeg:

Eine Spinne sitzt in ihrem Netz und verarbeitet eine gefangene Fliege zu einem Fresspäckchen. Die Aufnahme ist mit einer Perspektive direkt in der Ebene des Netzes aufgenommen und zeigt Spinne und Opfer aus einer Sicht, wie sie ein zweites Wesen im Netz hätte.

Das Netz ist dabei ein feines weisses Geflecht vor einem schwarzen Hintergrund, die gesamte untere Bildhälfte besteht nur aus den aus der Netzmitte auf den Betrachter zulaufenden Speichen des Netzes, die in der Vordergrundunschärfe verschwimmen; der Hintergrund im obersten Bilddrittel macht die andere Seite des Netzes aus, ebenfalls in Licht getaucht vor dem dunklen Hintergrund und versehen mit wunderschönen Bokeh-Kreisen.

Das ist vielleicht ein Dokumentarbild, aber es erhebt doch wohl eher den Anspruch einer ästhetischen Tierfotografie (für welche wir noch keine Rubrik haben).

Es ist ausserdem eine wunderbare Aufnahme, die ein alltägliches Sujet mit einfachsten Mitteln spektakulär macht.

Das wichtigste ist dabei für mich die Perspektive. Ich habe es schon mehrfach an Hand von Blumenbildern gesagt: Wir tendieren dazu, nicht nur aus Bequemlichkeit, die Dinge aus jener Sicht zu fotografieren, die wir tagtäglich ohnehin auf sie haben: Blumen von oben, Spinnen in ihren Netzen rechtwinklig von vorn. Von diesen Blickwinkeln abzuweichen ist mühsam, verlangt Verrenkungen und ist nicht einschätzbar in der Wirkung – ausser, man versucht es.

Das hast Du hier getan, und Du bist gleich noch mit einem idealen dunklen Hintergrund belohnt worden.

Dass Du auf die Idee gekommen bist, das Netz der Spinne mit dem Blitz sichtbar zu machen, ist keineswegs selbstverständlich, und ich gehe davon aus, dass das Blitzlicht nicht von der Kamera ab Blitzschuh, sondern seitlich gekommen ist.

Jedenfalls ist Dir mit der Dunkelheit und dem Aufhellblitz, der seitlichen Perspektive aus dem Netz ins Netz hinein und schliesslich dem Bokeh im Hintergrund, das aussieht wie Morgentau, ein spektakulärer Schuss gelungen.

Allein die Vorstellung dieses Motivs, frontaler fotografiert oder mit einem hellen, bewegten Hintergrund, verliert fast den ganzen Appeal, den diese Aufnahme hat, indem Netz und Spinne nicht nur ins Zentrum, sondern gleich zweifach (via Schärfentiefe und Lichteinfall) freigestellt werden schaffst Du mit der Reduktion und der Perspektive aus dem Netz die Spannung dieser faszinierend tiefen Aufnahme.

In der Rubrik “Bildkritik” analysieren Profi-Fotografen im Auftrag von fokussiert.com montags bis freitags jeweils ein Foto aus der Leserschaft.
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3 Kommentare
  1. Swonkie
    Swonkie sagte:

    gefällt mir sehr gut.

    wie hast du das mit dem blitz gemacht für die schöne freistellung? distanz spinne – blitz, etc…

    Antworten
    • Florian Heeg
      Florian Heeg sagte:

      Vielen Dank für Lob und ausführliche Kritik!

      Stimmt, einen externen Blitz habe ich mangels Stativ mit der linken Hand gehalten und per Master-Gehäuseblitz gezündet. Er ist etwa 40cm von der Spinne weg und auf 105mm Brennweite gebündelt. Das Licht kommt (im Bild) von schräg unten und wird von der weißen Hauswand (im Bild) oben reflektiert. Ich musste schon einige Versuche machen, um Regenrinne und Fensterbrett im Hintergrund und Briefkasten knapp über dem Netz im Dunkeln verschwinden zu lassen.

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