Sportfoto: Der Elfmeter-Überblick

Die Sportfotografie sollte das zeigen, worum es im Sport geht: Emotionen. Die sind am besten in den Gesichtern der Akteure zu sehen. Eine Aufgabe für lange Brennweiten und kurze Zeiten.

Sportfotografie, Fussball, Tottenham hotspur, Elfmeter. © Henrik Lauber

Olympus E-620, 320/s bei Blende 7 mit 14mm Brennweite und ISO 250, © Henrik Lauber

Henrik Lauber aus Nienburg: In englischen Stadien sitzen die Zuschauer oft ganz dicht am Spielfeldrand. Hier hatte ich das Glück, beim Spiel Tottenham Hotspur gegen Stoke City direkt hinter dem Tor zu sitzen, als Stoke City ein Elfmeter zugesprochen wurde. Ich habe schnell die Schärfe im Bereich des Torwarts gespeichert und habe dann gewartet, bis Arnautovic von Stoke City den Ball traf. Vielleicht wäre es besser gewesen, die Schärfe auf den Schützen zu legen. Ich habe keine Erfahrung mit Sportfotografie und habe versucht, mit 1/320 und Blende 7 einen Kompromiss zwischen Bewegungsunschärfe und Schärfentiefe zu finden. Ich finde, das Netz im Vordergrund stört, allerdings konnte ich es ja nicht wegzaubern. Arnautovic traf und Tottenham verlor schließlich.

Dinge aus Fotos wegzuzaubern ist heute ein verbreitetes Hobby… dazu brauchst Du  nicht unbedingt Photoshop. Eine lange Brennweite und eine offene Blende würden es auch tun:

Ich bin alles andere als ein Sportfotograf und auf die Hilfe all derer, die sich damit wirklich auskennen, angewiesen (die Kommentarspalte ist offen für Hinweise und Beispielbilder!). Trotzdem habe ich mich an dieses Bild gewagt– ein paar grundsätzliche Dinge kann man nämlich jedenfalls anmerken.

Wir sehen in dieser Farbfotografie am rechten Spielrand fast formatfüllend einen Torhüter, der soeben im Absprung zu sein scheint, von hinten. Wir blicken durch das Tornetz auf das Spielfeld und  haben schätzungsweise elf Meter vom Torhüter entfernt (…) einen Spieler der gegnerischen Mannschaft, der grade „abdrückt“. Hinter ihm sind vor den vollen Zuschauerrängen in der Ferne die übrigen Spieler zu erkennen, die sich soeben vorwärts in Bewegung setzen.

[bildkritik]

Tatsächlich ist es für Fussballfans zweifellos ein Erlebnis, nahe am Spielrand zu sitzen. Da müsst man annehmen, dass man von einer solchen Position auch als Fotograf profitiert. Trotzdem wirkt Deine Aufnahme seltsam leblos, flach und am Spiel unbeteiligt. Wieso das?

Schauen wir die technischen Daten an – denn darin liegt ein guter Teil des Geheimnisses: Du hast mit der bereits etwas betagteren [amazon  B001UA3RO0]Olympus E620[/amazon] und wahrscheinlich dem Systemobjektiv [amazonna B0058G3ZNA]Zuiko 14-42mm[/amazonna] in der kürzesten Brennweite von 14mm fotografiert: Das entspricht auf der Four-Thirds-Kamera einem Kleinbild-Äquivalent von 28mm gemäss Cropfaktor. Einfach ausgedrückt: Du hast mit dem Weitwinkel fotografiert, um das Stadion, die Spieler, das Tor ins Bild zu kriegen. Ein Weitwinkel ist dazu da, die Dinge vor der Kamera weiter weg zu schieben. Du hast also sehr nah am Geschehen gesessen, und hast es dann mit der Brennweitenwahl von Dir weggeschoben.

Das ist aber für Sportfotografie eine sehr untypische Einstellung. Denn im Sport zählt nur in den seltensten Fällen die weitere Umgebung – das Fussbalfeld ist immer grün und gleich gross, und die Zuschauer spielen nur eine Rolle, wenn man ihre Emotion mitkriegt. Dies steht überhaupt im Zentrum dieser Art von Fotografie: Die Emotion, die Gefühle, Ängste, Triumphe und der Kampfwillen der Akteure. Und den fangen Sportfotografen typischerweise mit sehr langen Brennweiten so ein, dass der Gesichtsausdruck und die Körperhaltung des Sportlers, allenfalls einige seiner unmittelbaren Gegner oder die jubelnden Zuschauer direkt hinter ihm, möglichst viel dessen vermitteln, was den Sport ausmacht.

Wenn Du sagst, du habest das Netz des Tors nicht wegzaubern können, ist das nicht ganz richtig: Mit einer sehr langen Brennweite, einer offenen Blende und Deiner Nähe zum Spieler hättest Du, wenn Du den Elfmeter-Schützen isoliert hättest, wahrscheinlich höchstens einen weissen Schimmer vom Netz im Bild gehabt.

Dann wäre allerdings eine sehr viel kürzere Zeit nötig gewesen. Mit dem Weitwinkel und der halboffenen Blende reicht eine Drittelssekunde knapp für eine scharfe Aufnahme, wobei ich das auch für sehr gewagt halte, wenn Du die Bewegung der Spieler einfrieren wolltest.

Was jetzt die Komposition angeht, ist es Dir gut gelungen, das volle Stadion und die Situation eines Elfmeters aus der Perspektive des Torhüters zu zeigen. Insofern halte ich es für richtig, auf den Torhüter zu fokussieren. Allerdings ist es zweifellos so, dass die meisten Betrachter des Bildes sehr schnell bei dem Schützen landen, sein Gesicht und seine Mimik ergründen wollen und deshalb dort die Schärfe erwarten.

Ich habe mal versucht, mit einem Schnitt am Bild ein stärker fühlbares Duell zwischen Schütze und Torhüter herauszuarbeiten. Das kann aber nicht viel mehr als die Idee für einen Ausschnitt sein, den man mit einer längeren Brennweite hätte wählen können.

Sportfoto Elfmeter mit engerem Beschnitt

Gegner wie im Western-Duell: Von ganz links nach ganz rechts

Alles in allem: Sicher eine spannende Urlaubserinnerung, vermag dieses Bild als Sportfotografie nicht zu überzeugen und leidet an den Dingen, die häufig in Lokalzeitungen bei der Berichterstattung über örtliche Sportevents zu sehen sind: Weil man den Anlass als ganzes, die Menschenmassen und die Stimmung zeigen möchte, wählt man grosszügige Ausschnitte und Überblicke. Die transportieren aber meistens viel weniger Emotion und Stimmung als eine kleine Serie gut gewählter Augenblicke und Detailansichten. Die Sportfotografen am Rasen im Stadion fangen deswegen in der Regel mit ihren [amazonna  B00KBC1Y9S]Teleobjektiven vom Gegenwert eines Kleinwagens[/amazonna] vor allem Gesichter und Zweikampfszenen ein. Für die Überblicks- und Torschussfotos montieren sie fixe Fotofallen hinter den Toren.

3 Kommentare
  1. Henrik Lauber
    Henrik Lauber sagte:

    Das mit dem Wegschieben von Objekten durch das Weitwinkel habe ich bei der Aufnahme nicht bedacht. Wenn ich das Bild nochmal machen könnte, würde ich die Schärfe auf den Schützen legen und gleichzeitig mit mehr Brennweite einen engeren Ausschnitt wählen. Wie sehr das Netz dann verschwimmen würde, müsste man dann sehen. Den Aufnahmestandpunkt kann man im Stadion aber nicht einfach wechseln, dann würden sofort die Ordner eingreifen. Die sind um einiges energischer als ihre deutschen Kollegen. Es wäre auch gar kein Platz dafür da, denn überall sind ja Zuschauer, das ist wirklich sehr eng.

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  2. Stefan Jeschke
    Stefan Jeschke sagte:

    Ich kann die Begeisterung von Henrik schon nachvollziehen: er hat den Moment, der das Spiel scheinbar entschieden hat, ganz ansehnlich im Bild festgehalten. Wie Peter schon schreibt denke ich wuerde sich jede Lokalzeitung ueber dieses Bild freuen, insofern ists ein sehr gelungener Dokuschuss vom Spiel, ohne gesteigerten kuenstlerischen Anspruch. Technisch scheint hier alles gut soweit, kompositorisch auch gut, nur der Pfahl, der dem Torwart aus dem Kopf waechst, ist mir sofort negativ aufgestossen.
    Wenn ich jetzt eine tiefere Bedeutungsebene suchen will, boete sich fuer mich hier die „Erzaehlperspektive aus der Sicht des Torwarts“ an. Der muss ja immer „alles im Blick“ haben, somit ist das Weitwinkel erstmal die richtig Wahl. Allerdings sollte man dann naeher an den Torwart ran, um diesen Aspekt deutlicher zu machen. Ich denke Dietrichs Idee ging auch genau in diese Richtung, jedenfalls wuerde ich es genauso versuchen wie er es vorschlug.

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  3. Dietrich Kunze
    Dietrich Kunze sagte:

    Eine spannende Perspektive wäre vielleicht gewesen, sehr tief in der Hocke soweit nach rechts zu rücken, dass der Schütze ganz knapp links vom Torhüter zu sehen wäre; beide Kontrahenten stark betont mit einem optischen Übergewicht des Torhüters. Dabei wäre natürlich die kleine Blende zu bevorzugen.

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